Die Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Stadt Aschaffenburg“ des Stadtjugendrings (SJR) bittet in einer gezielten Aktion nach Spenden von gebrauchten Legosteinen. Denn sie haben Großes damit vor: (Rollstuhl-)Rampen sollen Erleichterung in der Innenstadt bringen!
Jeder kennt sie, jeder verbindet viele Stunden des Konstruierens und Bauens sowie mehr oder weniger komplexe Endergebnisse mit ihnen. Und wer nicht gerade mitten in der Nacht in einem stockdunklen Kinderzimmer einen Einerstein mit der kleinen Zehe wiederfindet, mag sie auch: Legosteine. Ob in der eigenen Kindheit oder als erwachsener Co-Builder im Quartier des eigenen Nachwuchses, die zahnreichen und schier unverwüstlichen Plastikbausteine begegnen jedem von uns und werden wohl nie an ihrer Attraktivität verlieren.

© Die Lego-Oma
Rollstuhlrampen
Doch nicht nur als förderndes Spielzeug für die jüngsten und jungen Mitmenschen eignen sich die bunten Steine, die es seit Ende der 50er-Jahre und seitdem in allen möglichen Farben und Formen gibt, sondern sie finden in letzter Zeit auch wieder vermehrt als Baumaterial im Alltag der Erwachsenen Verwendung. So berichteten wir beispielsweise vom Aschaffenbuger Start-up Brickhomes, das Architekturmodelle aus Legosteinen herstellt (FRIZZ Das Magazin 7|2021).
Nun sorgt eine neue Aktion rund um das dänische Kultspielzeug für Aufsehen in unserer schönen Stadt: Die AG „Barrierefreie Stadt Aschaffenburg“ des Stadtjugendrings Aschaffenburg sucht aktuell aussortierte Legosteine aller Farben, Größen und Formen, um daraus gleichsam nachhaltige wie haltbare Rollstuhlrampen für Geschäfte und Einrichtungen im Stadtgebiet zu bauen. Und hier zeigen die kleinen Steinchen, was sie wirklich können: Sie sind nicht nur äußerst strapazierfähig, sondern auch extrem belastbar. Eine Rampe kann sogar das Gewicht eines e-Rollstuhls mit über 200 Kilo locker wegstecken! Angesprochen sind Privathaushalte ebenso wie Vereine, Schulklassen oder Kindergartengruppen, die die ausgemusterten Steine annehmen (auch Abholungen sind möglich!) und sie zielgerichtet weiterverwerten.
FRIZZ Das Magazin hat mit der pädagogischen Leiterin des SJR, Elisa Narloch, über die Idee, die Beweggründe und die Umsetzung gesprochen.
Liebe Elisa, wann und wie seid ihr auf die Idee mit den Rampen gekommen? Gibt es eine übergeordnete Initiative?
Elisa Narloch: Die Idee zu den Legorampen gibt es schon seit einiger Zeit, Günter Fries hatte diese in Würzburg bereits kennengelernt. Bei unseren Inklusionsspaziergängen zusammen mit Andi Hefter vom Fachreferat PIA kam diese schon ab und an zur Sprache, die Initialzündung war aber ein Interview mit der bekannten „Lego-Oma“ aus Hanau, das in unserem Radio Klangbrett ausgestrahlt wurde. Danach mussten wir endlich tätig werden! So haben wir gemeinsam mit Ehrenamtlichen aus der Lebenshilfe, „Die Engel“, oder dem Behindertenrat auf den Social-Media-Kanälen Werbung für die Sammlung der Legosteine gemacht und es wurden Plakate an die Schulsozialarbeiter verschickt. Wir hoffen, dass gerade die Schulen uns da unterstützen können, denn dort sitzt ja das Klientel der nutzenden Personen (lacht). Es gibt bereits auch viele andere Städte, die bei dieser Aktion mitmachen: Offenbach, Köln, Würzburg, Hanau und weitere. Und wir wollen als bunte Stadt Aschaffenburg auch dabei sein.
Wie viele Steine benötigt ihr pro Rampe? Gibt es besondere Anforderungen an das gespendete Material?
Die Anzahl hängt tatsächlich vom geplanten Rampenmodell ab. Für eine durchschnittliche Rampe mit einer Höhe von 15 Zentimeter werden etwa 300 bis 400 Steine benötigt, mit einem Gesamtgewicht zwischen einem und drei Kilo. Dann braucht es auch noch Grundplatten, flache und Basissteine. Gerade an den Grundplatten fehlt es uns noch komplett und da Lego insgesamt noch schwer im Trend ist, wird nur sehr zurückhaltend gespendet. Bei Lego direkt haben wir über Social Media bereits auch angefragt, aber bislang noch keine Reaktion erhalten. Die Steine sollten aus Nachhaltigkeitsgründen wirklich gebraucht und natürlich möglichst noch intakt sein. Bei Farben und Formen gibt es keinerlei Ausschlusskriterien!

© Die Lego-Oma
Rollstuhlrampen
Wie viele Rampen werden in Aschaffenburg eigentlich benötigt?
Bei einem Bedarfscheck liefen wir durch die Fußgängerzonen in Roßmarkt, Herstallstraße, Frohsinnstraße und Sandgasse. Von 48 geprüften Geschäften mit Bedarf hatten 35 keine Rampe, lediglich vier hatten eine mobile Rampenlösung oder einen weiteren, barrierefreien Eingang. Neun Geschäfte haben direkt Interesse an einer Legorampe gezeigt, 22 weitere müssen das intern besprechen. Leider haben wir auch von einigen Sätze wie „Wir brauchen keine Rampe- wir haben keine Kunden mit Rollstuhl!“ gehört, was uns sehr betroffen gemacht hat. Das zeigt auch, wie wichtig entsprechende Aufklärung ist.
Die Geschäfte mit den mobilen Rampen haben wir mit einem Aufkleber gekennzeichnet, denn viele Rollstuhlfahrer oder Rollatorennutzer trauen sich nicht zu fragen, wenn sie eine Stufe sehen. Sie fahren dann einfach weiter. Beim Rest müssen wir mit guten Argumenten überzeugen: Legorampen sind bunt, fröhlich, haltbar, leicht und sie verschaffen völlig kostenfrei zusätzliche Aufmerksamkeit. Zudem zeigen sie eine Problematik auf, die vielen nicht präsent ist, nämlich welch große Hürde eine kleine Stufe sein kann!
Wer wird die Rampen bauen?
Wir als AG: Personen der Lebenshilfe, Kinder von Betreuern sowie Freiwillige aus den Jugendverbänden würden in einer Legobau-Aktion die ersten Stufen bauen. Einen Prototypen haben wir bereits, dazu gibt’s auch ein kleines Facebook-Video.
Wie lange dauert es, eine Rampe zusammenzusetzen? Gibt es dabei besondere Dinge zu beachten?
Der Prototyp wurde von einem Lego-Experten innerhalb von zwei Tagen – natürlich mit Unterbrechungen – zusammengesetzt. Insgesamt ist diese Frage nur schwer zu beantworten, da jede Rampe individuell vom Aufwand und den Maßen ist. Übrigens, es gibt auch viele Bauanleitungen im Netz, wer also ein Wochenende Zeit hat, kann mit seinen Kindern sehr gerne mal für den guten Zweck bauen (lacht). Mit der wirklichen Produktion beginnen wir erst, wenn wir genügend Legosteine zusammen haben, bislang sind wir noch nicht an diesem Punkt angelangt. Wir hoffen daher in der kommenden Zeit auf zahlreiche Spenden.
Legosteinspender wenden sich sehr gerne an: jugendring@sjr-aschaffenburg.de
Die Lego-Oma
Die Hanauerin Rita Ebel ist mit bunten Steinen auf Mission für mehr Barrierefreiheit.
Seit 2019 baut Rita Ebel aka „Die Lego-Oma“ mit ihrem Team Rampen für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen aus gebrauchten, gespendeten Legosteinen. Die Bauanleitung dazu wurde in neun verschiedene Sprachen übersetzt, die über 500 mal quer durch die ganze Welt geschickt wurde. In über 50 Ländern wiederum wurde online über die Aktion der Lego Oma berichtet. Es gibt Filmaufnahmen, Artikel in großen Zeitungen und Magazinen, Radiobeiträge u. v. m. Weiterhin ist „Die Lego-Oma“ in dem von der UNESCO mit Unterstützung der Mahatma Gandhi Stiftung erschienenen Buch „Kindness Matters“ unter 50 Personen aus aller Welt mit einem Bericht vertreten.
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