© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag - Maulwurf
Wir haben einen Maulwurf in der Familie. Eine lecke Stelle. Einen Denunzianten und Petze der feinsten Art. Aber der Reihe nach. Ich hole ein bisschen aus. In manchen Dingen führt meine Frau ein strenges Regiment in den vier Wänden. Klare Vorgaben, eindeutige Regeln. Keine Straßenschuhe im Haus, schon gar nicht in den oberen Stockwerken. Nicht mit der Jeans aus der U-Bahn auf die Couch, sofort Händewaschen nach Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Duschen nach Toilettengängen auf der Schule. Einige Auflagen sind nachvollziehbar, vor allem, wenn jemand die Zustände auf deutschen Schultoiletten 2019 kennt. Ein paar Richtlinien sind etwas eng gefasst, andere durchaus eigen. Ich möchte sogar sagen sehr eigen. Aus meiner Sicht. Wir versuchen uns dennoch daran zu halten. Zumindest weitestgehend und an fast alle. Kaugummi von der Gasse oder potenzielle Hundekacke im Wohnzimmer ist nicht gut. Und permanente Diskussionen über Sinn und Unsinn helfen ja auch nicht weiter. Respekt vor den Bedürfnissen der einzelnen Familienmitglieder steht bei mir nämlich ganz groß im Freundschaftsbuch.
Nicht in den falschen Hals bekommen. Ich schätze in Sauberkeitsfragen die ordnende Hand meiner Frau. Ganz ehrlich. Viele Dinge sehe ich nicht ganz so streng und vielleicht ist es besser präventiv ein paar Schranken zu setzen. Wer weiß, wie es sonst bei mir und den Kindern aussehen würde. Aber jedes Gesetz muss auch immer wieder auf seine Sinnhaftigkeit überprüft werden. Ich bleibe auch nicht an jeder roten Ampel stehen, wenn niemand weit und breit in Rufweite steht. Verstanden? Ist meine Frau aus dem Haus, drehen wir unser eigenes Ding. Nicht ganz ohne Schranken, nicht überall, aber alles hat einen eigenen Spielraum zur Interpretation. Dies ist unser Deal. Also der Deal von den Dreien für die diese Familiengesetze gemacht wurden. Warum erzähle ich das alles? Bis vor kurzem dachte ich das nämlich noch. Seit einiger Zeit unterwandert aber einer von uns diesen Dreier-Bund. Und ich bin es nicht. Ich muss auch gar nicht lange recherchieren, wo die lecke Stelle sitzt. „Der Papa war heute früh mit seinen Schuhen im Schlafzimmer!“ Danke, Bruno! Brühwarm und mit breitem, stolzen Grinsen.
Dann wird er gelobt und dann schaut er noch viel viel stolzer. Er ist die treue Hand meiner Frau. So wie Tyrion Lannister bei Daenerys Targaryen. Für die Game Of Thrones-Anhänger unter uns. Nur noch deutlich loyaler. Sieht er mich mit den Stiefeln auf der Treppe interveniert er schon in der Früh „Aber die Mama hat gesagt…“ Ich bläue ihm ein „Bruno, ich habe etwas Wichtiges vergessen, ich muss schnell noch mal rein. Das bleibt unter uns…“, das hilft nur alles nix. Er sagt dann „Jaja“ und tut verschwörerisch so „als ob“ und am Abend drückt er es wieder meiner Frau. Mamas ganzer Stolz! Ich erkläre ihm, dass so ein Verhalten nicht besonders cool ist und er sich später damit nicht überall Freunde machen wird. Das juckt ihn nur nicht die Bohne. Hautsache jeder Regelverstoß wird sofort gemeldet.
„Die Hanni hat schon wieder ´Scheiße` gesagt!“. „Alles klar, Bruno, wir wissen Bescheid. Das soll sie nicht sagen“. Nur zur Erklärung: Für jedes Schimpfwort bekommt sie seit kurzem eine Woche kein Taschengeld. Der verdichtete Einfall von Kraftausdrücken hat uns zu dieser massiven Konsequenz getrieben. Nur mal so. Und Danke Peer Group und Schule! Meine Tochter hat mittlerweile nicht nur ein Riesenkontingent an Schimpfwörtern, sondern auch eine Riesenkrawatte auf ihren Bruder. Heute wollte sie lediglich einen Handstand auf unserem Wohnzimmerteppich machen, da rief er schon von seinem Hochstuhl aus „Hanni, hast Du die Hände gewaschen?“. Kommen Gäste von außen, weist Bruno sie sofort ein. „Schuhe ausziehen!“. Das ist in manchen Situationen ganz hilfreich, denn die Unsitte überall seine Schuhe anlassen zu müssen, kann selbst ich mittlerweile nicht mehr verstehen. Wir sind doch alle nicht mehr auf einer Studentenparty und pennen besoffen unterm Esstisch ein. Sieh mal einer an, das passiert mit Männern, wenn sie ein Jahr Elternzeit nehmen. Vorher war mir das nämlich auch völlig Wurscht.
Mir macht mittlerweile die Petzerei Gedanken. Bruno ist der festen Überzeugung, dass er völlig rechtens handelt. Und meine Frau gibt regelmäßig Daumen nach oben! So rotiert er zwischen „Mutters Liebling“ oder „Kleiner Klugscheißer!“. Letzteres verliehen von Hanni, als sie kürzlich die Fassung verlor. Ich weiß mittlerweile schon gar nicht mehr was er am Ende alles in der Krabbelstube erzählt. Ich halte mich besser mal mit allem zurück. Gestern früh schaute mich bereits die Erzieherin so komisch an.
Bruno und ich hören The Stars „In Our Bedroom After the War“ (Arts & Crafts)