Foto: Anika Koppenstedt
STREETS OF AB #7
Dass die Ascheberscher nicht nur kleckern, sondern auch klotzen können, sollte in der Tat einmal bewiesen werden. Jetzt. Auf diesen Seiten. In diesem Sinne ist es beim siebten Teil der Streets of AB nämlich Essig mit Schusters Rappen – um zwei bis acht genaue Blicke auf die Würzburger Straße zu werfen, muss man schon mal auf ein motorisiertes Vehikel umsatteln. Dass es auf den Kilometern gen Würzburg dafür allerdings so einiges zu erfahren gibt, beweisen FRIZZsche Heimatfreunde im Folgenden.
Wetten, dass dieser Boulevard gleichermaßen Magnet für Nachtschwärmer, Autofreaks und Geschichtsenthusiasten ist? Wetten, dass das Tor zum Stadtzentrum nicht nur heutzutage enorm vielgesichtig ist, sondern sich auch rasant wandelt? Aufgepasst: Der bayerische Highway beginnt nämlich schon an der Sandkirche, führt dann gemächlich am Park Schöntal vorbei, um einige Meter weiter den Südring zu kreuzen, schnurgerade aus der Stadt zu führen, um dann den Reisenden durch Haibach, Straßbessenbach, Oberbessenbach, Hessenthal nach Marktheidenfeld – und weiter – zu geleiten. Mit einer solchen Länge können andere Pfade natürlich nicht mithalten. Bereits vis-à-vis des Schöntals kann sich gehetzter Städter ein Päuschen gönnen – und zwar in der Salzgrotte, für deren Herstellung ungefähr 15 Tonnen Salz aus dem Himalaya und dem Toten Meer verbaut wurden. Das Besondere: Bei diesem Mikroklima ist die Luft nahezu schadstofffrei!
Kaserne goes Hochschule
Dermaßen erholt lässt sich dann auch ein Päckchen Geschichte gut verdauen: Die Würzburger Straße spielte nämlich bereits im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Schon 1896 wurde hier eine Kaserne erbaut, in der das Zweite Königlich-Bayerische Jägerbataillon stationiert war. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude dann zwar durch Bomben getroffen, aber schnell renoviert, sodass schon 1945 Soldaten der amerikanischen Armee einziehen konnten. Bis 1992 blieben die stationierten Infanterietruppen in Aschaffenburg – anschließend wurden umfangreiche Umbauarbeiten initiiert, um aus der Kaserne eine Hochschule zu machen. 1995 war es dann soweit: Die Fachhochschule wurde gegründet – damals noch als Abteilung der FH Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg, mit stolzen 89 Wissbegierigen. Wo heute das Studentenwohnheim steht, wohnten früher Offiziere … Mittlerweile heißt die Fachhochschule, die übrigens einen exzellenten Ruf in ganz Deutschland genießt, nur noch Hochschule. An den Fakultäten Betriebswirtschaft und Recht sowie Ingenieurswissenschaften gibt es spannende Bachelor- und Masterstudiengänge, weit über 2.000 Studenten sind mittlerweile eingeschrieben. Drei Buchstaben, die man sich übrigens in unmittelbarer FH-Nähe merken sollte, sind KKS: Bei Kress Kommunikationssysteme in der Würzburger Straße 55 wird von der einzelnen Kopie bis hin zu kompletten Arbeiten nämlich einfach alles bestens gedruckt.
Ziemlich kriminell ging es in der Würzburger Straße übrigens im Jahre 1900 zu – laut eines Berichts der Aschaffenburger Zeitung wurde hier in einem Wirtshaus der gefährliche Räuber Matthias Kneißl gesichtet. Dieser wurde wegen zweier Morde, versuchten Totschlags, schweren Raubes und räuberischer Erpressung gesucht. Augenzeugen hatten ihn wohl erkannt, reagierten aber zu spät: Kneißl konnte entkommen und wurde erst ein Jahr später von 60 (!) Polizisten gestellt …
Partymäuschen und -häschen sollten sich indes die Hausnummer 126 fest in den grauen Wirbelwinden verankern: Dort ist der Club Goya beheimatet – eine hervorragende Anlaufstelle für alle Nachteulen. Einheimische sprechen gerne von „Aschaffenburgs gemütlichstem Wohnzimmer“ – diverse Veranstaltungsreihen wie etwa „Just Friends“ oder „Ice Cream“ sind seit Jahren erfolgreich und locken die hiesige Feiergemeinde immer wieder hierher.
Auf die Frage nach dem exotischsten und kultigsten Refugium für Nachtschwärmer gibt es allerdings nur eine Antwort: das Dreimädelhaus in der Gentilstraße 11, die kurz vor der Berliner Allee links von der Würzburger Straße abzweigt. Annerose Vollmer ist Gastgeberin par excellence zu später Stunde – und das bereits seit 1976 zusammen mit ihrem Lebensgefährten Erich Seiler. Er war es, der gemeinsam mit ihr das von ihren Eltern 1949 eröffnete einstige Künstlerlokal 1976 renovierte und zu dem machte, was es heute ist. Zusammen mit dem Jongleur Ernest Montego trat „Anneröschen“ zuvor auf allen Kontinenten in allen bedeutenden Varieté- und Zirkusshows auf …
Aufschwung & Naherholung
Natürlich lag das Dreimädelhaus auch für viele Amerikaner in unmittelbarer Nachbarschaft. Nach deren Weggang versank das Kasernengelände allerdings in einen Dornröschenschlaf – die Bauwerke mutierten zum Schandfleck. Doch im Rahmen der Stadtentwicklung tut sich viel: Eine Axiale in Richtung Ringstraße und Hollebachkreisel soll den gewerblichen und verkehrstechnischen Aufschwung vorantreiben. Nach dem Rückzug der Streitkräfte wurden die Flächen sukzessive für gewerbliche Nutzungen freigegeben – in diesem Zusammenhang entstanden zahlreiche Dienstleistungseinrichtungen, Einzelhandelsbetriebe und Autohäuser. Freunde blitzblanker vierrädriger Vehikel haben zum Beispiel bei Waterworld längst ihr Eldorado gefunden, die ehemaligen Kasernen sind heute unter anderem Heimat für Asylbewerber. Die beiden Gewerbegebiete Würzburger Straße Nord und Süd sind zwar schon gut genutzt – vor allem Letzteres hat sich zu einem Nahversorgungszentrum mit Bau- sowie Supermarkt gemausert –, bieten aber noch mehr Platz für industrielle Innovationen.
Ruhiger geht es dafür auf dem Wendelberg zu: Nicht nur den Kleinen wird hier bunter Ferienspaß geboten, auch Erwachsene schätzen das Naherholungsgebiet – vor allem den gemütlichen Biergarten der Gaststätte. Ein Abstecher zu den Elterhöfen lohnt sich genauso, dort kann man noch Bioprodukte erwerben, die man in 0815-Supermärkten vergeblich sucht. Bevor es unweigerlich Richtung Würzburg geht, verlassen die FRIZZen die Staatsstraße 2312 – nirgends kann es schließlich so schön sein wie im eigenen Städtchen. In diesem Sinne: Wieder was gelernt, ihr Heimatfreunde!