Mit viel Energie, Enthusiasmus und Eigenleistung will der Kulturverein Karlstein e. V. das alte Schleusenwärterhaus am Main in ein Kulturzentrum umbauen. Von Karlsteinern für Karlsteinern. Eine Bestandsaufnahme.
Eine wirklich sehr gute Nachricht vorweg: Im folgenden Text dürfen wir mal über das Entstehen eines kulturellen Projektes berichten, bei dem der ungeliebte Kollege Corona nur eine winzige Nebenrolle spielt und nicht – wie in den letzten Monaten so üblich – für Absagen, Verschiebungen, Nöte und Sorgenfalten zuständig ist. Eine echte Wohltat, die sehr gut in das allgemeine Stimmungsbild passt, wo zarte Bändchen des kulturellen Wiederaufbruchs durch die Winde flattern. Doch genug der blumigen Auftaktworte, ran ans Eingemachte! Worum geht’s? Im Karlsteiner Ortsteil Großwelzheim (im Folgenden auch gerne mal liebevoll „Welzem“ genannt) widmet sich der vor ein paar Jahren gegründete Kulturverein Karlstein e. V. einer echten Herzensangelegenheit und baut das alte Schleusenwärterhaus am Mainufer um. Ziel ist es, das ehrwürdige Gemäuer zu neuem Leben zu erwecken und unter dem Titel „Kulturschleuse“ einen gemeinsamen Begegnungspunkt für die Karlsteiner Vereine und Bürger zu schaffen. Ein Treffpunkt für Kreative, Musizierende, Kunst- und Kulturschaffende und alle Interessierten soll das Haus werden.
FRIZZ hat sich das Ganze mal angeschaut: Wir stellen an dieser Stelle nicht nur Idee und Konzept, sondern auch den Verein und die Menschen hinter der „Kulturschleuse“ näher vor.
Und dann war sie da, die Idee.
Angefangen hat alles mit einem Dach. Mitte der nuller Jahre muss es ungefähr gewesen sein, da spendierte die Gemeinde Karlstein ihrem alten, schnuckeligen Schleusenhaus ein neues Dach, um so den drohenden Verfall des Gebäudes in einem ersten Schritt aufzuhalten. Und obwohl sich der Karlsteiner Kulturverein erst einige Jahre später offiziell gründet, gilt die Neubedachung als Initialzündung hierfür. Denn einige kulturinteressierte Mitbürger erkannten die Tragweite dieses Vorgangs und stellten erste Überlegungen an, wie man das Gebäude nicht nur davor bewahren kann, irgendwann als morbider Hot-Spot für Lost-Places-Freunde zu dienen, sondern es vielmehr aus dem Schlaf zu wecken und zu sanieren. Potenzial erkennen statt übersehen, wiederbeleben statt Verfall dulden. Die Vision, das Schleusenhaus und sein Gelände irgendwann für kulturelle Zwecke nutzbar zu machen, schwebte da schon als Dunstschleier in den Köpfen und so reifte die Überzeugung, dass ein Verein her muss, um der Idee eine Plattform und den kommenden Schritten einen strukturierten Rahmen zu geben. Ein paar Jährchen hat dieser Prozess in Anspruch genommen, doch Mitte 2015 war es dann endlich soweit. Es folgte die die Gründung des …
… Kulturverein Karlstein e. V.
Es ist zwar erst sechs Jahre her, dass der Kulturverein Karlstein e. V. seine Geburtsstunde erlebte. Und doch wirkt das Zustandekommen der Vereinsgründung in den heutigen Tagen, die von Schwarz-Weiß-Denken, Bashing von Mitmenschen mit anderer Meinung, Cancel-Culture und emotional aufgeheizten Attacken in den sozialen Netzwerken geprägt sind, wie ein kleines Märchen aus einer besseren Zeit. In Karlstein begannen zu dieser Zeit Veranstaltungen und Workshops im Rahmen eines sogenannten „ISEK-Prozesses“ (Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept) und schon bei der ersten Veranstaltung zeichnete sich ab, dass in der Bürgerschaft ein grundsätzliches Interesse besteht, die Wiederbelebung des alten Schleusenwärterhauses voranzutreiben. Im Rahmen dieser „ISEK-Events“ schnackte CSU-Gemeinderatsmitglied Jonas Beck in lockerer Runde mit seinen SPD-Gemeinderatskollegen Susanne Münch und Richard Stumpf und tauschten ihre Gedanken zum alten Schleusenhaus aus. Und zack, gründeten die drei zusammen mit weiteren Begeisterten besagten Kulturverein. In den jeweilig persönlichen Umfeldern werden weitere Mitstreiter gesucht und gefunden, im Verein tummeln sich relativ schnell Musik- und Kunstliebhaber, Kreative und Handwerker, die sich zum Ziel setzen, kulturelle Aktivitäten in Karlstein zu fördern, Veranstaltungen durchzuführen – und irgendwann einmal das Schleusenhaus zu einem multifunktionalen Kulturdomizil für die Einwohner zu machen. Unter den Mitgliedern des Vereins sind auch Namen vertreten, die in der Aschaffenburger Musik-, Gastro- und Kulturszene durchaus bekannt daherkommen: Erik Englert (in Aschaffenburg und Umgebung als Herzblut-Gastronom und Eventler bekannt), Sven Rienecker (Band Ten of a Kind), Markus „Maschause“ Schneider (FRIZZ-Mitarbeiter und stolzer Inhaber eines Bierzapfdiploms, die geneigte Leserschaft erinnert sich …) oder aber auch Andreas „Blocker“ Stumpf (u. a. Cocoon Club, Band Music Monks) sind einige davon. Mit zahlreichen Mitstreitern bringt sich der Verein in das kulturelle Treiben Karlsteins ein, fungiert u. a. als Mitveranstalter des Weihnachtsmarkte und ruft sein eigenes Open-Air ins Leben, das inzwischen weit über die Ortsgrenzen hinaus für Furore sorgt: Das „Schleusenrock-Open-Air“ bringt jedes Jahr viele Menschen aus Nah und Fern bei kühlem Bier, heißen Würstchen, schnellem Metal, erwachsenem Rock und coolen Grooves auf das Festivalgelände am, richtig geraten, Schleusenhaus.

Das Schleusenrock-Open-Air
Wurde im ersten Jahr roundabout 150 Gästen noch der wärmende Mantel aus verzerrten Gitarren und treibenden Drums über die Schultern und die Ohren gelegt, fanden zur letzten Ausgabe vor der Pandemie schon über 500 Zuschauer den Weg ans Großwelzheimer Mainufer. Ihren Beitrag dazu leisteten in der Festivalgeschichte unter anderem Bands wie Blutjungs, Tiger von Äpplerpur, Back from the Grave, Tequila Terminators, Ten of a Kind und Rapid Cycle. Gar nicht auszudenken, wo der Kulturverein in der Zuschauergunst heute stehen würde, hätte nicht das böse C seinen Hammer ausgepackt. Wie dem auch sei, ganz sicher werden in Zukunft auch wieder Mitte September die Kabel in die Instrumente gesteckt – das Mühlberg und das Tsukahara können sich in den nächsten Jahren auf jeden Fall auf was gefasst machen. Unterstützt wird der Verein bei der Organisation und der Umsetzung des Schleusenrocks auch von der Gemeinde, die Erlöse des Festivals (und auch der anderen Aktivitäten) fließen im Übrigen komplett in den Umbau des Schleusenhauses. Apropos Haus, gutes Stichtwort.
Die Kulturschleuse
Bester Zeitpunkt, die Kulturschleuse an sich mal näher unter die Lupe zu nehmen. In enger Absprache und Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Gemeinde Karlstein konzentrieren sich aktuell alle Kräfte des Kulturvereins in den Erhalt des historischen Schleusenwärterhauses sowie dessen Instandsetzung und Umbau zur Kulturschleuse, die dann vom Kulturverein selbst, anderen Vereinen sowie der Ortsbevölkerung genutzt und belebt werden soll. Durch den größtmöglichen Einsatz der drei großen Es, nämlich Energie, Enthusiasmus und Eigenleistung, sollen dabei die Kosten nicht nur minimiert werden – auch gewinnt das Projekt mit jeder eingesetzten Helferstunde massiv an ideellem Wert. Einmal fertig, wird die Kulturschleuse also Treffpunkt und Heimat für Kreative, Musizierende, Kunst- und Kulturschaffende. Nutzungsmöglichkeiten wie Feste, Sommerkino, Biergarten, Familienfeiern, Konzerte, Ausstellungen und nicht zuletzt als Homebase des Schleusenrocks sind dabei nicht nur lose Wunschvorstellungen der Macher, sondern vielmehr der Kern des gesamten Konzepts. Dabei gedeiht dem Gebäude samt umliegendem Grundstück seine Lage zum Vorteil, denn die Kulturschleuse steht außerhalb der Ortsbebauung, so entsteht keine Lärmbelästigung bei Feiern und Konzerten. Und ansonsten erhöht die ruhige Lage am Main den Entspannungsfaktor natürlich auch ungemein.
Lasst uns einfach mal von unten nach oben durch das Gebäude gehen. Das Kellergeschoss soll in Sachen Aufteilung der vorhandenen Räume grundsätzlich im Ist Zustand belassen werden. Lediglich ein paar infrastrukturelle Ergänzungen sind nötig, damit die vorhandenen Räumlichkeiten als Lagerfläche und Proberäume für heimische Bands genutzt werden können. Spart Kosten und bringt viel. Denn gerade Proberäume sind rar gesätes Gut und tragen nicht nur in Karlstein zur aktiven Förderung einer positiven Jugendkultur bei. Isso.
Viel sichtbarer werden die Veränderungen dafür im Erdgeschoss daherkommen. Hier und da weichen ein paar Wände, wohlgeplant und gut durchdacht schafft dies größere Raumfolgen und mehr Licht, was sich positiv auf das Vorhaben auswirken wird, dieses Geschoss für Lesungen, kleine Konzerte, Vorträge und private Feiern in bester Art und Weise nutzbar zu machen. Kostenloses Goodie und unbezahlbarer USP in union on top: eine einzigartige Aussicht auf den Main und den Bootshafen. Grandios!
Auch das Obergeschoss bietet beste Voraussetzungen, um sich nach klug geplanten Umbaumaßnahmen perfekt in das Nutzungskonzept der Kulturschleuse einzugliedern. Denn im OG sollen die Schwerpunkte auf Raum für Vereins- und Jugendarbeit liegen, zudem eigenen sich die Räume auch als Ateliers.
Heimlicher Star der Kulturschleuse ist und bleibt aber der Außenbereich rund um das alte Schleusenwärterhaus. Schon jetzt eignet er sich hervorragend als Festivalground für das Open Air, zukünftig soll er zudem mit Biergartenfläche, Außentheke sowie Spiel- und Erlebnisbereich nicht nur zum Treffpunkt für die Ortsbevölkerung, sondern auch zum attraktiven Stop-Over-Punkt für Radfahrer und Wanderer werden.
Die drei großen Es: Energie, Enthusiasmus & Eigenleistung
Wer jetzt denkt, „die hamm’ sich aber ganz schön was vorgenommen da in Welzem“, der hat garantiert auch Recht. Das ganze „Projekt Kulturschleuse“ gleicht dem Namensvetter mit dem Mammut vornedran. Und doch wird seit geraumer Zeit vom aktiven Stamm des Vereins gleichsam fleißig wie regelmäßig gewerkelt. Im Moment befinden sich die Umbauarbeiten an einem Punkt, an dem externe Fachfirmen mit ihrem Know-How an der ein oder anderen Stelle aufgrund baurechtlicher Gegebenheiten zwingend zum Einsatz kommen müssen – ein Akt, der auch verwaltungsrechtlich in den richtigen Bahnen laufen muss. Durch die Unterstützung und die Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung werden hier aktuell die Hürden genommen und Wege bereitet, damit die anliegenden Punkte zügig erledigt werden können. Bleibt dem harten Kern also in diesen Tagen, hauptsächlich die Außenanlagen mit der vereinseigenen Mischung aus Energie, Enthusiasmus und Eigenleistung zu beackern. Der Samstag als klassischer Vereinsarbeitseinsatztag ist auch in Karlstein fest als solcher verankert und so treffen sich, wann immer es geht, einige wackere Kulturhelden, um Landschaftsbau zu betreiben, Bauschutt zu sortieren und zu entsorgen oder gespendete Sandsteine aus einem Scheunenabriss in Wasserlos vorzusortieren, welche dann wieder als Baumaterial zu Einsatz kommen werden. Und da kann es auch passieren, dass Bürgermeister Peter Kreß auch mal vorbeischaut. Doch nicht, um zu repräsentieren, sondern auch einfach mal mit hinzulangen. Es wird halt einfach gemacht – so lange, bis die Kulturschleuse in der Art und Weise am Start ist, wie sich das einige kulturinteressierte Personen partei- und geplänkelübergreifend vor ein paar Jahren mal so ausgedacht haben. Einfach eine tolle Sache, die zur Nachahmung uneingeschränkt weiterempfohlen werden kann!