100 Ausgaben „Neverending Vatertag“. Mann, wer hätte das gedacht? Dass es einmal so weit kommt. Zumindest ich schon mal nicht. Im Januar 2017. Als ich mit dieser Reihe begann. Deshalb zunächst Danke an alle hier in diesen vier Praunheimer-Wänden. An Hanni, Bruno und an meine Frau. Dass ihr die Geschichten mitgebracht und geliefert habt. Obwohl ich euch nie wirklich um Erlaubnis gefragt habe. Danke an die Freunde, die ihre Kinder treu zum Kneten zu uns schickten und die Freundinnen meiner Tochter, die immer noch über mich lachen. Und, und, und. 100mal „Neverending Vatertag“. Verflixt und zugenäht. Da werde ich ja ganz sentimental. Oder vielleicht „sentimentelig“, wie Bruno es nennen würde. Wie er findet, dass er ganz schön „muskelig“ geworden ist und gerne den „Gehsteigerweg“ nutzt. Wahrscheinlich glauben das alle Eltern, aber in meiner Welt findet die besten neuen Wortkreationen immer mein Sohn Bruno. Vor Kurzem wollte er unbedingt jetzt schon den „Krawenzländer“ aussuchen. „Ja, Bruno, den Adventskalender kaufen wir bald“.
Also könnte ich den 100. dieser Reihe mit den besten Schoten aus dem Munde meiner Kinder vollstopfen. Kleinigkeiten, die es nie in eine Folge gepackt haben. Da nehme ich aber Abstand von. Denn so witzig ist das für alle hier auch wieder nicht. Maximal für uns in der Kernfamilie. Der Rest hätte dabei sein müssen. So wie das immer gesagt wird, wenn jemand von einer – in der eigenen Einschätzung – besonders witzigen Begebenheit erzählt und am Tisch keiner lacht. „Ah, gut. Hättet ihr wahrscheinlich dabei sein müssen.“ Und Hand aufs Herz, wenn es wirklich witzig gewesen wäre, hätte die Schote eh automatisch einen Beitrag verdient. So aber? Ruht in Frieden, ihr halbgaren Geschichten.
Also was machen mit diesem Jubiläum? Ich widme diese 100. Folge einfach. Und zwar einer bestimmten Person. Nicht meiner Oma, nicht meinem Vater und auch nicht der Lehrerin meiner Tochter. Das gäbe am Ende doch nur Ärger. Der 100. gehört einem alten Weggefährten. Einem Menschen, der mir in mancher Situation den Arsch gerettet hat, ohne dass er es wusste. Einem Lebensfreund, der da war, wenn ich ihn gebraucht habe. Auch wenn er derweil treu in Rosenheim saß und keinen blassen Schimmer hatte. This „Vatertag“ goes to Hagen Dessau. Hagen Dessau? Etwa der Hagen Dessau? Oder who the Fuck? Langsam. Kurze Hinführung. Warum, Wieso, Weshalb?
Wenn, dann. „Wenn ihr jetzt nicht ins Bad zum Zähneputzen kommt, dann wird morgen keine Folge von egal was geschaut“, „Wenn ihr nicht augenblicklich die Klappe haltet, schläft Mara nicht bei uns!“. Wenn, dann. Eines meiner gerne zitierten Themen. Es ist nicht modern und nicht immer zielführend. Aber die beliebte „Wenn-Dann-Kombi“ war und ist häufig genug mein letzter Weg. Manchmal war er erfolgreich, etliche Male nicht. Oft wussten wir uns nicht besser zu helfen. Wir haben eine wortstarke Tochter und einen dickköpfigen Sohn. Doch wenn kein „Dann“ als Drohung mehr einfiel oder ausreichte, kam er ins Spiel. Als letzter Rettungsanker. Unser Batman-Signal in der düsteren Nacht. „Wenn ihr nicht aufhört zu streiten, dann schicken wir euch zwei Wochen zu Hagen Dessau nach Rosenheim! Der wird es euch beibringen. Der ist der strengste Vater der Welt. Da weht nämlich ein völlig anderer Wind.“ Dann war Ruhe im Karton. Nahezu immer. Hagen Dessau! Ein Name wie ein Donnerschlag! Selbst Hanni brachte er zum Verstummen. Das will was heißen. Denn sie will seit vielen Jahren alle Grenzen austesten. Aber zum strengsten Vater der Welt? Um Gottes Willen. Ich sage nur Hagen Dessau!
Ich will an dieser Stelle betonen: Hagen Dessau ist ein prächtiger Freund und ein wunderbarer Vater. Letzteres vermute ich zumindest. Ersteres weiß ich. Er ist ein Lebensfreund. Einer der mich mein ganzes Studiendasein begleitete und Teil von mir blieb. Wir lebten gemeinsam in zwei WGs und nach dieser Zeit harmoniere ich mit ihm in der Küche noch immer weitaus besser als mit meiner Frau. Und das, obwohl wir seit über 20 Jahren nicht mehr zusammen in einem Haushalt leben. Also Hagen Dessau und ich. Wir spielten zusammen „Playstation“, anstatt uns in Vorlesungen zu hocken und läuteten gemeinsam den Abend regelmäßig mit den „Simpsons“ ein. Wir entwickelten eigene alkoholische Drink-Kreationen und hingen unterschiedlichen Frauen hinterher. Wir hatten eine Art gemeinsamem Blog, ohne zu wissen, dass das ein Blog ist, ach, was red’ ich, ohne einen blassen Schimmer zu haben, was da noch alles viral auf uns zu kommt. Remember Gemeinschaftspraxis. Ich hoffe für meine beiden Kinder, dass auch sie in ihrem Leben solche Freunde finden. Hagen und ich. Wir sehen uns nicht mehr so häufig, aber wir schreiben uns, er liest meine Beiträge und kommentiert sie warm und wunderbar und war bislang der Einzige, der in dieser Reihe einen Gastbeitrag hatte. „Neverending Vatertag“ featuring Hagen Dessau.
Wir hätten uns jemanden ausdenken können. Hubert Schneider. Renate von Stiftenberg. Was weiß ich. Irgendeinen blödsinnigen Namen. Aber das war uns zu wackelig. Hagen Dessau war real. Ich hatte Bilder von ihm und musste nur die Mär vom strengsten Vater der Welt aufrechterhalten. Es gab noch ein paar andere Gründe, aber lange Rede, kurzer Sinn: Er ist da und doch nicht hier. Außerdem konnte Hagen schon immer strenger schauen als andere. Und unsere Freundschaft ist so gefestigt, dass sie das aushält. Hoffe ich zumindest. Nur dass alle die Dimension verstehen. Vor geraumer Zeit sagte ich am Tisch „Die Sache hat nur einen Haken!“, daraufhin Bruno in Aufregung „Hagen? Ich will nicht zum Hagen!“ So viel dazu.
Hagen, dieser Beitrag gehört nur Dir. Und bitte, ein, zwei Jahre brauche ich Dich noch in dieser fiesen Rolle. Dann ist, so hoffe ich zumindest, das Gröbste geschafft.
Bruno und ich hören: The Smashing Pumpkins „Siamese Dream“ (Virgin Records)