Kürzlich meinte eine Kollegin, ob ich nicht mal was über „Verifizierungscodes“ und die Anforderung, die eigene Identität permanent selbst bei einfachsten Transaktionen sicher bestätigen und beglaubigen zu müssen, schreiben mag. Das war jetzt ein langer Satz zum Auftakt. Aber das Thema ist so scheiße nicht und sicherlich ein guter Aufhänger. Dachte ich zunächst bei mir. Denn ich glaube, wir Deutschen nehmen das Thema „Verifizierung“ sehr genau. Ähnlich wie wir den Datenschutz äußerst gründlich interpretieren und besser mal überhaupt nichts aktiv unternehmen, bevor wir am Ende noch gegen die strengen Datenrichtlinien verstoßen.
Doch ich bin mal ehrlich, Herr Pfarrer, manchmal bin ich doch etwas ambivalent. Also nicht, was das Glas Bitburger betrifft.
Der Datenschutz ist den Deutschen mittlerweile so heilig geworden, wie der Buckingham Palace für die Engländer ist. Also immens wichtig, auch so nationalstolzmäßig. Keine Innovation gestartet, aber Hauptsache den Datenschutz eingehalten. Das ist neuerdings Made in Germany. Wenigstens gründlich geht das Land zugrunde. Darauf ein schönes Glas Bitburger. Ach, wie lecker. Doch ich bin mal ehrlich, Herr Pfarrer, manchmal bin ich doch etwas ambivalent. Also nicht, was das Glas Bitburger betrifft. Das trinke ich nämlich gar nicht, weil ich kein Bitburger mag. Aber zumindest beim Verifizieren. Denn ich kapiere mit meinem einfachen Gemüt eh nicht immer so ganz, was alles tatsächlich mit meinen Daten und meiner Identität passieren kann, wenn wir ratzfatz das Verifizieren einstellen würden. Ich muss aber gleichermaßen festhalten: Ständig Validierungscodes in den Zwischenspeicher packen, mühevolle zwei Faktor-Erkennung durchführen, PINs per Post bei Bundesstellen anfordern und Zweiwochenfristen einhalten, weil sonst alles abgelaufen ist und der Zirkus von vorne beginnt, strengt mich auch unangenehm an. Da lob ich mir doch den gepflegten Fingerabdruck bei Apple und hoffe inständig, dass mir niemand unbemerkt den Daumen absägt und eh ich mich versehe über Nacht mein Konto via Paypal leerräumt.
Und ich frage im November mal in die Runde, ob denn alle mittlerweile endlich ordentlich ausgenüchtert sind.
Ok? Also das Thema Verifizierung, Validierung und Sicherheits-Codes damit fürs erste abgehakt? Dagegen beschäftigt mich momentan fast noch stärker die „Oktoberfestisierung“ dieses Landes. Und ich frage im November mal in die Runde, ob denn alle mittlerweile endlich ordentlich ausgenüchtert sind. Und die Krachlederne samt dem frisch vom Discounter erworbenen Dirndl gut im Keller verstaut liegen? Ein letztes „Oans, Zwoa, Gsuffa“ im Ohr und drei Bier im Tragerl als Andenken im Kühli gelagert? Wenn die Sehnsucht nochmal groß wird? Meine Irritation ist nämlich, dass klammheimlich mit den Jahren nahezu überall im Land der letzte Piefke begann, ein Oktoberfest zu veranstalten. Selbst in der Hamburger Fischauktionshalle herrschte an drei Wochenende angeblich eine „typisch bayrische Wiesn-Atmosphäre“. Leute aus allen Bundesländern außerhalb Bayerns, hat Euch denn jemand ins Gehirn geschissen? Was soll denn dieser hanebüchene Bockmist. Als ob ihr keine eigenen schönen Feste und Traditionen zu feiern hättet. Grüne-Soße-Fest, Fischmarkt-Trubel oder Riesling-Ernte in der Pfalz. Was weiß denn ich, was alles möglich ist und zu feiern geht. Diesem Land mag der Föderalismus derzeit oft genug erschwerend vor die Füße fallen, aber ein Reichtum von Nordsee bis zu den Alpen ist sicherlich die große kulturelle Vielfalt dieser Republik. Überall gibt es Bier und besondere Schmankerl. Ein herbes Flensburger-Pils und Grünkohl mit Pinkel ganz im Norden, Spundekäs und Fasching in Mainz, Spätzle und Sparsamkeit in Schwaben. Aber statt eigene Tradition zu hegen und zu pflegen, stehen mir plötzlich mitten im Trubel vor einem Heimspiel der Eintracht waschechte Frankfurter mit einer Lederhose gegenüber und stemmen die Maß Bier, als ob es kein Morgen gäbe. Freunde, hier bräuchte es aber mal ganz dringend eine Sache, nämlich einen Verifizierungscode für echte Münchner. Gerne mit PIN zum Entsperren und eine Zweifaktoridentifizierung zum Schutz vor kultureller Aneignung. Schnell einen Sechser-Bembel und eine schöne Portion Handkäs mit Musik! Das darf doch alles nicht wahr sein!