Seit 29.3. dieses Jahres ist es amtlich: Aschaffenburg hat einen neuen Oberbürgermeister. In der Stichwahl setzte sich Jürgen Herzing klar mit rund 66 Prozent gegen Jessica Euler durch. Natürlich ist der 59-Jährige kein Unbekannter – bekleidete er bereits seit 2014 das Amt des dritten Bürgermeisters in Aschaffenburg. FRIZZ hat nach rund vier Wochen im neuen „Job“ mit ihm gesprochen.
FRIZZ Das Magazin: Welches ist/war Ihre allererste eigene Maßnahme im neuen Amt des Oberbürgermeisters jenseits des aktuell leider stark in Anspruch genommenen Katastrophenschutzes?
Jürgen Herzing: Der Umzug in mein neues Büro und die Organisation der Abläufe im meinem neuen Umfeld.
Woran erfreuen Sie sich in Ihrem neuen „Job“ am meisten?
Am herzlichen Zuspruch aus der Bevölkerung.
Was bereitet Ihnen schon jetzt Bauschmerzen bzw. wovor ist Ihnen – zumindest ein bisschen – bange?
Bis jetzt noch nichts. Ich habe gelernt, in schwierigen Situationen Entscheidungen zu treffen.
Haben Sie ein „100-Tage-Programm“? Was beinhaltet das beispielsweise?
Die aktuelle Lage erfordert täglich ein Nachjustieren, das übliche 100-Tage-Programm fällt deshalb flach.
Nennen Sie bitte eine Sache, die Sie auf jeden Fall so machen wollen wie Ihr Vorgänger und eine, die Sie verändern wollen.
Wie mein Vorgänger bin ich Referent für den Bereich Kultur. Zu den Veränderungen: Ich prüfe grundsätzlich alle Abläufe, wo Veränderungen notwendig sind und was so weiterlaufen kann wie bisher.
Welche Impulse versprechen Sie sich durch den neuen 3. Bürgermeister, Eric Leiderer?
Mit dem Referat Digitalstrategie, Personalmanagement und zentrale Dienste erhoffe ich mir einen Push in der Digitalisierung auf allen Handlungsfeldern. Dass er von meinem Vorgänger das Personalmanagement mit der Verantwortung für rund 1.000 Mitarbeiter übernimmt, bedeutet für mich eine Entlastung. Ich kann meine Kraft dafür auf andere Tätigkeitsfelder wie den Umweltschutz konzentrieren.
Gibt es neue überregionale Ideen, die Sie – mit Ihrem starken persönlichen Wahlergebnis im Rücken – beispielsweise im Bayerischen Städtetag oder in Ihrer Partei umsetzen wollen?
Aktuell laufen die Vorbereitungen für die konsti-tuierende Sitzung des Bayerischen Städtetages. Hier bin ich in Gesprächen, wo ich meine Kompetenzen am besten einbringen kann. Zusätzlich kann ich mir vorstellen, mich, wie Klaus Herzog, auch, im Verband der Kommunalunternehmen einzubringen.
Was kann die SPD in Bund und Land bzw. in anderen Regionen von der Aschaffenburger SPD lernen in punkto Glaubwürdigkeit, Profil oder Wahlkampfführung? Schließlich hat die SPD AB massiv gegen den „Genossen Trend“ gepunktet (Anm. d. Red.: gut 10% im Vergleich zu bundesweiten Umfragen, gut 15% im Vergleich zum Wahlergebnis bei der bayerischen Kommunalwahl).
Wir hatten eine sehr gut besetzte Stadtratsliste und ein Programm, das zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern ausgearbeitet wurde. Zudem zeigte sich die Partei sehr geschlossen. Zusätzlich waren wir sehr stark in den sozialen Medien präsent. Zusammenfassend: Geschlossenheit und starke, glaubwürdige Persönlichkeiten helfen beim Erfolg.
Inwieweit war/ist Ihnen Ihre berufliche Laufbahn für die Position des „Aschaffenburger Krisenchefs“ in Sachen Coronavirus hilfreich?
Meine verschiedenen beruflichen Ausbildungen, insbesondere bei der Berufsfeuerwehr Frankfurt, waren natürlich beste Voraussetzungen. In den vergangenen sechs Jahren haben wir unseren städtischen Krisenstab intensiv geschult, das kam uns jetzt sehr zugute. Jeder wusste, was er machen muss.
Was waren Ihre ersten Gedanken/Empfindungen, als klar wurde, dass das Coronavirus Aschaffenburg nicht verschonen wird und die erste Welle der Pandemie samt ihrer Auswirkungen genau in ihre heiße Wahlkampfphase und ihre erste Zeit als OB fallen wird?
Wir haben schon Anfang Februar in Aschaffenburg begonnen, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sind damit sehr gut organisiert und vorbereitet in die Krise hineingekommen. Das Referat zu leiten, Wahlkampf zu betreiben und den Krisenstab zu führen, war sehr anstrengend. In den letzten drei Wochen vor der Wahl – beziehungsweise Stichwahl – fand bei mir so gut wie kein Wahlkampf mehr statt. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger stand über dem Ziel, eine Wahl zu gewinnen.
Was fällt Ihnen bei/zu „Belebung der Stadtkultur“ nach bzw. in Zeiten von Corona ein?
Wir versuchen von Seiten der Verwaltung und des Stadtrates alles möglich zu machen, um die Stadtkultur in Krisenzeiten zu beleben. Bis jetzt ist es meiner Meinung nach den Umständen entsprechend sehr gut gelungen.
Welches sind Ihre konkreten Klimaschutzmaßnahmen und -ziele für die nächsten sechs Jahre?
Wir werden den Kurs unserer Nachhaltigkeitsstadt 2020 kontinuierlich weiterführen. Dazu gibt es ein Konzept. Parallel zu den Klimaschutzmaßnahmen arbeiten wir an der Klimaanpassungsstrategie, um unsere Stadt auf die Zukunft vorzubereiten. Wie im Wahlkampf angekündigt, möchte ich unsere Stadtratsbeschlüsse auf die Klimaauswirkungen prüfen lassen. An den Zielen hat sich nichts geändert: Reduzierung des CO2-Ausstoßes und Verminderung des Energieverbrauchs. Ein Schwerpunkt wird auch sein, die Wasserstoffproduktion beziehungsweise -verwendung voranzutreiben.
Welche – zum Teil noch ungenutzten – Chancen sehen Sie in der Zusammenarbeit mit dem Rhein-Main-Gebiet und dem RMV?
Ich habe bereits mit den beiden Landräten aus unseren Nachbarlandkreisen vereinbart, dass wir uns gemeinschaftlich dem RMV nähern wollen. Wir werden bald Gespräche dazu aufnehmen.
Sie wollten das Thema Kultur zur Chefsache machen bzw. es im Amt des Oberbürgermeisters belassen. Was haben Sie sich hier zum Beispiel vorgenommen?
Aschaffenburg wurde unter Oberbürgermeister Klaus Herzog zur Kulturstadt. Dieses Image möchte ich pflegen und weiter ausbauen. Zu Beginn stehen natürlich immer viele Gespräche, aktuell auch aufgrund der Coronasituation, wie es mit der Kultur weitergeht. Noch vor meiner Amtsübernahme wurde ein neuer Kulturamtsleiter ausgewählt, der im kommenden Jahr Burkard Fleckenstein nachfolgt. Mit beiden gemeinsam und natürlich mit den Kulturschaffenden werde ich herausarbeiten, welche Projekte und Details wir weiterhin verfolgen wollen. Renommierte Veranstaltungen – wie zum Beispiel die Kulturtage – möchte ich beibehalten.
Fortschritte in der Digitalisierung war ein wesentliches Ihrer Wahlkampfthemen. Die konstituierende Sitzung des Stadtrats im Livestream am 4.5. wurde beispielsweise fast 6.000 mal aufgerufen. Was planen Sie in Sachen Digitalisierung konkret für Aschaffenburg?
Die Übertragung der konstituierenden Sitzung war ein großer Erfolg. Ich kann mir vorstellen, dass wir auch in Zukunft die Plenumssitzungen übertragen. Wir werden die Auswertung der Übertragung dem Stadtrat noch vorstellen. Ob eine Testphase oder die Übertragung beschlossen wird, obliegt der Öffentlichkeit. Die sozialen Medien sollen stärker eingebunden werden, um Informationen aus dem Rathaus an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen.
Nena, Bono (U2) und Patrick Lindner, sie alle haben mit Ihnen das Geburtsjahr gemeinsam. Mit wem der Drei würden Sie gerne eine Open-Air-Geburtstagsparty auf dem Schloßplatz feiern?
Die Open-Air-Geburtstagsparty möchte ich mit Nena feiern.
Wem drücken Sie die Daumen beim Championsleague-Finale 2032 Eintracht Frankfurt gegen Viktoria Aschaffenburg?
Als Verwaltungsrat der Viktoria Aschaffenburg drücke ich natürlich meinem Heimatverein die Daumen, obwohl ich auch der Eintracht Frankfurt als ehemaliger Berufsfeuerwehrmann in Frankfurt am Main sehr nahestehe. Das Finale gewinnt Viktoria 3:2.
Sie waren/sind bei der Feuerwehr. Sie sind bei der SPD. Was ist eigentlich Ihre Lieblingsfarbe?
Die Antwort ist sehr unspektakulär, ich habe keine Lieblingsfarbe.
Falls noch einer stattfinden sollte: Welchen „Marathon“ wollen Sie dieses Jahr (sportlich gemeint, nicht politisch!) noch laufen?
Im Jahr 2000 bin ich den New-York-City-Marathon gelaufen. Das hatte ich für dieses Jahr wieder geplant. Mein Trainingszustand ist aufgrund der -Coronakrise und der zeitlichen Inanspruchnahme leider nicht hervorragend. Dadurch wird das Projekt Marathon, egal wo, aufs nächstes Jahr verschoben.
Danke für das Gespräch, FRIZZ freut sich auf die kommenden Jahre mit Ihnen an Aschaffenburgs Spitze.