An wen muss ich mich denn wenden, damit hier endlich die Reißleine gezogen wird? An den NDR? Die ARD? Die Rundfunkbehörde? Den Bundeskanzler? Oder an den Präsidenten persönlich? Hallo? Jemand zuhause im Schloss Bellevue und ähnlich peinlich berührt wie ich? Ist da wer, der oder die Verantwortung übernimmt und handeln würde? Jemand muss diesem unwürdigen Spektakel doch zeitnah ein Ende bereiten. Zumindest ein Vorübergehendes. Eine Unterbrechung, einen Boxenstopp. Eine Denkpause braucht dieses Land. Aber Rucki-Zucki. Sonst sind wir endgültig die Deppen des Kontinents und der Rest Europas lacht sich schlapp und dreht uns weiter munter durchs Butterfass. Germany Zero Points. Allemagne Zero Points. Stell dir vor, es ist Eurovision Song Contest und selbst das Publikum gibt keine Punkte mehr. Ich hole mal die Fakten aus dem Ranzen: 2015 – Platz 27, 2016 – Platz 26, 2017 – Platz 25, 2018 – Platz 4, 2019 – Platz 25, (2020 Coronapause), 2021 – Platz 25, 2022 – Platz 25, 2023 – Platz 26. Der einzige Ausreißer gelang mit Mr. Nichtssagend, so called Michael Schulte. Vorher und nachher haben wir eine noch schlechtere Bilanz als der Big-City-Club Hertha BSC. Und das will was heißen. Das ist die Bilanz eines Absteigers, der nur in Schurkenstaaten dank Bestechung in der Liga bleiben darf. Obwohl, beim ESC verhält es sich ja nicht anders. Siebenmal Abstiegsplatz. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
„Junge, auch wenn du es treu versuchst, such dir bitte ein anderes Hobby.
Vor einigen Tagen verstarb mein Vater. Ich habe kurz überlegt, ob ich diesen Monat mit der Kolumne aussetze, mich aber dagegen entschieden. Denn einerseits hätte mein Vater dank seiner Arbeitsmoral auch treu geliefert und zum anderen hätte zumindest er mich bei einer derartigen Leistung beschämt beiseite genommen und mir sanft, aber bestimmt ins Ohr geflüstert: „Junge, auch wenn du es treu versuchst, such dir bitte ein anderes Hobby. Das tut uns allen nicht gut“. So würde ich es zumindest auch bei meinem Sohn handhaben. Leider tut aber hierzulande niemand dergleichen. Wir kommen stattdessen 17 Jahre nach dem Sieg von Lordi auf das schmale Brett, eine Art Fantasy-Lack-Heavy-Gothrock-Ritterarmee auszuwählen, die ausschaut, als sei sie aus einem italienischen B-Movie der 90er entsprungen. So etwas herrlich Rückständiges wäre selbst Serbien oder sagen wir mal Zypern nicht mehr eingefallen. Es könnte ja sogar noch witzig sein, wenn wir es nur annähernd spaßig meinen würden. Denn mit so einer Bilanz in der Tonne, könnten wir den ganzen Wettbewerb ein wenig humorvoller und gelassener nehmen. So „Eddie, the Eagle“-mäßig. Vielleicht ist das sogar unsere einzige Chance. Aber so sind wir Deutschen nun einmal nicht. Denn das Grundproblem ist, dass wir zurzeit im Kern kein lässiges Land sind. Wir sind pflicht- und verantwortungsbewusst, regeln permanent Dinge, setzen treu den Datenschutz um und wollen es immer richtig machen. Wir standen schon einmal in dieser Misere und knietief in der Kacke. Dann holte uns Stefan Raab raus. Doch nach ihm haben wir wieder den Faden verloren.
Wir standen schon einmal in dieser Misere und knietief in der Kacke.
Andere große Länder schmieren auch ab, aber sie tun das wenigstens mit mehr Konsequenz und Stil. Die Franzosen machen Chansons, die Engländer Pop. Wir weder das eine noch ganz was anderes und am Ende viel Krampf. Ich bin kein ausgesprochener ESC-Fan, aber ich verfolge dieses Format seit über 40 Jahren halbwegs regelmäßig. So aus alter Verbundenheit. Ich freute mich bei Nicole und war bei Lenas Coup dabei, kannte Wind und denke gerne an Hoffmann & Hoffmann. Und jetzt gibt es Augenblicke, da wünsche ich mir fast Ralph Siegel zurück. Obwohl. Nein, das revidiere ich stante pedes. Aber was tun? Den Startplatz einfach einmal spenden. An ein sehr armes, aber sehr fröhliches Land? Das wäre eine Möglichkeit. Oder wir nominieren die Biermösl Blosn. Oder Tankard. Lasst uns den Spieß umdrehen. Das ist die einzige Chance, die wir noch haben. Noch während ich das schreibe, kündigt Jan Böhmermann ein neues Video an. „Allemagne Zero Points“. Verdammt, das ist es. Auf geht’s nach Schweden 2024. Direkt und ohne Vorentscheid.