Eines meiner weitestgehend unbekannten Talente ist, dass ich aus dem Stand nahezu immer rülpsen kann. Das ist eine Gabe, auf die ich nicht über die Maßen stolz bin, aber ich habe sie nun einmal und will damit jetzt auch nicht unnötig hinter dem Berg halten. Denn nicht jede und jeder kann das. Das habe ich heute früh kurz vor Abflug in den Kindergarten Bruno erzählt und ich musste es ihm gleich vormachen. Der Klärung wegen und damit das Bild von mir nicht völlig auf der schiefen Bahn ist, will ich allerdings betonen, dass ich nicht grundlos auftrumpfen und auf dicke Hose machen wollte. Bruno berichtete jedoch – und mehr als beeindruckt – was alles sein Freund Marc so kann. Der kann nämlich auch einfach aus der Hüfte geschossen rülpsen. Bruno fand das mehr als witzig und vor allem sehr sehr cool. Da schlug meine Stunde. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, meine Technik zu erklären, denn für solche Beschreibungen fühle ich mich eindeutig zu alt. Aber es war eine kurze und nachhaltige Demonstration meiner Stärke auf diesem Gebiet. Außer uns beiden war niemand im Raum.
Es ist ein kurzes Zeitfenster im Zusammenspiel Eltern-Kinder, in dem Kinder es supergut finden, dass der Vater immer und aus dem Stand rülpsen kann. Als ich es Bruno vormachte, fiel mir auch ein, dass ich das schon ewig niemandem mehr gezeigt habe. Meine Frau interessiert es nicht, ganz im Gegenteil, und Hanni findet es auch nicht sonderlich spitze. Auch hier: ganz im Gegenteil. Ich wüsste auch sonst keinen Rahmen und keine Gesellschaft, wo ich dieses Talent zum Besten geben könnte, ohne mich endgültig zum Deppen oder zur Persona non grata zu machen. Selbst auf die Bühne von RTL würde ich es damit nicht schaffen. Bruno findet es aber ganz und gar nicht schlimm. Und auch da gilt: Ganz im Gegenteil. „Wie machst Du das Papa?“ Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich den ganzen Vormittag rülpsen können. Gorks. Gorks. Gorks. HiHi, HaHa, HoHo. Es war für ihn eine ganz große Performance. Denn ich kann eben noch besser rülpsen, als einer seiner besten Freunde. In seiner Welt bin ich Jürgen Klopp, Frank Turner, Elvis Presley und Nelson Mandela in einer Person verschmolzen. Rundum: Der geilste Typ der Welt.
Ich sage das voller Demut und im vollen Bewusstsein, dass ich das nicht bin. Aber für ihn bin ich es. Noch. Ich glaube, er mag alles an mir. Meine Witze, meinen Bart, sogar meinen Bauch. Wenn er groß wird, sagt er, will er genauso aussehen wie ich. Eben auch mit Bart und auch mit Bauch. Für ihn löse ich jedes Problem und – wie bereits an anderer Stelle in dieser Reihe beschrieben – wenn ich eine Sache nicht reparieren kann, dann muss sie wirklich am Arsch sein. Das ist ein mehr als großartiges Gefühl. Denn zumindest meinen Bauch findet meine Frau nicht immer so geil. Aber eben Bruno. I am his Man. Es wird sich bestimmt ändern. Ganz sicher. Es werden Zweifel kommen und er wird meine Haltung und meine Stärken hinterfragen. Zu Recht. Aber jetzt und heute koste ich diesen Augenblick in Gänze aus.
Ich werde dennoch auf keinem seiner Kindergeburtstage eine Rülpseinlage geben. Das ist mein fester Vorsatz. Und ich weiß auch noch nicht, ob ich ihm die Technik beibringe. Ich glaube, das müssen seine Freunde übernehmen. Das ist besser so. Ich habe schließlich einen Erziehungsauftrag und auf dem steht „Rülpsen-Können-ohne-Anlass“ nicht an oberster Stelle. Aber er weiß, dass ich es kann. Und wenn er es unbedingt lernen will, stehe ich bereit. Wie Obi-Wan Kenobi. Vielleicht kann er es bereits und weiß es nur noch nicht. Die Kraft des Aus-dem-Stand-Rülpsens ist groß in dir mein Sohn. Wie so oft komme ich an „Star Wars“ nicht vorbei. Vielleicht ist es mit den Vätern und den Söhnen ja auch einfach so. Warten wir es ab.
Da fällt mir gerade ein: Ich weiß gar nicht, ob mein Vater spontan und aus der Hüfte rülpsen kann. Dafür kommt mir passend zur anstehenden Weihnachtszeit ein Gedicht in den Sinn, das immer von meinem Vater zum Besten gegeben wurde:
„Gille, Gille, Gille, weihnachtliche Stille, der Gabentisch ist öd’ und leer, die Kinder gucken blöd’ umher, da lässt der Vater – pfffft – einen krachen, die Kinder krümmen sich vor Lachen. So kann man auch mit kleinen Dingen, große Freude bringen“.
Mein Vater hat sehr viel Humor. Bruno auch. Ich glaube, wir sind am Ende des Tages eine lustige Familie mit ein paar besonderen Talenten. Im Übrigen kann ich auch noch mit dem kleinen Zeh wackeln. Also alle Zehen bleiben unbeweglich stehen, nur der kleine Zeh wackelt. Das können auch nicht viele. Ich aber schon. Vielleicht zeige ich ihm das ebenfalls, mal schauen, ob das auch zündet.
Bruno und ich hören: Propagandhi „Less Talk, More Rock“ (Fat Wreck Chords)