
© Till Benzin
Moritz Klug Steffen Brunner
Es war ein kalter Dezembernachmittag. Alle Vorbereitungen waren getroffen, zwei tolle Musiker zum Blind Date geladen, das Seppelsche auf Temperatur gebracht, der Bleistift gespitzt. Dann der Schock: Unsere Rock ’n’ Roll-Couch war verschwunden und war – dank irgendeinem Nostalgiker – durch eine sechs Meter hohe Nordmann-Tanne samt Glitzergedöns und Kugelschlacht ersetzt worden. Wohin also mit Steffen Brunner, Gitarrist, Sänger und Mastermind von Drowning Suns und Moritz Klug, Gitarrist und Sänger von Jimmy Black? Wir sind dann ins gut gekühlte Treppenhaus umgezogen. Den Flair kennen die Jungs ja aus diversen Backstage-Bereichen …
FRIZZ Das Magazin: Kennt ihr euch?
Beide unisono: Nö!
Sehr schön! Dürfen wir vorstellen? Steffen Brunner, aktuell mit Drowning Suns unterwegs. Und Moritz Klug, Gitarrist bei Jimmy Black.
Steffen: Ah, Jimmy Black! Sehr cool! Wusstest du, dass wir mal um ein Haar zusammen im Colos-Saal gespielt hätten?
Moritz: Echt?
S: Ja, der Kontakt kam über euren Basser Christoph (Rüppel, Anm. d. Red.) zustande. Ihr habt doch auch auf dem Umsonst & Draußen in Würzburg gespielt, richtig?
M: Ja genau!
S: Hätte ich auch gern gemacht. Aber die haben uns ums Verrecken nicht genommen. (lacht)
M: Die sind ja auch immer sehr schnell mit dem Booking. Vielleicht warst du auch einfach …
S: … zu spät, ich weiß. War ja auch so. (alle lachen)
M: Von Drowning Suns habe ich das erste Mal vor einem halben Jahr gehört. Seit wann gibt’s euch denn?
S: Seit 2013, aktuell wurde das zweite Album veröffentlicht. Wobei du wissen musst, dass Drowning Suns keine klassisch gewachsene Band ist. Denn eigentlich ist das mein Solo-Projekt und für Live-Gigs habe ich mir eine tolle Band zusammengestellt. Wie läuft bei euch das Songwriting ab?
M: Eigentlich arbeiten wir alle gemeinsam an den Songs. Ideen werden grob von mir vorproduziert, damit jeder weiß, worum es geht. Danach wird geprobt und an den Nummern gefeilt.
S: Ihr macht das zusammen, finde ich cool.
M: Ihr nicht?
S: Nein, ich mache das alles alleine, von der Idee über das wirkliche Songwriting bis hin zur finalen Produktion im Studio. Wobei das echt eine Monsterarbeit und der kreative Prozess manchmal sehr anstrengend ist.
M: Wenn ich Titel schreibe, dann geht das zuallererst von der Grundstimmung aus. Wenn ich die mal eingefangen habe, produziere ich grob das Schlagzeug, dann die Gitarren und dann die Melodielinien von den Vocals.
S: Das Wichtigste ist halt, überhaupt mal anzufangen. In der Vorbereitung auf das zweite Album hatte ich teilweise 30 bis 40 Nummern auf dem Rechner, viele davon habe ich nach drei Tagen wieder weggeschmissen. (Gelächter)
M: Ich lasse Songideen auch mal einen Monat liegen und fange dann später nochmal an, mich damit zu beschäftigen. Hilft oft!
Erzählt mal was über euch. Moritz fängt an.
M: Ich habe tatsächlich musikalische Früherziehung genossen, womit ich dann aber zugunsten des Sports aufgehört habe. So mit 15 Jahren habe ich Bassunterricht an der Musikschule genommen und auch schon direkt angefangen, Musik aufzunehmen. Gitarre habe ich mir selbst beigebracht und mit 18 Jahren haben wir Jimmy Black gegründet. Unsere erste EP haben wir im Proberaum aufgenommen, das Ergebnis klang entsprechend rough und dreckig …
S: Musik, die dreckig klingt, kann aber sehr cool sein!
M: Stimmt. Ich habe dann beschlossen, das beruflich zu machen, studiere aktuell an der Hochschule Darmstadt Sound & Music Production und schreibe gerade meine Bachelorarbeit.
S: Sauber! Ich habe das erste Album in einem Studio in Stuttgart aufgenommen und produzieren lassen. Der Typ dort war schon mit Prince und Motörhead unterwegs und zudem der Live-FOH-Mann der Scorpions. Das Verrückte ist, dass der das nie gelernt hat …
M: Das geht natürlich auch. Aber das Studium hat mir bislang sämtliche Freiheiten gegeben, auszuprobieren, was einzelne Sachen bedeuten, wie Tools sich ergänzen und so. Allein die perfekte Mikrofonierung ist eine Wissenschaft für sich.
S: Klar, auf derlei Wissen konnte ich natürlich nicht direkt zurückgreifen. Alle meine Infos musste ich mir über Learning by Doing erarbeiten. Ich arbeite noch viel mit Plug-ins, wobei die analogen Sachen natürlich unschlagbar sind. Aber das kann ja irgendwann keiner mehr bezahlen.
Steffen, dein Werdegang?
S: Inspiriert durch die damals noch sehr starke Coverszene mit Bands wie Spider oder Lanzer habe ich irgendwann angefangen zu singen. An einem bestimmten Punkt habe ich professionelle Hilfe gebraucht. Die habe ich mir – gerade im Bereich der Stimmbildung – bei Janie Dixon geholt. Nach einer ersten Garagenband bin ich 2004 zu Backbone gekommen. Im Alter von 25 habe ich mir – wie Moritz – Gitarre beigebracht und bin 2008 zur Band Friends Live gewechselt, mit denen war ich bis 2013 unterwegs. In diesem Jahr habe ich mir auch das erste Studio-Équipement gekauft und die ersten Songs geschrieben. Quasi die Geburtsstunde von Drowning Suns.
Welche Musik habt ihr heute schon gehört?
M: Klingt jetzt komisch: Die Filmmusik zu „Die fabelhafte Welt der Amélie“, Rammstein und Pink.
S: Krasse Mischung!
M: Tja, ich war mit dem Auto meiner Eltern unterwegs. Das ist deren Playlist.
Deine Eltern hören Rammstein?
M: Ja! Erinnert mich an früher. Auf jeder Fahrt in den Frankreich-Urlaub liefen Rammstein und Seeed hoch und runter.
S: Ich habe heute wieder Nickelback gehört, weil die aktuelle Platte in meinen Augen perfekt produziert ist. Chad Kroeger macht da auch sehr viel selbst. Zudem sind Nickelback eine grandiose Liveband. Ich höre derlei Musik gerne abwechselnd mit Country, weil da viele Anleihen und Querverbindungen da sind.
M: Das stimmt. Und wenn man sich das genau anhört, dann ist es sehr interessant, wie kleine Veränderungen einen komplett anderen Sound hervorbringen.
S: Das ist so, wird aber durch den Loudness War leider alles kaputt gemacht.
Loudness War?
S: Die ganzen Produktionen werden soundtechnisch zusammengequetscht, die Dynamik geht vollkommen flöten, alles wird Brei.
M: Früher lag der Unterschied zwischen dem leisesten und dem lautesten Schlag oder Ton in einem Song bei circa zwölf Dezibel, heute sinds nur noch vier Dezibel. Das hat was mit den Formaten im Radio, iTunes, Youtube, etc. zu tun.
S: Irgendwann hört man dann keinen Unterschied mehr zwischen Rock und HipHop.
M: Es gibt aber auch schon wieder ein Umdenken bei einigen Engineers. Im Filmbereich gibt’s schon Vorgaben, dass ein Track bestimmte Attribute erfüllen muss, die in die richtige Richtung gehen. Das kommt bei der Musik bestimmt auch bald.
S: Das wär so schön!
Moritz Klug kam über den Bass zur Gitarre, die er sich selbst beibrachte. Mit 18 Jahren gründete er die Alternative-Rockband Jimmy Black, mit der er inzwischen zwei EPs produziert und veröffentlicht hat. Er studiert an der Hochschule Darmstadt Sound & Music Production, schreibt aktuell seine Bachelorarbeit und betreibt mit Jochen Roth und Maurice Young ein Studio in Aschaffenburg. Zudem arbeitet er für ein bekanntes Label als Songwriter für andere Künstler.
Steffen Brunner kam über den Gesang zur Musik. Nach einer ersten Garagenband war er jahrelang Frontmann der Coverband Backbone. Er brachte sich das Gitarrenspielen bei und wechselte zur Formation Friends Live. 2013 schrieb er erste eigene Nummern und fing an, sich sein eigenes Studio zu bauen. Mit seinem Solo-Rockprojekt Drowning Suns veröffentlichte er bislang zwei Alben. Zudem arbeitet Steffen als Produzent für andere Acts wie beispielsweise ChaosPoet Stefan Appel.