Aus dem kleinen Provinzstädtchen Aschaffenburg in die TV-Metropole Köln, vom comiczeichnenden Schüler ins Redaktionsteam des ZDF Magazin Royale rund um Jan Böhmermann: Miguel Robitzky hat mit seinen gerade einmal 24 Lenzen schon einen bemerkenswerten beruflichen Weg in seine Vita geschweißt.
Beim großen Medien-Branchendienst DWDL wurden fünf Jahre lang seine Beiträge – zuerst satirische Karikaturen zur Medienwelt, später auch Texte – veröffentlicht. Über Stationen bei NEON, Circus HalliGalli und den Comedy-Kultpuppen rund um Wiwaldi ging es für ihn direkt in die Satire-Champions-League und ins Team von Böhmermann. Dort liefert er nicht nur Gags und Inhalte aus dem Off, sondern steht inzwischen auch in schöner Regelmäßigkeit vor der Kamera. Reicht das einem Kreativen bereits? Vielleicht dem ein oder anderen, aber bestimmt nicht Miguel. Erst schuf er zahlreiche Bilder rund um die Abgründe des glitzernden Showbiz, in denen er beliebte Charaktere und Köpfe der Unterhaltungswelt mit ihren persönlichen Schattenseiten und Skandalen in Szene setzte und so die Trennung in Künstler und Werk veranschaulichte. Bill Cosby trifft da auf seine zigfachen Vergewaltigungen, Walt Disney auf seinen Antisemitismus und Homer Simpson genießt stellvertretend für seinen Schöpfer Matt Groening dessen zweifelhafte „Wellness“-Vorlieben. Diese Werke wurden im Januar 2020 in den Räumlichkeiten der Kölner bildundtonfabrik ausgestellt.
Nun ist das erste Buch von Miguel Robitzky erschienen, eine Graphic Novel, die das Leben von Cosa Rara, dem Pferd des Märchenkönigs Ludwig II. In „Mein Leben unter Ludwig II. – Memoiren eines Leibreitpferdes“ wird die ungewöhnliche Freundschaft zwischen beiden aus der Sicht des Pferdes beschrieben und gleichzeitig erfährt der Leser auch weltexklusiv, wie Ludwig wirklich ums Leben kam. Mehr als genug Gründe also, Miguel ein paar Löcher in den Bauch zu fragen.
FRIZZ Das Magazin: Autor, Karikaturist, Humorist, Maler, Puppenspieler – und jüngst hast du dein erstes Buch veröffentlicht. Aus dem Blickwinkel des Durchschnittsbürgers ist das eine ungewöhnlich umfangreiche Vita für einen 24-Jährigen. Empfindest du, als durch und durch kreativer Mensch, diese Liste als „normal“?
Miguel Robitzky: Das klingt alles nach unglaublich vielen unterschiedlichen Berufszweigen, aber tatsächlich ist es so, dass sich diese Bereiche oft überschneiden und gegenseitig befruchten. Eigentlich kann ich nur zwei oder drei Dinge gut, die ich nur oft unterschiedlich miteinander kombiniere. So entsteht der Eindruck.
Als 16-jähriger hast du deine Karikaturen einfach ungefragt verschiedensten Medien und Redaktionen angeboten – der große Medien-Branchendienst DWDL hat zugegriffen und dich in sein Team geholt. Wie ging es danach für dich weiter? Gab es so etwas wie einen Mentor, der dir beim weiteren Weg geholfen hat?
Dann musste ich erst mal fünf Jahre lang eine wöchentliche Karikatur zeichnen. In der Zeit habe ich dann auch angefangen, für DWDL kleine Texte zu schreiben, auf die dann Leute vom Fernsehen aufmerksam geworden sind. So kam ich zu Circus HalliGalli und zum Neo Magazin Royale mit Jan Böhmermann. Dort konnte ich gut lernen, wie es ist, in einer Regelmäßigkeit zu produzieren und was es bedeutet, in einem redaktionellen Alltag zu funktionieren.
Was wäre aus dir geworden, wenn deine Mail damals bei DWDL aus Versehen gelöscht worden wäre?
Gott bewahre, dann hätte ich für den Spiegel arbeiten müssen.
Oft wird behauptet, dass man sich spezialisieren müsse, um weiter zu kommen. Kommt für dich ein solcher Spezialisierungsgedanke überhaupt in Frage? Oder ist es im Kreativbereich eher umgekehrt, dass der Autor in dir den Karikaturisten oder den Puppenspieler sogar benötigt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen?
Die Bereiche sind schon eher voneinander abhängig, als dass sie sich gegenseitig im Weg stünden. Wenn man eine Figur zeichnet, die etwas lustiges sagen soll, ist es hilfreich, wenn man das schreiben kann. Und umgekehrt entstehen Figuren oft durch eine Geschichte, die man zuerst geschrieben hat. Meistens beginne ich mit der Recherche und dem Schreiben. Die ersten Ideen entstehen durch Witze, die mir einfallen. Meistens landen die ersten Witze aber nicht im Endprodukt, weil sich im Laufe des Prozesses alles ändert und es manchmal nicht mehr passt. Gute Witze streichen … Eine schmerzhafte Angelegenheit.
Gibt es für dich so etwas wie die „Angst vor dem weißen Blatt“, sprich einer Blockade beim Schreiben, Zeichnen etc.?
Aber selbstverständlich. Wer behauptet, dass es das nicht gibt, der lügt. Aber man kann sich Übungen antrainieren, dieses Gefühl auszustellen. Ein schlechter Text ist immer noch besser als gar kein Text, habe ich mal irgendwo gelesen. Es hilft, wenn man in einem ständigen Training ist und Sachen testen und wieder verwerfen kann. Dafür ist Twitter großartig.
Mit „Mein Leben unter Ludwig II.: Memoiren eines Leibreitpferdes“ ist deine erste Graphic-Novel im Rowohlt-Verlag erschienen. Da drängt sich die Frage auf: Wie kommt man auf die Idee, eine Novelle aus der Sicht eines Pferdes zu schreiben?
Ich habe in einem nächtlichen Wikipedia-Rausch die wahnsinnige Geschichte von König Ludwig II. entdeckt und war davon obsessed. Ich habe weiter recherchiert und ein Gemälde von seinem Lieblingspferd gefunden, auf dem es an einem gedeckten Tisch sitzt und Steak isst und Wein trinkt. Daraufhin habe ich weiter recherchiert und wir sind auf die echten Memoiren des Pferdes gestoßen. Ist doch wohl klar.
Wie oft hast du die vorherige Frage bislang schon beantworten müssen?
Heute bereits drei Mal. Dabei ist es doch so offensichtlich.
Müssen nach den Memoiren von Cosa Rara nun eigentlich auch alle Geschichtsbücher neu geschrieben werden? Schließlich soll das Buch ja darüber aufklären, wie Ludwig II. wirklich starb?
Sie wurden ja mit der Veröffentlichung der Graphic Novel bereits neu geschrieben. Wir erhalten durch Cosa Rara einen einmalig intimen Blick auf den bayerischen Monarchen. Wer die Wahrheit wissen will, muss dieses Buch lesen.
Was sagst du eigentlich zum Vorwurf deines Herausgebers Prof. Dr. Fußnoté, dass eine Graphic Novel nur ein anderer Begriff für einen Comic für Leute mit Hochschulreife ist?
Es wäre unprofessionell, mich öffentlich mit meinem Herausgeber anzulegen. Nur so viel: Prof. Dr. Fußnoté ist ein Akademiker, der das Medium Comic generell aus intellektuellen Gründen ablehnt. Das hat in Deutschland lange Tradition. Prof. Dr. Fußnoté stellt sich zu vielen anderen Literaturkritikern in eine Reihe wie etwa Thea Dorn. Sie verschließen sich einem ganzen Genre. Für mich sind die Übergänge von Comic zu Graphic Novel fließend. Sie haben aber eine wichtige Sache gemeinsam: Comics sind ein Medium für Außenseiter. Also eigentlich was für jeden.
Wir gehen ja alle davon aus, dass dein Buch auf lange Sicht nicht von der Spitze der Verkaufscharts zu verdrängen sein wird. Hast du schon Pläne für ein neues Projekt oder wirst du dich erst mal ausgiebig auf dem Erfolg ausruhen?
Meine Hauptarbeit wird sich erst mal weiter aufs Fernsehen konzentrieren. Ob noch einmal eine Graphic Novel herauskommt, weiß ich noch nicht. Gerade ist Hape Kerkeling mit seinem Buch über Katzen ganz oben auf den Bestsellerlisten. Vielleicht kann ich einen Comic aus der Sicht seiner Katzen machen.
Vielen Dank für das Einblick gebende Interview.
Miguel Robitzky;
Mein Leben unter Ludwig II.
Memoiren eines Leibreitpferdes.
Eine Graphic Novel über einen der wirklich Großen des 19. Jahrhunderts
Rowohlt Taschenbuch, 292 Seiten;
ISBN: 978-3-499-00490-2