Lilli Chapeau – eine Künstlerin, ein Theater, eine Marke und ohne Zweifel ein absolutes Aushängeschild der Kulturregion Bayerischer Untermain. Und doch so viel mehr: Exzeptionell, visionär, hochprofessionell und trotzdem schlichtweg liebenswert und stets von einem feinen Hauch der Revolution umweht. Die Person hinter Lilli Chapeau ist die gebürtige Münchnerin Céline Bauer, die es 1997 nach Miltenberg verschlug, wo sie das gleichnamige Theater gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Clemens gründete.
Die überregionale Bekanntheit erlangte Lilli Chapeau im Anschluss nicht nur durch erstklassige Schauspielkunst und mitreißende Inszenierungen, sondern auch durch die Tatsache, dass die zwei aus einem örtlichen Nachteil ihre Einzigartigkeit definierten: Lilli Chapeau war mit 20 Quadratmetern Grundfläche und maximal 31 buchbaren Besucherplätzen damals das kleinste, professionell betriebene Theater der Welt und wurde demzufolge im November 2009 ins „Guinness-Buch der Rekorde“ aufgenommen. Die Zuschauer kamen dabei beileibe nicht nur aus der nahen Umgebung in die Kreisstadt Miltenberg, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet und den angrenzenden Ländern zog es Theaterfreunde ins „Lilli Chapeau“. Sie alle ließen sich verzaubern vom besonderen Charme dieses Schauspiel-Kleinods und der unübersehbaren Liebe der Theatermacher zum Detail und zur darstellenden Kunst an sich.
So wurden die Besucher beispielsweise trotz der beengten Platzverhältnisse nicht nur im Parkett, sondern auch in der Zaren-, Königs- oder Regieloge platziert und von Lillis ehemaligem Partner während des Abends zudem bestens versorgt.

Céline Bauer a.k.a. Lilli Chapeau wiederum verkörperte an jedem Spieltag und -abend ein ganzes Ensemble. Darstellerin, Regisseurin, Dramaturgin, Choreografin, Tierdompteurin, Maskenbildnerin, Souffleuse, Inspizientin und Pressesprecherin in einer Person. Jede Position von gleicher Leidenschaft und Herzblut erfüllt.
Dass das kleinste professionell betriebene Theater der Welt im Herbst des letzten Jahres seine Pforten für immer geschlossen hat, wäre dementsprechend normalerweise ein hörbarer Donnerschlag weit über die Region hinaus gewesen. So wie es immer ist, wenn eine branchenspezifische Institution von der jeweiligen Landkarte verschwindet. Aber was ist in Zeiten von Pandemie inklusive First-in/Last-out-Perspektive für die Kultur und reihenweise mit politischem Schulterzucken begleiteten, leisem Sterben von Kulturangeboten noch normal? Und so haben sich die Türen des Miltenberger Theaters relativ geräuschlos geschlossen, zudem liegen die Gründe hierfür gar nicht in ausbleibenden Coronahilfen, sondern im privaten Bereich.
Es geht weiter! Und wie!
Und doch wäre Céline Bauer nicht Lilli Chapeau (oder umgekehrt), wenn die ungebremste Leidenschaft für das Schauspiel und die Bühne nicht mit Wucht neue Türen aufschlagen würden. Denn Lilli Chapeau hat eine neue Heimat gefunden, die gar nicht so neu ist: In der Orangerie des Kleinheubacher Schlossparks entsteht gerade das neue Lilli-Chapeau-Theater. An dem Ort, an dem Céline Bauer schon in den vergangenen Jahren ihre Zuschauer über die Sommermonate in einem kleinen Zirkuszelt mit spannenden Inszenierungen und unter Mithilfe ihrer zwischenzeitlich 14 Tiere in eine andere Welt entführte.
Was die Besucher aus nah und fern zukünftig in der Orangerie erwartet und warum wir uns alle schon heute auf die Neuerfindung von Lilli Chapeau freuen dürfen, hat Céline Bauer FRIZZ Das Magazin im Interview verraten.
FRIZZ Das Magazin: Liebe Lilli, zukünftig dürfen wir uns auf zauberhafte Theaterabende in der Orangerie freuen. Wie ist der aktuelle Stand?
Céline Bauer: Es ist soweit fast alles fertig und mein neuer Lebensgefährte und ich hoffen, dass wir direkt starten können, sobald die Politik und meine angeschlagene Gesundheit es wieder zulassen. Die neue Bühne steht, das Stück ist fertig geschrieben und einstudiert, Bella, meine neue vierbeinige Künstlerin, ist voll motiviert, die Kostüme für das Stück sind vollständig, die neue Lichtanlage ist installiert. Wir brauchen nur noch ein paar wenige Endproben, dann können wir direkt loslegen.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei der Umgestaltung der Orangerie zu einem Theater à la Lilli Chapeau zu bewältigen?
Ich bin überglücklich, in diesem erhabenen alten Gebäude auftreten zu dürfen, das schon an und für sich ein wundervolles Ambiente hat. Die Herausforderung lag für uns darin, die sehr persönliche, herzliche und intime Atmosphäre, welche von meinen Zuschauern im kleinen Theater in Miltenberg immer so geschätzt wurde, in dieses große und hohe Gebäude zu übertragen. Dank der Ideen und Initiativen meines neuen Lebenspartners Heiko ist das ganz hervorragend gelungen und ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind vor Weihnachten, wann es denn nun endlich so weit ist und die Premiere starten kann. Allerdings hoffe ich doch sehr stark, dass dies noch lange vor Weihnachten der Fall sein wird (lacht).
Orangerien als Spielorte haben übrigens eine uralte Tradition für Theateraufführungen. Besonders in den Sommermonaten pflegten Könige, Fürsten und andere Schlossherren ihre Festivitäten in den in diesen Monaten ansonsten ungenutzten Orangeriegebäuden abzuhalten. Aktuell warten wir leider noch auf die Genehmigung des Landratsamts Miltenberg, welche hoffentlich bald eingehen wird. Wir mussten leider erneut die kompletten Baupläne neu einreichen lassen und bedanken uns in diesem Zusammenhang auf die wirklich sehr entgegenkommende Unterstützung der Architekten Kubitza und Knapp aus Miltenberg und beim Fürstenhaus von Löwenstein, die uns wirklich immer versuchen zu helfen, soweit dies möglich ist. Auch für die unkomplizierte Hilfe der Gemeinde Kleinheubach sind wir sehr dankbar.
Geplanter Restart: August
Wenn alles glatt läuft – wann können wir uns wieder live von Lilli Chapeau verzaubern lassen?
Tja, da kann man unglücklicherweise noch immer nur gefühlsmäßig schätzen. Aber wir rechnen fest damit, dass wir ab August loslegen können. Eventuell sind vorher schon Veranstaltungen für geschlossene Gesellschaften möglich, bevor wieder ganz öffentlich gespielt werden kann.

Lilli-Chapeau-Theater
Auf welche außergewöhnlichen Theatermomente darf sich das Publikum zukünftig freuen?
Oh ja, in der Tat habe ich viele tolle neue Theaterstücke und Ideen, teils schon fertig, teils noch im Kopf. Selbst jetzt während meines Krankenhausaufenthaltes arbeite ich an neuen Stücken. Die neue Bühne in der Orangerie ist sehr inspirierend für mich, nicht zuletzt auch durch die im Vergleich zu Miltenberg sehr erweiterten künstlerischen Möglichkeiten, die ich dort habe. Ich werde mit „Der Zauberer von Oz“ starten. Dieses Stück wartet schon seit Ostersamstag ungeduldig auf seine Weltpremiere. Es sah eine kurze Zeit lang so aus, als könnte sie an diesem Tag stattfinden, musste dann aber doch kurzfristig wieder abgesagt werden auf Grund des erneuten Lockdowns und der zusätzlichen eingeforderten Unterlagen seitens des Landratsamts. Bei dem neuen Stück handelt es sich zweifellos um eine besondere und denkwürdige, aber auch sehr unterhaltsame Inszenierung – allein schon die Kostüme sind herrlich ungewöhnlich. Dazu kommen natürlich die vielen märchenhaften Rollen, die ich in diesem Stück alle selbst spiele. Einzige Ausnahme: Als Löwe wird ein echtes Raubtier die Bühne betreten, die junge Hündin Bella ist ganz neu in meinem Ensemble und ein hervorragendes Schauspieltalent.
Stichwort „Einzigartigkeit“: Was ist am -neuen Lilli-Chapeau-Theater im Kleinheubacher Schlosspark unverwechselbar?
Das ist mit Sicherheit die Atmosphäre in diesem Gebäude, die das Publikum dort garnatiert verzaubern wird.