
© Till Benzin
Simon Tobor
„Wir sind nicht hier, um die Welt zu retten. Aber habt ihr schon einmal über die Möglichkeit nachgedacht, ein Leben zu retten?“ Simon Tobor hat es getan. Nachgedacht. Immer und immer wieder. Anfang 2012 stand der heute 27-Jährige als Sieger fest. Sein Gegner über fast zehn Jahre: Blutkrebs. Seitdem hat sich der Aschaffenburger der Suche nach neuen potenziellen Stammzellspendern verschrieben.
„Die meisten typisierten Personen sind heute zwischen 45 und 50 Jahren alt und fallen in zehn bis fünfzehn Jahren aus der Kartei raus“, erklärt Simon Tobor. Ein düsterer Blick in die Zukunft. Denjenigen, die dann altersbedingt als Stammzellspender nicht mehr in Frage kommen, stehen zu wenige Neuregistrierungen gegenüber. „Deshalb habe ich mich gefragt, wie man junge Leute dazu motivieren kann, sich typisieren zu lassen“, erklärt der ehemalige Patient. Gerade 18 Jahre alt und in der heißen Abiphase, ereilt ihn die Diagnose: akute lymphatische Leukämie. Eineinhalb Jahre Chemo- und Strahlentherapie folgen auf die Operation eines Lymphoms im Wirbelsäulenbereich. Trotzdem kehrt Ende 2010 der Blutkrebs zurück. Bereits damals steckt Simon nicht den Kopf in den Sand: Er organisiert eine Suche nach (s)einem möglichen Stammzellspender, weit über 1.000 Menschen folgen seinem Aufruf und lassen sich typisieren.
Im März 2011 steht die erste Transplantation im Kalender, eine zweite im Dezember desselben Jahres. Seitdem gilt Simon als leukämiefrei. Zurück auf Null? Anknüpfen an alte Pläne und Träume? Nein. „Vor der Diagnose war ich eher unzufrieden. Ich war kein aufgeschlossener, fröhlicher Junge“, so der 27-Jährige. Über die Jahre hat er sich selbst besser kennengelernt. In sich hineingehört. Seinen Wünschen Raum gegeben. Er hat nicht nur sein kreatives Talent entdeckt und über die diversen Stufen des Therapieverlaufs in einem Blog berichtet, sondern sich auch damit beschäftigt, welche Lebensmittel gegen Krebs wirken und welche ihn sogar fördern können.
Eine bewusstere Nahrungsaufnahme steht für ihn nun auf der Tagesordnung – gefolgt von seiner Rolle als „Vermittler“: So hat er bis vor kurzem nicht nur Vorträge gehalten und somit wichtige Aufklärungsarbeit geleistet, sondern auch am Internetauftritt von „Die Heilung bist Du“ geschraubt. Dank der Initiative sollen neue Stammzellspender gewonnen werden. Simon fungiert als Schnittstelle, indem er die Quintessenz zum Thema sowie eine Übersicht mit allen deutschen Spenderdateien bereitstellt. „Wenn man einen konkreten Ansprechpartner in der Nähe hat, ihm Fragen stellen, Zweifel und Bedenken äußern kann, fällt man seine Entscheidung viel bewusster“ – davon ist der Aschaffenburger überzeugt. Seine Hoffnung? „Weniger nehmen von einer Typisierung Abstand, wenn sie eine vertrauensvolle Beziehung zu einem Arzt aufbauen konnten“, erläutert er mit Bedacht. Es scheint so, als sei Simon angekommen. Angekommen bei sich selbst. Soll Tim Bendzko doch ruhig noch kurz die Welt retten. Simons Aufgabe ist eine andere. Die gegen einen zumeist gnadenlosen Gegner.
Leukämie: Alle 45 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch neu an Blutkrebs, darunter viele Kinder und Jugendliche. Für viele von ihnen ist – wie für Simon – die Übertragung gesunder Stammzellen die einzige Überlebenschance. Alle 17 Minuten sucht ein Betroffener in Deutschland einen Stammzellspender, eine Typisierung ist durch einen Wangenabstrich mit einem Wattestäbchen im Bereich der Mundschleimhaut binnen Sekunden erfolgt. Laut der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) kommt es bei höchstens fünf von hundert potenziellen Stammzellspendern innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Spende, während jeder fünfte Leukämiekranke im Laufe der Wartezeit auf einen geeigneten Gebenden stirbt.