Und wieder so eine Geschichte, die eigentlich nur in den letzten, pandemisch verrückten Monaten geschrieben werden kann. Die Livekultur von heute auf morgen im Tiefschlaf, Clubtüren geschlossen und die Bühnen des Landes abgeschaltet. Was der Virus aber nicht abschalten konnte, ist die Kreativität der Künstler in ihren eigenen vier Wänden und den Studios.
Bestes Beispiel hierfür ist der Aschaffenburger Gitarrist, Songwriter und Produzent Chris Danner, der jüngst mit einer Reihe eigener Songs und den dazugehörigen Videos im Netz und darüber hinaus für Furore sorgte. Natürlich ist es nicht unbedingt unüblich, dass Künstler und Bands aus Aschaffenburg und Umgebung Songs veröffentlichen, aber zwei Begebenheiten machen die Geschichte der Danner-Songs in diesem Zusammenhang umso interessanter…
Erstens: Chris Danner selbst
Da wäre zum einen natürlich der namensgebende Künstler an sich, Chris Danner. Denn Chris war zwar in den vergangenen Jahren nicht unbedingt der präsenteste Act der umfangreichen Szene in der Rhein-Main-Region, ist aber beileibe kein Unbekannter. Bereits im vorpubertären Alter hatte er eine Band zusammen mit einem gewissen Didi Beck sowie Auftritte im Vorprogramm der damaligen AOR/Melodic-Rock Institution Scaramouche, deren Gitarrist er dann auch irgendwann wurde. Im Herzen war und ist Chris aber ein waschechter Metaler, weswegen er sich relativ schnell auf diese Schiene konzentrierte und die bis heute für ihn den Kernpunkt seiner musikalischen Ausrichtung bedeutet. Nerd-Fact: Da ändert auch seine Teilnahme am Deutsch-Pop-Projekt „Pas de Bas“ nichts dran, mit dem er 1983 – wiederum gemeinsam mit Didi Beck – in damals zeitgemäßen Stretch-Leggins in der ARD am deutschen Vorausscheid zum Grand Prix de Eurovision teilnahm. Bis heute ist dieser Clip schlichtweg legendär. Aber zurück zum Thema.
Chris machte die Musik zu seinem Beruf, arbeitete im Musik-Service sowie als Gitarrendozent an verschiedenen Musikschulen und schlug sich die Wochenenden in diversen Tanzmusikformationen um die Ohren. Bis ihm das irgendwann zu viel wurde und er als Art-Director in eine Crossmedia-Agentur wechselte. In den vergangenen Jahren war er also praktisch kaum noch im Rampenlicht – Musik hat er trotzdem durchgehend gemacht, wenn auch nur in den eigenen vier Wänden oder im Proberaum. Und eines hat ihn bis heute nicht losgelassen: Die Liebe zu harten Riffs, schnellen Solis und zum Metal an sich. Vielleicht war es Corona, vielleicht war es aber auch einfach nur Zeit – im November des vergangenen Jahres begann Chris, seiner aufgestauten Kreativität in Form von beeindruckendem Songwriting Luft zu machen …
Zweitens: Das Line-up
Veröffentlicht wurden bislang die drei Songs „Where Black Birds Fly“, „Back Then“ und „Narcissism“ zusammen mit entsprechend professionellen Videos. Doch bevor wir einen genaueren Blick auf die Musik an sich und deren Entstehungsprozess werfen, möchten wir kurz auf die „Brothers & Sisters in Crime“ eingehen, die sich Chris Danner für die Umsetzung seines Projektes geangelt hat. Denn diese Aufstellung liest sich wie ein kleines Who-is-Who der überregionalen Musikerszene: Den Vocalpart der Songs teilen sich keine Geringeren als Ina Morgan (u. a. Avantasia, Udo Lindenberg) und Sebastian Bogensperger, der bereits mehrfach genannte Didi Beck (Boppin’B) hat sich den E-Bass umgeschnallt und Manu Stein, der dem meisten als Meister am Tonpult kennen, hat den Platz hinter den Drums eingenommen. Das kann er nämlich auch außerordentlich gut. Chris Danner macht keinen Hehl daraus, dass auch Corona seinen erheblichen Teil zu dieser Liste beigetragen hat, nach der sich viele andere Bands die Finger lecken würden, schließlich war niemand auf Tour und alle hatten Zeit. Viel bemerkenswerter ist jedoch, dass alle sofort Feuer und Flamme für Chris’ Vorhaben waren, was wiederum schlicht auf sein Standing in der Szene zurückzuführen ist. Alle genannten Personen gehören zu seinem direkten Netzwerk und sind vielmehr Freunde denn stumpf gebuchte Dienstleister. Chris Danner war und ist einfach ein wohlklingender Name unter Musikern.
Das Wichtigste: Die Musik
Apropos wohlklingend – kommen wir zum Kern, der Musik. Zwölf Songs hat Chris Danner seit November des vergangenen Jahres in seinem Studio komponiert. Was hinsichtlich des Zeitraums und der Anzahl natürlich nichts anderes als eine massive Ansage darstellt, wenn man bedenkt, dass so etwas bei anderen Künstlern gut und gerne auch mal länger als zwei Jahre dauern kann. Andere Zeiten, andere Zeitschienen könnte man jetzt denken, Chris selbst erklärt es lieber mit einem augenzwinkernden „es ist einfach gesprudelt“. Vom Stil her sind die Songs am besten als Progressive-Nu-Metal einzuordnen, weit weg von durchschaubaren Radiopop-Strukturen, dafür trotzdem catchy, mit spannenden Wendungen und viel Raum für die Instrumentalfraktion. Letzteres verleiht den Nummern wiederum ein hörbar höheres Level an Kraft und lässt sie gut nach vorne marschieren, ohne sie ihrer spieltechnischen Details zu berauben. Oder anders gesagt: Die Danner-Songs sind amtliche Bretter!
Beeinflusst wurde Chris dabei von Bands wie Sevendust oder Alter Bridge und ist als „elender Perfektionist und Workaholic“ (Selbstbeschreibung) in der Vorbereitung sehr in die Tiefe gegangen. Die Kompositionen und Songstrukturen seiner Favs hat er ausgiebig analysiert, um für sein eigenes Songwriting daraus gewinnbringende Schlüsse ziehen zu können.
Neben der reinen Produktion der Songs zusammen mit seinem Line-up hat Chris Danner mit seinem Kreativteam auch großes Augenmerk auf die visuelle Umsetzung gelegt. Für die drei bisher veröffentlichten Songs wurden sehr aufwendige Videos produziert, denen man die Hingabe zum Projekt genauso ansieht, wie man es aus den Songs heraushören kann. Und man ahnt es: Idee, Produktion und Schnitt liegen auch hier in der Hand von Chris, der aber während unseres Gesprächs mehrfach betont, wie wichtig funktionierendes Teamwork für ihn ist. Am Beispiel der Videos bedeutet das, dass er das grobe Drehbuch in seinem Kopf mit zum Set bringt, sich aber vieles spontan vor Ort entwickelt. „Trotzdem schlafe ich die letzten ein bis zwei Nächte vor dem Drehtag schlecht, weil ich quasi schon mittendrin bin“, sagt er. Und lacht.
Der Anfang ist gemacht. Und nun?
Zwölf Songs fertig, drei veröffentlicht und Besetzung gefunden. Wie geht’s weiter? „Zuerst einmal bin ich absolut überwältigt von dem riesigen Feedback und der tollen Resonanz“ sagt er und lässt durchblicken, dass ihm das nach den kräftezehrenden Wochen natürlich sehr guttut. Ihm war es zunächst einmal das Wichtigste, seine Ideen festzuhalten und das hat er geschafft. Alles was nun kommt, kann er dementsprechend entspannt angehen – was nach Danner-Philosophie aber wohl trotzdem Volldampf bedeutet. Wenn alles glatt läuft dürfen wir uns monatlich auf einen neuen Song freuen, auf ein Veröffentlichungsdatum für ein komplettes Album kann und will sich Chris aber aufgrund der aktuellen Situation verständlicherweise nicht festlegen. Und Live? „Das wäre natürlich ein Traum!“, wenngleich das aufgrund der wieder hochgefahrenen Terminsituation der beteiligten Musiker nicht ganz so einfach zu realisieren ist. Doch wenn man Chris Danner kennengelernt hat, hat man eine Vorstellung davon, wie schnell Träume Realität werden können. Wir wären auf jeden Fall dabei!
Reinhören:
Spotify/Apple Music/Deezer/Amazon Music: „Chris Danner“
Reinschauen & informieren:
www.facebook.com/chrisdannermusic
