Als ich jung war, bestand meine Sportwelt aus zwei Marken. Adidas und Puma. Wie der Kosmos der Tintenfüller-Liga ausschließlich von Pelikan und Geha bestimmt wurde. Ich war Team Adidas und Team Pelikan. Meine ganze Kindheit lang. Die Alternativen waren für die Pfeifen und Deppen. Also zumindest in meinem rigorosen Koordinatensystem. Tut mir im Nachgang auch ein wenig leid. War aber so. Ich weiß, die Jugend ist erbarmungslos.
Die große Auflösung wartet am Ende. Ist aber nichts für Romantiker. Leider.
Das ist sie heute und gestern war sie keinen Deut besser. Und wer mir jetzt unterstellen mag, mir würde auch im Mai nichts Besseres einfallen, als gleich noch einmal das Trikotthema zu malträtieren, den bitte ich charmant durchzuhalten. Die große Auflösung wartet am Ende. Ist aber nichts für Romantiker. Leider. Dabei bin ich selbst einer. Ein Romantiker der vergangenen Tage. Als wir als junge Burschen nach Herzogenaurach fuhren, weil es da auf der Hauptstraße im Ort eine Art Adidas-Outlet gab. In einer Zeit, in der Outlets noch so außergewöhnlich waren, wie heute ein Mann mit zwei Köpfen. Dort kaufte ich mir dann – stolz wie Harry – ein Paar Original Ivan-Lendl-Tennisschuhe. Die hießen in meiner Erinnerung auch nur „Ivan Lendl“. Nicht Pro X 2.0 oder XTLendl Force. Einfach „Ivan Lendl“. Ich war ein großer Ivan Lendl-Fan. Auch weil ich ein großer Adidas-Fan war. Nike war zwar schon irgendwie heißer Scheiß, aber vor allem für Menschen und Athleten aus den USA bestimmt. Und unser Oregon war eben Franken und Herzogenaurach. Das heute immer noch mehr nach Bratwurst als nach Hochleistungssport klingt. Anyway. Adi und der Schraubstollen. Das war meine Welt. Ich zählte Jahr für Jahr im Kicker-Sonderheft wie viele Mannschaften von Adidas ausgestattet wurden und wie viele in Puma spielten. Nike fand im Fußball damals nicht statt. Noch nicht. Auch weil Fußball, ähnlich wie Herzogenaurach, zur damaligen Zeit ebenfalls noch mehr nach Bratwurst und nicht nach Entertainment duftete.
Das mag man nicht schön finden, ist aber wohl eine Art Naturgesetz geworden.
Irgendwann begann Nike den Fußball zu entdecken und zu fressen. So Kapitalismus-Like. Das mag man nicht schön finden, ist aber wohl eine Art Naturgesetz geworden. Bigger, faster und son Kram. Ich habe in diesem Format immer mal wieder über den Deutschen Fußballbund geschimpft. Doch bei mindestens drei Themen breche ich nicht den Stab. Erstens: FUNino. Da dürfen Ewiggestrige gerne von Verweichlichung der Kinder schwafeln, das war eine der besten Ideen für den Fußballnachwuchs. Zweitens: das gekaufte Sommermärchen. Ich gehe fest davon aus, dass nahezu alle WM-Vergaben mit fiesen Geldern über die Bühne gehen. Andere Länder halten das Maul, nur wir räumen mit deutscher Gründlichkeit auf. Drittens – und das nach längerem Überlegen: Der Ausrüsterwechsel zu Nike. Wenn ich mir in kulturpessimistischen Augenblicken eine Welt backen könnte, dann wäre in dieser Dr. Pepper-Root-Beer noch heißgehandelte PX-Ware und neue Musik würde ich im Plattenladen um die Ecke kaufen.
Das ist unser Pulsschlag. Bigger, faster und noch dazu everywhere.
Alles überall und zu jeder Zeit haben zu können, hat die Welt leider für die Jugend nicht spannender gemacht. Doch eben genau so funktioniert der globalisierte Kapitalismus, stupid! Das ist unser Pulsschlag. Bigger, faster und noch dazu everywhere. Wer jetzt besonders laut jammert, möge erst einmal beginnen, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Und wenn Habeck Standortpatriotismus fordert, dann darf mit der gleichen Selbstverständlichkeit auch Adidas diese Frage gestellt werden. Adidas produziert 78 % in Asien, 90 % der Mitarbeitenden werden außerhalb Deutschlands beschäftigt und 86 % der Aktionäre kommen aus dem Ausland. Gefränkelt wird im Firmenzentrum schon lange nicht mehr. Ein bisschen weniger Manchester United oder Messi und vor allem gar kein Kanye-West-Debakel. Schon wäre der Breitensport von Nordsee bis zu den Alpen gefördert. So viel zum Thema Standortpatriotismus. Pinkes Trikot hin oder her. Für Adidas war die Nationalmannschaft schlichtweg kein scharfes Projekt mehr. Genauso wenig wie Nike diesen Deal aus Altruismus macht. Deutschland wird es schon ausreichend zurückzahlen. Ich trage mittlerweile ja auch Nike-Schuhe.