
Foto: Till Benzin
STIMME TRIFFT SAX
Wuuuhuuu! Wir haben ja schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt: Die erste weibliche Kombattantin besteigt den Geplänkelring. Und was für eine! Gloria Aldenhoff hat sich im Eilverfahren vom Ascheberscher Mädsche zu einer der beliebtesten Gänsehautstimmen der Region gewandelt. Ihr Gegenüber in unserer lauschigen Runde ist mit Klaus Appel eines der bekanntesten Gesichter der Aschaffenburger Szene: Chef des größten Walking Acts der Stadt, bekennender Anzugträger und gesegnet mit einem schier unendlichen Erfahrungsschatz. Welch ein schönes ungleiches Paar …
… dachten wir. Denn es kam – mal wieder – alles anders. Die beiden haben sich dermaßen gut verstanden, dass wir eigentlich nur auf eine Couch gebracht haben, was sich schon lange gesucht hat. Zudem wären sich die beiden sowieso demnächst auch auf der gleichen Bühne über den Weg gelaufen. Aber lest selbst …
FRIZZ Das Magazin: Erzählt mal – wie seid ihr die Musiker geworden, die ihr heute seid?
Klaus: Im zarten Alter von acht Jahren bin ich zur Klarinette gekommen …
Gloria: Freiwillig?
K: Nee, natürlich nicht (lacht). Meine Eltern haben auch Musik gemacht, sind als Duo aufgetreten. Die Idee kam also schon von ihnen. Danach dann erstmal die klassische Schule mit Blaskapelle und so. Mit 14 hatte ich dann meine erste Band und war relativ schnell in der Musikszene angekommen. Eine normale Lehre habe ich später übrigens auch angefangen, als Schlosser, da haben aber beide Seiten relativ schnell gemerkt, dass das für den jeweils anderen nicht wirklich fruchtbar ist. Die haben mich zum Beispiel immer komisch angeschaut, wenn ich mit einem weißen Hemd auf die Arbeit gekommen bin.
Das musst du uns erklären …
K: Naja, meistens bin ich direkt aus der Werkstatt zu einem Auftritt gefahren … Oder es war umgekehrt (alle lachen). Anfang der Achtziger hab ich die Musik dann zum Beruf gemacht.
G: Mein Vater war im Kirchenchor, von daher habe ich die Affinität zum Gesang. Irgendwann bin ich im Musikhaus Dressler angequatscht worden: „Ey, du kannst doch singen, richtig?“ Ich habe dann in der Gitarrenabteilung direkt „Like the Way I do“ gesungen und wurde von der Stelle weg von den Rock ’n’ Rollern von Lucille’s Lumbago engagiert. Rückblickend ein witziges Casting, das mich dann auch zu meinem ersten Gig gebracht hat – direkt im Colos-Saal. Und dann kam eins zum anderen. Mit meiner Schwester hab ich das Duo Nina/Gloria gegründet, beim Musical „All shook up“ mitgemacht und singe aktuell noch bei vielen Bands auf Anfrage. Und ich studiere Grundschullehramt in Würzburg, denn die Musik zum Beruf zu machen, ist nicht mein Ziel. Ich hätte viel zu viel Angst, dass ich den Spaß daran verlieren könnte. Ich finde die Musik als Hobby für mich besser.
K: Manchmal würde ich das Ganze auch lieber als Hobby betreiben …
G: Hast du deine Berufswahl bereut?
K: Berufsmusiker zu sein ist nicht leicht, denn du gibst schon viel Sicherheit auf. In manchen Momenten habe ich das schon mal bereut. Ganz ehrlich, wer hat das noch nicht? Aber im Gesamten bin ich super zufrieden und würde das auch nicht anders machen.
G: Ich habe zudem das Gefühl, dass sich das Publikum verändert hat. Das merke ich auch in meinem direkten Umfeld. Da musste ich schon mal Freunden den Eintritt bezahlen, damit die mich überhaupt zu einer Band begleiten, die ich unbedingt sehen wollte. Da waren acht Euro zu viel. Stell dir das mal vor …
K: Aber für völlig überteuerte Getränke haben sie die Kohle dann …
Klingt ein bisschen verbittert …?
K: Nee, bin ich nicht. Ich hab schon in so vielen Bands gespielt und so viele Genres beackert, irgendeine Nische gibt’s immer.
Beispielsweise House-DJs, die mit Saxofonisten zusammen auftreten?
K: Sowas in die Richtung habe ich auch schon gemacht. Wobei ich DJs grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe. Kleine Geschichte dazu: Ich hab alleine auf einer Veranstaltung gespielt – und zwar live zu Instrumental-Playbacks, die ich dabei hatte. In dieser Zeit hat neben mir ein sogenannter DJ aufgebaut, sprich, er hat seinen Laptop hingestellt. Er schaut mir zu und sagt dann: „Du machst es dir aber auch einfach …“ Solche Typen kann ich leider nicht ernst nehmen. Wobei es natürlich auch richtig gute DJs gibt, die ihr Handwerk verstehen. DJ Quang zum Beispiel, mit dem ich auch live zusammen spiele. Aber viele gibt’s von der Sorte leider nicht.
G: Ich stehe nicht so auf die neue elektronische Musik. Dafür mag ich zum Beispiel ältere Sachen, auch aus den 60ern und 70ern. Sogar alten deutschen Schlager finde ich durchaus gut. Und noch was: Wenn die Musik vom Band kommt, ist man halt als Sänger überhaupt nicht mehr flexibel. Ich hab das mal gemacht und mich nicht wirklich wohl gefühlt dabei. Es geht halt nichts über Livemusik …
K: … außerdem ist es mit einer Band zusammen immer lustiger! Finde ich sehr schön, dass Gloria auch alte Sachen gefallen.
G: Bis jetzt hatte ich auch oft das Glück, dass meine Mitmusiker in den Bands älter waren als ich. Anfänglich war es zwar nicht leicht, als junges Ding aus deren Schatten zu treten. Aber ich habe unglaublich viel gelernt von den „alten Hasen“! Grundsätzlich ist es das Schöne an Aschaffenburg, dass wir eine so lebendige und familiäre Livemusik-Szene haben – im Vergleich zum Beispiel zu Würzburg. Das ist eine größere Stadt mit vielen Studenten – und ich sehe da so gut wie keine Livemusik-Angebote.
K: Da geb ich dir Recht. Die veranstalten eine Jazz-Jamsession und dann kommst du da rein und es stehen zehn Notenpulte auf der Bühne. Das ist alles, aber kein Jam.
Ist euch schon mal etwas angeboten worden, das ihr für kein Geld der Welt (mehr) machen wollt?
G: Ich hatte mir fest vorgenommen, niemals „Atemlos“ zu singen. Aber an der Nummer kommst du einfach nicht vorbei (lacht). Ansonsten gab es bisher noch keine Anfrage, mit der ich aus irgendeinem Grund ein Problem gehabt hätte.
K: Die Lederhosenabteilung ist für mich komplett draußen, denn das habe ich einfach zur Genüge gemacht. Nicht nur in den örtlichen Blaskapellen, sondern auch zu meiner Zeit als Berufsmusiker. Da war ich sogar so etwas wie berühmt (lacht). Ich war sechs oder sieben Jahre bei einer damals sehr angesagten Band dieser Musikrichtung, wir waren ständig in irgendwelchen Fernsehsendungen und auf Tournee durch gefühlt alle Hallen der Republik …
G: Echt? Wie hieß die Truppe?
K: … Wurscht …
G: Geiler Name! (alle lachen)
K: Im Ernst, die Combo wurde dem Publikum als Original Münchner Kapelle verkauft. Dabei war das ein zusammengewürfelter Haufen aus Profis komplett internationaler Herkunft. Der einzige, der aus München kam, war der Sänger. Dieses Genre ist also für mich komplett durch, aber ansonsten sehe ich das so: Ich bin Musiker, das ist mein Beruf. Und solang etwas gut gemacht ist, kann ich das relativ schnell mit meinem Gewissen vereinbaren.
G: Also dieses Festzelt-Ding … Einmal würde ich das schon machen wollen, nur um das für mich persönlich abhaken zu können.
Es entspinnt sich ein angeregtes Gespräch über die Themenwelten der Berufsmusik. Irgendwann kommen beide zum Thema Castingshows. Klaus erzählt von frühen Formaten wie dem „Beatclub“, der vor Jahrzehnten auch schon Talente im TV gesucht hat. Gloria berichtet, dass sie auch schon mal bei einem Vorcasting einer TV-Show mitgemacht hat, aber aufgrund ihrer trashbefreiten und skandalarmen Vita für die Produktion uninteressant gewesen sein muss. An ihrer bemerkenswerten Songauswahl („TNT“ von AC/DC sowie „Ich will keine Schokolade“ von Trude Herr) kann es natürlich überhaupt nicht gelegen haben. Schlussendlich entdecken die beiden, dass sie noch in diesem Jahr mit den Fischergass’ Jazzern einen gemeinsamen Gig spielen.
Zum Abschluss mal wieder ein kleines Spiel: Mit welchem der folgenden Künstler würdet ihr lieber die Bühne teilen wollen – Beatles oder Stones?
G: Beatles. Stones hört meine Schwester viel zu oft, da bin ich satt.
K: Stones! Die Beatles haben zwar mehr Musik gemacht, aber die Stones hatten viel mehr Spaß. Bis heute.
DJ Bobo oder Sven Väth?
K: Wer ist Sven Väth? Ich hoffe mal, dass der Lederhosen an hat, dann bin ich aus genannten Gründen außen vor!
G: Bobo, da hätte ich schon Spaß dran.
Helene Fischer oder Dieter Thomas Kuhn?
G: DTK, denn fischersche Glitzerkleidchen stehen mir nicht. Bei DTK könnte man so schön die Sau rauslassen!
K: Ich entscheide mich für ein schönes Abendessen mit gutem Rotwein und höre derweil mit Genuss meinem Geschirrspüler zu!
Busters oder Bob Marley?
K: Bob Marley, weil es der ursprüngliche Sound ist.
G: Was machen die Busters? (Klaus erklärt Gloria Ska). Ah, okay. Ich nehme Bob Marley!
Klaus Appel ist eines der bekanntesten und prägendsten Gesichter der Aschaffenburger Musikszene. Der Berufsmusiker war in jungen Jahren mit vielen deutschen Stars on Tour und hat in zahlreichen Projekten, auch im Ausland, mitgewirkt. In heimischen Gefilden dürfte er den meisten als Gründer der Klimperkasten/Colos-Saal-Houzeband und der March Mellows Streetband ein Begriff sein. Bis heute gehört der Initiator des hiesigen Jazz & Crime-Festivals zu den hardest working Musikern der Stadt.
An Gloria Aldenhoff kommt aktuell eigentlich keiner vorbei, der sich auch nur ein kleines bisschen für die Livemusik in unserer Region interessiert. Die Sängerin rockt die Front bei Lucille’s Lumbago, steht mit ihrer Schwester als Nina/Gloria auf der Bühne und bereichert regelmäßig die Auftritte weiterer bekannter Gruppen wie franz ’n’ fries, Stuwwerogger und vielen weiteren. Ebenfalls wird ihr frappierende Ähnlichkeit mit einer der YEAH! unterstützenden Oh-Yeahs nachgesagt …