
© Till Benzin
Corinna Lieb & Joe Ginnane
Yeah, back in the Ring! Der Geplänkelianer in der grün-weiß-orangen Ecke stand schon seit Ewigkeiten bei uns auf der Einladungsliste und hatte nun endlich einmal Zeit: Joe Ginnane. Aschaffenburgs bekanntester Ire zieht schon Jahrzehnte mit seiner Gitarre durchs Land und beglückt die Zuhörer quer durch die Republik mit einer Setlist, die von hier bis Hamburg reicht. Ihm gegenüber eine Geplänkelöse, die ebenfalls schon längst überfällig war. Corinna Lieb ist Frontfrau der Band Phonodrive, die Mitte der 2000er so richtig steil ging, deutschlandweit für Wirbel sorgte und nach einer Pause aktuell wieder auf die Bühne geht.
Und wie es der Zufall so wollte: Die beiden hatten sich tatsächlich noch nie zuvor gesehen – ganz im Sinne des Erfinders. Das war aber auch wirklich gut so, denn …
Corinna: Yes! Ich freue mich total, dass ich jemanden treffe, den ich noch nicht kenne!
Joe: Ja, das freut mich auch. Denn ich dachte, ich kenne inzwischen eigentlich alle … (lacht)
C: Was machst du denn für Musik, Joe?
J: Hm, meine Richtung ist … dass ich keine Richtung habe. Nenn es Singer/Songwriter, wenn es um eigene Musik geht. Dazu covere ich noch Songs von den 50ern bis 00ern.
C: Das hat schon riesige Vorteile, denn du kannst dich anpassen. Wir haben mal bei einer Firmenveranstaltung gespielt. Da waren 1.500 Leute, aber die kannten unsere Songs halt nicht. Und die Coverbands, die nach uns gespielt haben, haben dann abgeräumt.
J: Ich spiele ja viel in Pubs und da ist der Druck auch schon sehr groß, denn du musst die Leute den ganzen Abend unterhalten. Aber da kann ich mein Programm mixen, das ist tatsächlich ein Vorteil. Und du singst?
C: Stimmt. Und manchmal spiele ich noch auf einem kleinen Kinder-Keyboard. Ich komme nämlich ursprünglich von der Heimorgel. Ach ja, ab und zu spiele ich auch Gitarre, die von unserem Gitarristen, der auch Gitarrenbauer ist, für mich gebaut wurde.
J: Ihr macht nur eigene Sachen, richtig?
C: Ja. Wir machen Pop, der aber auch mal laut sein darf in der klassischen Besetzung: Drums, Bass, zwei Gitarren. Als wir zuletzt im Colos-Saal gespielt haben, war der Jürgen Wüst an den Keys noch mit dabei.
J: Mit Jürgen hatte ich auch schon mal ein Bandprojekt am Start und das war spitze. Aber in den allermeisten Fällen spiele ich alleine. Ich habe über 1.000 Songs im Repertoire und ich muss bei meinen Gigs immer sehr spontan sein.
Und du kannst die alle auswendig?
J: Nein, so 300 bis 400 habe ich immer präsent. Den Rest muss ich erst noch ein-, zweimal anspielen …
C: Das ist ja Hammer! Wir als Band können nicht so spontan sein. Im Gegenteil. Wenn bei uns mal einer fehlt, würde die Welt zusammenbrechen! (großes Gelächter) Im Ernst: Wir haben tolle Musiker, zuletzt ist der Saudi dazugekommen.
J: Saudi finde ich super! Ich habe ihn auf dem Aschaffenburger Stadtfest gesehen und fand ihn mit am besten am gesamten Wochenende.
C: Saudi war seit 1998 unser einziger Besetzungswechsel und passt perfekt! Wir sind jetzt so lange zusammen, Phonodrive ist einfach mein Ding, meine Familie. Und trotzdem bin ich immer noch total schüchtern, wenn ich irgendwelche Songideen vorsingen muss … (lacht)
J: Mach dir nix draus, das geht den Großen auch so. Ich habe mal von Paul McCartney gelesen, dass er die Melodie von „Yesterday“ ein halbes Jahr lang Leuten vorgespielt hat, weil er Schiss hatte, dass es sie schon gibt. Wenn ich eigene Nummern in mein Programm einfließen lasse, sage ich die vorher nicht an. Wenn sie scheiße ankommen, sag ich auch danach nicht, von wem sie waren. Nur wenn die Leute sich vor Begeisterung überschlagen, lasse ich mich feiern. (alle lachen)
Welche Musik habt ihr heute schon gehört?
C: The National. Meine absolute Lieblingsband! Obwohl die CD total vermackt ist und andauernd springt, lief das heute im Auto.
J: James, die Chili Peppers und mich selbst. Nicht, dass ich letzteres gerne mache, ganz im Gegenteil. Aber ich nehme gerade neues Material auf und höre die letzten Versionen immer wieder, um Optimierungsmöglichkeiten zu finden.
C: Bei sowas habe ich schon ziemlich peinliche Sachen erlebt. Früher habe ich unsere Songideen als Instrumental immer auf ’nem MD-Player gehabt und per Kopfhörer im Auto gehört. Und halt dazu Ideen für Gesangsmelodien drüber gesungen. Leider bei offenem Fenster, was besonders an Ampeln öfter mal für Kopfschütteln gesorgt hat. Aber auch grundsätzlich singe ich immer gerne mit. Nein, eigentlich gröle ich … (lacht) Ich finde auch Karaoke spektakulär!
J: Echt jetzt?
C: Ja! Mit Freunden total schief „I will survive“ zu schmettern, herrlich!
J: Okay, das ist cool. So sollte Karaoke ja auch sein, denn überall auf der Welt bekommt der Schlechteste den meisten Applaus. Nur hier in Deutschland üben anscheinend alle und das klingt dann eher nach „Deutschland sucht den Superstar“. Und das finde ich scheiße, denn das hat mit der ursprünglichen Idee nix mehr zu tun. Mein Problem bei Karaoke: Ich habe eine komische Stimme und komme mit den Originaltonarten nicht klar. Frag mal Jürgen! Bei der Arbeit mit ihm und der Band mussten die alle Songs hin- und hertransponieren. Die sind fast wahnsinnig geworden.
J: Schreibst du deine Songtexte auf Englisch?
C: Ja, denn ich habe das Gefühl, ich kann mich im Englischen besser ausdrücken.
J: Mit der englischen Sprache kannst du viel mehr spielen als mit dem Deutschen. Thema Doppeldeutigkeit und so.
C: Ich lasse dann aber über die fertigen Texte immer nochmal einen Native Speaker drüberschauen. Zur Sicherheit, dass das auch alles passt.
J: Danke! Finde ich toll! Ich verstehe nicht, dass andere das nicht auch machen. Schau dir Sunrise Avenue an! Wie heißt die Nummer … (überlegt) … „Hollywood Hills“. Im Refrain singt er, dass er geht, dann wieder kommt und sagt trotzdem Tschüss für immer. Und ich höre das und denke mir „Junge, das ist Shit, entscheide dich halt!“ (alle lachen) Ich liebe die deutsche Sprache und finde sie toll für Philosophie und Psychologie zum Beispiel – aber für gute Songtexte eher schwer.
C: Du magst echt gar keine deutschen Lieder?
J: Doch, ein paar Ausnahmen gibt es, klar. Grönemeyer, die Ärzte und die Hosen zum Beispiel gefallen mir.
C: Die Hosen, finde ich, gehen so gar nicht.
J: Ich finde das gut. Aber mit Deutsch-Rap zum Beispiel kann ich nix anfangen.
C: Oh Mann, ich liebe Fettes Brot und Fanta Vier!
J: Ist für mich nicht authentisch, nicht real.
C: Naja, wir müssen ja nicht immer einer Meinung sein
(grinst). Vielleicht ist ja auch HipHop einfach nicht dein Ding.
J: Aber Hallo! Eminem-Shows sind einfach abartig gut! Und Outcast beispielsweise finde ich auch richtig geil!
C: Jaaa! Wie heißt der noch? André 3000! Wie cool ist der denn bitte?!
In jungen Jahren lernte Corinna Lieb das Orgelspiel, bevor sie über einen Kinderchor zum Gesang kam. Ihre erste Stelle als Frontfrau übernahm sie bei der Coverband Double You C. Zudem hat man sie bei Echoes, den Boppins und angeblich auch bei YEAH! auf der Bühne gesehen. Ihre große Liebe heißt aber Phonodrive: Nach einer Pause steht die Truppe seit 2013 wieder auf der Bühne und werkelt am dritten Longplayer.
Musik im Blut: Jeder Ire singt, ob er’s kann oder nicht. Joe Ginnane kann es definitiv, zudem kam im Alter von 15 Jahren die Gitarre hinzu. Seinen Job als Industriekaufmann in Irland schmiss er zugunsten Lebens-, Arbeits- und Musikerjahren in Paris, London und Frankfurt, bevor es ihn Mitte der 80er nach Aschaffenburg verschlug. Von hier aus zieht er als Ein-Mann-Band mit bis zu 200 Auftritten im Jahr durch die Republik. Sein zehntes Album ist in Arbeit.