
© Till Benzin
Musikantengeplänkel
It’s all about Geplänkel, Baby! Und bäääm, zieht unsere nicht mehr ganz so nüchterne Losfee eine Paarung zum Fingerlecken aus dem Sektkühler. Zum einen Angelo Garruto, Bassist der Blutjungs und schlichtweg eine Granate. Zum anderen Freddy Walter, Gitarrist in den Formationen seiner Schwester Melanie Terres sowie gut gebuchter Feuerwehrmann für die unterschiedlichsten Bands. Ebenfalls eine Granate. Der Vollständigkeit zuliebe: Die Gesprächspartner kannten sich wohl schon …
Freddy Walter: Der Angelo, wie schön! Ihr spielt doch mit den Blutjungs bald im Irish Pub, oder? Cooler Laden an sich!
Angelo Garruto: Ich war vor fünf Jahren das letzte Mal dort, aber ich kann mich nicht mehr genau dran erinnern. Vielleicht lag es am Alkohol! (lacht)
F: Schnuckelig ist die Location schon! Das Geile ist halt, dass die Leute so halb um die Bühne herum stehen. Find ich cool.
A: Ich lass mich einfach überraschen. Wir releasen dort unser fünftes – und hoffentlich nicht letztes – Album.
F: Euch gibt’s doch auch schon 20 Jahre, oder?
A: Genau sogar! Seit 1997.
F: Mit Jan (Blutjungs-Drummer, Anm. d. Red.) hab ich ja mal als Aushilfe bei TS zusammen gespielt. Mit dem kann man sich auch gut kappeln! (lacht) Auf der Rückfahrt vom Gig ist er auf mir eingeschlafen. Der ist böse schwer! (alle lachen)
A: Hast du dir da für den einen Job das komplette Vier-Stunden-Set rausgehört? Das ist ja auch ein Haufen Arbeit. Ich war vor 16 Jahren oder so mal für ein Jahr bei denen dabei – war auf jeden Fall lustig!
F: Bei der Art von Tanzmucke ändert sich ja nicht viel, zum Glück. Meine Schwester Melli (Melanie Terres, Anm. d. Red.) hat ja erst bei Lanzer und dann bei Spider gesungen. Ich war da oft dabei und hab mir so nebenbei deren Programm drauf geschafft, weil ich gedacht habe, dass mich mal jemand nach einem Aushilfsjob fragt. Mich hat bloß nie jemand angesprochen … (lautes Gelächter)
Euer musikalischer Werdegang?
F: Unsere Eltern sind Musiker und Melli stand ja mit neun Jahren schon im Studio. Ich war halt ständig von Musik umgeben. Irgendwann hieß es einfach nur „Sing!“. Mit zwölf Jahren hab ich die ersten Studioaufnahmen mit Rock ’n’ Roll-Sachen gemacht. Elvis, Little Richard und so. Dann Stimmbruch, dann Gitarre. Natürlich wollte ich direkt Maiden- und Metallica-Sachen machen, aber ich musste erst durch die harte Tanzmusik-Schule und hab dann in Coverbands gespielt. Irgendwann war ich mal bei meinem Cousin in München. Mit dem hab ich gejammt und er sagte: „Spiel mal ’n G-Dur.“ Hab ich gemacht. Und er so: „Das ist kein G. Ich zeigs dir“. So bin ich zum Zigeuner-Jazz gekommen. Da hab ich dann erst wirklich die Akustik-Gitarre gelernt, wie ich sie heute spiele.
A: Bei mir gibt’s nicht so viel zu erzählen. Ich war mit 16 Jahren in Italien, da haben ein paar Kumpels Musik gemacht. Das hat mich geflasht und da hab ich mir gedacht: „Fängst du halt mal mit dem Bass an!“ Hab mir direkt für ein paar lumpige Mark einen billigen Bass gekauft und den nach Hause geschleppt. Meine Mutter hat die Hände überm Kopf zusammen geschlagen, vor allen Dingen, weil ich mir als nächstes einen 800 Watt Amp gekauft habe. Am Anfang war das ja alles nur für den Spaß, ich habe mir auch alles selber beigebracht. Dann haben die ersten Leute angerufen, ob ich nicht mitspielen will, so gings dann los. Nach ein bisschen Rumtingelei bin ich dann direkt bei den Blutjungs gelandet.
Wie habt ihr euch gefunden?
A: Über unseren Freundeskreis. Martin Großmann kannte ich schon. Toni von Carlos Mogutseu hat mir dann mal ein Tape gegeben und schwupps war ich dabei. Neben den Blutjungs spiele ich noch in zwei anderen Bands.
Bei Lost in a Maze und … einer Schlagerkapelle, gell?!
A: Ääh, ja, stimmt.
F: Ja wie geil ist das denn? Was für Schlager spielt ihr da?
A: So alte Schinken. „Rote Lippen soll man küssen“ und so.
F: Abgefahren. Das finde ich super!
A: An erster Stelle kommen aber die Blutjungs. Das ist einfach mein Ding.
Die Blutjungs sind ja ein Beispiel für Bands, die mit eigenen Sachen überregionale Bekanntheit erlangen.
A: Stimmt schon, wir bekommen sogar ab zu Geld von der GEMA. (lacht)
F: Werdet ihr in Spartensendern und so gespielt?
A: Ja, aber nicht nur. Da ruft sogar mal SAT.1 an und fragt nach der Freigabe, dass sie für Sendungen Songs von uns verwenden dürfen. Dann früher auch gerne mal nachts bei HR3. Aber natürlich kannst du da nicht von leben. Ich arbeite ja noch als Klempner.
F: Kein Wunder. So ’nen Körper kriegste nicht vom Bassspielen … (alle lachen)
A: Hey, als Nicht-Coverband muss uns das erstmal einer nachmachen: Nach Wuppertal oder Hamburg zu fahren und die Leute singen deine Lieder. Da ist mir das Geld total wurscht.
F: Wenn Leute deine Texte singen … es gibt nichts Schöneres!
Es gibt ja diese legendäre Szene vom Umsonst und Draußen in Würzburg. Vor der Bühne eine große Gruppe Skater und die Blutjungs spielen genüsslich „Friss dein Brett“ …
A: Da sind sogar Skateboards geflogen gekommen! (Freddy lacht sich kaputt) Wenn wir in den neuen Bundesländern spielen, versuchen wir auch immer die Leute davon zu überzeugen, dass Sparwasser im Abseits stand … (alle lachen)
F: Aber nochmal zurück zum Thema Mitsingen, das hatte ich bis jetzt erst einmal. Wir haben ja mit Melli auch Sachen in der Zigeuner-Sprache Romanes gemacht und wurden zu einem Gypsy-Festival eingeladen. Wenn die dann die Texte mitsingen, ist das ein Wahnsinnsgefühl.
Gemeinhin hat man das Gefühl, dass bei den Gypsys oder in Ländern wie Italien die Musik einen viel höheren Stellenwert hat, als bei uns. Weil die Leute auch viel emotionaler sind, oder?
F: Ja, voll.
A: Aus dem Gebiet, wo meine Familie herkommt, ist das eigentlich nicht so ausgeprägt. Aber wenn du südlicher kommst, trifft das schon zu. Die flennen dann schon fast beim Singen.
F: Das Lamentieren ist bei den Ziggis ja auch ganz weit vorne. Wenn du als Kind mit einem Instrument beginnst, musst du damit rechnen, von der Verwandtschaft fertig gemacht zu werden. (lacht) In Deutschland klatschen alle Beifall, wenn das Kind unterm Weihnachtsbaum drei Töne auf der Blockflöte kann. Bei uns spielst du auf der Gitarre und dann sagt der Opa „Naja, das üben wir aber nochmal!“ Nach dem Motto: Nicht geschimpft ist genug gelobt!
A: Verliert man da nicht die Lust am Musikmachen?
F: Komischerweise nicht, denn der ganze Ansatz ist ein anderer. Die Gypsys haben immer das Bestreben, Songs so klingen zu lassen, dass sie authentisch ihrem Style entsprechen. Und: Du musst nicht der beste Gitarrist sein, sondern der dienlichste für die Mitmusiker. Deswegen bin ich vom Prinzip her auch nicht der geborene Sologitarrist, sondern eher so die Richtung „Volldampf nach vorne“ beim Thema Rhythmus.
Vielen Dank für das Gespräch!