Foto: Till Benzin
STREETS OF AB #5
Feierkreisel, Blaues Klavier, Humorbrigade: Auch wenn die närrischen Tage nicht mehr weit entfernt sind, haben die FRIZZen nicht schon jetzt vierzehn Affen im Gebälk, sondern werfen endlich einmal wieder einen liebevollen Blick auf ihr heiß geliebtes Städtchen: Zeit für Heimatkunde, Zeit für das Herz Aschaffenburgs! Wetten, dass hier Dinge zu erfahren sind, die man nie für möglich gehalten hätte? Bitteschön, hier kommen die Beweise, dass das Bayerische Nizza eben doch der Nabel der Welt ist!
Verlässt man die Autobahn A 3 über die Ausfahrt Aschaffenburg-Ost, so kann man entweder über die Schönbornstraße in die Innenstadt gelangen, oder man hält sich gleich an der ersten Kreuzung links und folgt der Goldbacher Straße, die genau diesen Namen trägt, da sie tatsächlich eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Stadtzentrum und der angrenzenden Gemeinde darstellt. Ortskundige wählen übrigens bevorzugt diese Option … Wenn man sich der Innenstadt nähert und das Viadukt hinter sich gelassen hat, gerät man zielsicher dorthin, wo das wahre Leben tobt: Willkommen im Herzen Aschaffenburgs! Gleich am ersten Kreisel kann man sich für einen Abstecher in die Kolbornstraße entscheiden – dieser führt dann direkt zur Rock- und Blues-Bar Dead End. Dort trifft man nicht nur auf begnadete Musiker, sondern auch auf erlesene Whisky-Tröpfchen …
Wenn man dann gut gestärkt wieder den Weg gen Goldbacher Straße wählt, stößt man fast zwangsläufig auf das modernste Kino der Stadt – das Kinopolis. Im November vergangenen Jahres wurde hier 15-jähriges Jubiläum gefeiert, seit der Eröffnung 1997 sind Jahr für Jahr neue Produktionen, technische Revolutionen und Ausnahmeevents am Start. Zuletzt begeisterten die Einführung der 3D-Technologie und die Live-Übertragungen aus der New Yorker Metropolitan Opera. Aschaffenburg ist in cineastischer Hinsicht eben ganz vorne mit dabei! Gleich nebenan kann man sich im BIZ in Sachen Karriere bestens beraten lassen – das Berufsinformationszentrum ist die erste Adresse für alle, die vor einer wichtigen Entscheidung stehen.
Sofort ins Auge fällt zudem ein anderer großer Bau: die City Galerie, die vis-à-vis des Multiplexkinos liegt und tagtäglich mit zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten lockt. Im März 1974 eröffnete das Shoppingparadies als größtes überdachtes und voll klimatisiertes Einkaufszentrum einer europäischen Mittelstadt. Mit 1.700 überdachten Parkplätzen, über 70 Läden und diversen Restaurants ist „die City“ ein Ort, der Groß und Klein gleichermaßen magisch anzieht. Vorher befand sich auf dem Gelände übrigens eine Buntpapierfabrik, die 1967 geschlossen wurde. Noch mehr historische Fakten gefällig? An der Ecke Goldbacher Straße/Weißenburger Straße stand zwischen 1805 und 1862 eine Kaserne. Diese fiel allerdings einem Brand zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut. Zur „richtigen“ Straße wurde Erstere übrigens erst später – 1899 wurde mit der Pflasterung mit der Randsteinsetzung vor Hausnummer 8, wo sich damals der Gasthof Vier Jahreszeiten befand, begonnen.
Feierkreisel!
Interessant ist außerdem, dass die Goldbacher Straße während des Zweiten Weltkriegs häufig Ziel von Minenangriffen war. 1944 wurde sie so heftig zerstört, dass sie sogar im täglichen Wehrmachtsbericht in Rundfunk und Zeitung erwähnt wurde. Aber zurück ins Hier und Jetzt: Folgt man der Goldbacher Straße Richtung Herstallturm, trifft man auf schnucklige Cafés, kleinere Läden und die Schöntalpassage. Was dann allerdings kommt, lässt Herzen höher schlagen: Der allseits beliebte Feierkreisel! An diesem Fleckchen stieg schon so manche Party – Siege und Niederlagen wurden johlend verkündet und davor den Bands auf der FRIZZ- beziehungsweise Künzig & Bleuel-Bühne beim Stadtfest zugejubelt. Nach diesem Höhepunkt ist man schon fast am Ende der beliebten Achse: Der Fußgängerübergang zum Roßmarkt ist die natürliche Grenze zur Weißenburger- beziehungsweise Friedrichstraße.
Um der Kreditkarte nach exzessivem Shopping ein Ruhepäuschen zu gönnen, bietet sich ein Abstecher in den Park Schöntal an: ein historischer Landschaftspark im englischen Stil, der zwischen 1440 und 1450 vom damaligen Mainzer Kurfürsten angelegt wurde und heute eine grüne Oase mitten in der Stadt darstellt. Wer hier die Seele baumeln lässt, kommt auch am Blauen Klavier vorbei – das Betoninstrument wurde 1993 vom Aschaffenburger Künstler Werner Kiesel errichtet und überrascht seitdem mit so manch „Blauem Wunder“. Ohne den Ende November verstorbenen Peter „Lucky“ Kraft, dem regionalen Multitalent und Künstler, wird es hier aber vorerst blass zugehen – vielleicht wird der steinerne Treffpunkt aber auch zum Denkmal für zahlreiche poetische Abende voller Lyrik und Musik, die die Ascheberscher nur Lucky zu verdanken haben – und daher vielleicht ja auch ihm widmen …
Eldorado für Kleinkunst
Der Park hält allerdings noch mehr Überraschungen bereit: Der Fränkische Marienweg führt hindurch! Nicht umsonst nennt man das Frankenland auch Marienland – zahlreiche Madonnen, Kapellen und Grotten zeugen von der Verehrung Marias. Wer weniger pilgern, stattdessen mehr lachen möchte, wähle einen Abend im Hofgarten Kabarett, das sich an der am Park angrenzenden Hofgartenstraße befindet und seit 1998 für exquisite Unterhaltung sorgt. Unser aller Urban Priol hat die Orangerie aus dem 18. Jahrhundert – natürlich ein denkmalgeschütztes Gebäude, das auch schon als Kino genutzt wurde – in ein Eldorado für Kleinkunst verwandelt. Träger ist übrigens von Beginn an die Humorbrigade Hofgarten GmbH. In unmittelbarer Nachbarschaft kann man sich vor einem Kabarett-Besuch im Ristorante Da Claudio oder im Hofgarten bei Mike stärken, bevor man anschließend seine Lachmuskeln strapaziert.
Zum Abschluss noch Wissen, mit dem ihr beim nächsten Besuch bei Oma so richtig glänzen könnt: Hättet ihr gewusst, dass der erste deutsche Musikfilm 1955 im mittlerweile nicht mehr existenten Apollo-Kino in der Platanenallee lief? „Ja, ja, die Liebe in Tirol“ hieß der Streifen, der zur Eröffnung des Lichtspielhauses gezeigt wurde. Mit 900 Sitzplätzen, Wintergarten, Aquarium und Brunnen war das Kino übrigens eine der größten Cinemascope-Einrichtungen im Bundesgebiet! Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Platanenallee früher eine Einbahnstraße war – zum Glück sind diese Zeiten passé. Schließlich macht es doch enorm viel Spaß, in den sage und schreibe vier Kreiseln in der Goldbacher Straße und der Platanenallee zu rotieren …