
Foto: Till Benzin
DRUMS VS. GITARRE & VOCALS
Mehr als ein paar Bierchen und Klare auf Basis regionalen Streuobstes waren für unsere Ziehungsfee nicht nötig, um wieder eine spannende Paarung aus dem Lostopf zu zaubern: Thomas „Saudi“ Sauerwein und Christopher Grund. Und wieder hatten wir Glück, denn Saudi kannte Christophers Band Untertagen nur flüchtig, umgekehrt war nur der Name ein Begriff. Persönlich hatten beide noch nie miteinander zu tun. So kam es zum Showdown unter dem Motto: Erfahrener Rockstar, der schon ziemlich viel gesehen hat, trifft jungen Rockstar, der schon ziemlich viel gesehen hat.
FRIZZ Das Magazin: Saudi, unser kleines Stadtmagazin nannte dich einst „eine Ikone, wie sie eine Stadt nur alle Schaltjahre hervorbringt“. Was ist seitdem passiert?
Saudi: Echt, Ikone? Hahaha! Tja, was bin ich jetzt? Eher ein Fossil. Zum Rockstar hat’s bei mir auf jeden Fall nie wirklich gereicht. Es gibt da ja diese Geschichte, als ich am Ende eines Gigs mal mein Plektrum ins Publikum geworfen habe. Das hat mir dann beim Abbauen wieder einer mit den Worten „du hast da was verloren“ zurückgebracht. Da weißt du, dass du kein Rockstar bist!
Christopher: Vielleicht solltest du mal nach einem passenden Youtube-Channel suchen. „How to be a rockstar“ oder so …
S: Lernt man da, wie man seine Plektren mit Kleber präpariert, damit sie am Publikum haften bleiben?
C: Das wäre ’ne Idee! Bei mir hat sogar schon mal jemand meine Sticks gefangen, das war aber die absolute Ausnahme. Von daher auch bei uns: Rockstar-Level ganz unten! (lacht)
Wie hat das mit dir und Untertagen angefangen?
C: Obwohl wir vier uns wirklich bereits seit dem Sandkasten kennen und alle früher im Umkreis von 200 Metern gewohnt haben, bin ich musikalisch erst 2010 zu Untertagen gestoßen. Vorher habe ich bei Big Deal und den Fountains gespielt …
S: Big Deal? Cool! Mit den Brauns und Paul Gehrig …
C: Yep! Ich war 14 und die anderen 19, 20. Ich habe als Teenie schon in Bamberg und so gespielt, das war nicht gerade uncool.
S: Auch damals schon mit Vollbart?
C: Ja genau! Deswegen hatte ich auch nie Probleme mit dem Jugendschutzgesetz (lacht). Bei Untertagen finde ich es krass, dass es bislang noch keine Situation gab, in der wir voneinander die Schnauze voll hatten. Im Gegenteil, dass wir uns in- und auswendig kennen, ist bei uns eigentlich der große Vorteil.
S: Das kenne ich von mir und meinem Bruder. Man weiß einfach, wie der andere tickt und kann sich auf der Bühne blind aufeinander verlassen. Ihr seid aber mit Untertagen schon schwer unterwegs, oder?
C: Naja, nicht ständig. Aber wenn wir frisch etwas veröffentlicht haben, versuchen wir schon, eine begleitende Tour zusammen zu bekommen. Das geht dann auch gerne mal bis nach Österreich und in die Schweiz.
S: Oh, wie schön! Ich würde auch gerne mal wieder zu einem Gig fahren und dann dort übernachten… Aber unser Tourneegebiet erstreckt sich aktuell auf den Stadtbusbereich. (lacht) Ihr macht deutsche Texte, richtig?
C: Ja, auf unsere Texte sind wir inzwischen ziemlich stolz. Christian (Untertagen-Frontmann, Anm. d. Red.) hat das ziemlich gut drauf, die neuesten Sachen sind richtig poetisch.
S: Ich traue mich ehrlich gesagt nicht an deutsche Texte. Bei Sauerwein & Band gab’s mal eine deutsche Nummer, die hatte allerdings der „Blocker“ (Posaunist, Anm. d. Red.) geschrieben und auch live performt. War auch besser so!
Apropos Sauerwein: Die Band ist ja nach wie vor Kult, obwohl schon lange Geschichte. Wie war das damals?
S: Durch den Job meines Vaters bin ich ja im Alter von zehn bis 16 Jahren in Saudi Arabien aufgewachsen, daher übrigens auch mein Spitzname. Zurück in Aschaffenburg habe ich dann in einigen Rockbands mitgespielt, das ging so in die Richtung Bon Jovi für Arme. Ganz schlimm. Irgendwann habe ich mal eine Platte von Kate Bush in die Hände bekommen und die hat mich unglaublich gekickt. Ich habe daraufhin alle meine aktuellen Bands verlassen und wollte nur noch eigene Sachen machen. So kam es zu Sauerwein & Band. Jeder Musiker kam aus einem anderen Genre und bei uns war auch jeder Song aus einer anderen Musikrichtung. Wir haben uns ohne Grenzen ausgetobt. Und das war für einige eine Bereicherung … (überlegt) … Für andere war’s vielleicht auch eine Zumutung. Und für den Rest eine Prüfung. Aber damals waren wir auch viel unterwegs – auch über den Stadtbusbereich hinaus (lacht).
Bekommen wir Storys von unterwegs?
C: Wir haben mal in Finsterwalde gespielt, bei einer Indie-Party, Showtime irgendwann zwischen zwei und fünf Uhr morgens. Das Publikum bestand dann nur noch aus ein paar Glatzen, die selbst nicht mehr wussten, ob sie links oder rechts sein sollten. Die Show war „so cool“, dass wir aufs Hotel verzichtet haben und direkt fünf Stunden heimgefahren sind.
S: Da war der Ortsname Programm,! Wir haben mal mit Sauerwein einen Gig in Langweiler gespielt. Das passte haargenau.
Welcher war euer schlimmster Gig aller Zeiten?
S: Das war mit den Tigern von Äpplerpur beim 50. Geburtstag von Holger Stenger im Colos-Saal, das war eine Allstars-Geschichte. Wir sollten eine einzige Nummer spielen und waren gut vorbereitet. Ich hatte meine Klampfe akribisch gestimmt – dachte ich. Also raus auf die Bühne, vier vor und los ging’s. Leider war die Gitarre total verstimmt und klang absolut grausig. Aber anstatt abzubrechen, kurz zu stimmen und noch mal zu starten, hab ich’s leider komplett durchgezogen. Nach dem Song: Totenstille. Ich habe noch gesagt „A’burg ist wohl noch nicht so weit“ und bin runter. Das war echt eine traumatische Katastrophe, ich hab mich richtig geschämt.
C: Ein Veranstalter in Ilmenau hat uns vor der Show gezwungen, mit ihm Pfeffi, unseren Lieblingsschnaps, zu trinken – leider flaschenweise. Irgendwie machte das im Publikum die Runde, dass sich die Band in einem nicht so guten Zustand befindet. Einige sind sogar gegangen, weil sie geahnt haben, dass das nichts mehr werden kann. Der Rest war zum Glück genau so voll wie wir – die hat das gar nicht gestört, dass beim Christian am Ende die Gitarrensaiten wie Wäscheleinen durchhingen … War unter’m Strich einer unserer geilsten Gigs.
Weil wir gerade so schön beim Beichten sind: Gibt’s irgendwelche Bands oder Musiker, die ihr insgeheim total toll findet – es aber bislang nicht verraten habt?
S: ABBA! Ich fand schon immer zwei Sachen an denen toll: Die blonde Sängerin und die Gitarre in Sternenform. Und zugegebenermaßen finde ich ELO auch cool …
C: Ich stehe auf Justin Timberlake. Gerade auch live eine absolute Granate!
S: Ich würde mir live unheimlich gerne mal James Last anschauen. Das ist echt noch ein unerfüllter Wunsch.
C: Meine erste CD ist noch viel schlimmer! Backstreet Boys, ohne Scheiß! (großes Gelächter) Und worauf ich live auch noch mal Bock hätte, wäre ein richtig klischeehaftes Hafti-Konzert!
Anschließend diskutieren beide noch ausführlich über die Cover-Schwemme auf dem Stadtfest, warum sie lieber in der Jury der Bundesgartenschau sitzen würden, als bei GNTM und welche heimliche, musikalische Vorlieben es noch gibt. Als Nana Mouskouri angestimmt wird, klinkt FRIZZ sich endgültig aus … JENS TRIERWEILER
Thomas Sauerwein, genannt „Saudi“, ist durch seine Zeit als Frontmann, Gitarrist und Mastermind von Sauerwein & Band zu einer regionalen Kultmusikerfigur geworden. Saudi arbeitet als Lehrer in einer hessischen Nachbarstadt und macht nach wie vor in verschiedenen Formationen wie die Tiger von Äpplerpur und Phonodrive die Bühnen unsicher. Auch hat er eine frappierende Ähnlichkeit mit Tom Orrow, einem Mitglied der Faschings-Terroristen von YEAH!
Christopher Grund ist seit 2010 Schlagzeuger der Indie-Rocker von Untertagen, die inzwischen im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt sind und der versammelten deutschen Musikprominenz auf der offiziellen ECHO-Party gerne mal die Schönheit ihres Heimatortes Mespelbrunn erklären. Davor war er unter anderem bei Big Deal und den Fountains aktiv. Zudem ist er Mitinhaber einer Event- und Bookingagentur, die unter anderem für den We are Wolves Club im Colos-Saal verantwortlich ist.