Wieder einmal ordentlich verschätzt. Über den Zeitraum von knapp neun Jahren ist es uns halbwegs gelungen, Kinderrandale-Schäden an Wänden, Mobiliar und im Garten in Grenzen zu halten. Also mehr oder weniger. Hier mal eine abgeschlagene Kante, dort mit dem Wachsmaler an der Tapete entlanggefahren, da ein paar Blumen abgeschossen. Das meiste konnte behoben, überstrichen, neu gepflanzt oder einfach gewechselt werden. Eine ganz okaye Bilanz. Hut ab vor uns. Da hau ich mir zur Feier des Tages gleich einmal selbst ein Ei in die Pfanne. Kaum sind allerdings die Sektgläser aus dem Schrank, setzt Sohnemann Bruno einen ordentlichen Edding-Strich quer über den Esstisch. Verflixt und zugenäht. Ein kurzes Stoßgebet, lieber Gott, lass es den wasserlöslichen Stift sein. Einen kurzen Augenblick später Ernüchterung und Trauer tief wie der Baikalsee. Es war der Permanent-Marker. Brandneu, satte Spur. Tränen schießen in die Augen, Aktionismus macht sich schnell breit. Es hilft kein Spülmittel, kein Spezialschwamm und Terpentin macht alles noch viel schlimmer. Den Tisch verschenken oder ins Feuer werfen?
Irgendwann stehen Entscheidungen in Familien an. Wann trauen sich Eltern endlich wieder die Möbel zu kaufen, die sie wirklich wollen. Abschied von den Übergangslösungen, weil die Kinder eh alles kaputt bekommen. Manche Familien gehen diesen Schritt niemals. Oder erst mit über 60. Zu tief liefen die Schneisen der Zerstörung durch die Wohnungen und Häuser. Wir fassten früh den Mut. Und bimsten unseren Kindern ab den Babyschuhen mächtig Achtsamkeit ein. Unter Androhung massiver Einschränkungen, sollten sie die Grenzen überschreiten. Lange Zeit ging es gut. In unserem Fall war der Esstisch entsprechend auch keine Übergangslösung mehr. Der Eddingstrich machte ihn jetzt keinen Deut schöner. Also was tun? Mit der Wut. Den fehlenden Ideen der Rettung. Wieder ein paar Optionen. Das Kind früh zu dem strengsten Vater der Welt nach Rosenheim geben? Oder zumindest für eine Woche Tablet-Verbot? Alle Edding-Schreiber wegwerfen? Es lindert alles nur kurz den Zorn. „It helps me for a minute or two. A Lemonade!“ Sangen dazu Chokebore. Der Strich bleibt da. Markant. Eine Narbe für das Auge der Eltern, die dachten, sie hätten eine Schwelle im Coming-of-Age der Kinder überschritten.
Es gibt einen Weg der Rettung. Danke, ihr verdammt guten Haushaltstipps! Und dieser hier ist ganz nah. In einem Regal. Oder Schrank. Er hat einen einfach Namen und alle haben ihn im Haushalt. Er beginnt im Z und endet mit Ahnpasta. Richtig kapiert, Schlauberger: Zahnpasta. Und wieder hält die Wunderwelt der Haushaltstricks magische Augenblicke für uns bereit. So überraschend und erstaunlich, dass sich sogar die Frisuren der Ehrlich-Brothers vor Verwunderung noch verrückter in die Höhe stellen, als dies eh schon der Fall ist. Eine kleine Portion Zahnpasta auf den Strich geben, eine alte Zahnbürste nehmen und mit sanftem Druck und Schwung den Strich wegpolieren. Fertig ist der Lack und Esstisch oder Sideboard strahlen, als wäre nie was passiert. Die Moral der Geschichte? Fühlt euch alle nie zu sicher. Und ich möchte nicht wissen, welchen hartnäckigen Belag Zahnpasta sonst noch so täglich von unseren Zähnen holt. Teufelszeug.
Bruno und ich hören: Stiff Richards „DIG“ (Legless)