Stefanie Fröhlich
Hugo, Heiner, Hannes. So unterschiedlich die Namen potenzieller Mitbewohner sein können, so vielfältig können auch deren Eigenschaften sein. Während Hugo beflissen jedem Staubkörnchen hinterherbohnert, sehen Heiner und Hannes den Dreck erst,wenn sich schon Wollmauskolonien zusammengerottet haben.Stefanie Fröhlichs Mitbewohner trägt den Namen BRCA1-Mutation und ist kein lustiger Saugroboter oder ein Abklatsch von Alexa, sondern ein gnadenloser Gendefekt, der der 39-Jährigen nicht nur die Amputation beider Brüste abverlangte.
Das Risiko einer Frau mit mutiertem BRCA1-Gen, an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei 50–80 Prozent. Eine von ihnen ist die Waldaschafferin Stefanie Fröhlich. Aufgrund einer immensen erblichen Vorbelastung war der Friseurmeisterin früh klar, was ihr bevorstehen kann. „Alle Familienmitglieder, die vom Gendefekt wussten, sind auch an Brustkrebs erkrankt“, erklärt die Mutter zweier Söhne. Regelmäßige Kontrollen waren selbstverständlich, bis sich die zierliche Frau für die Flucht nach vorne entschied: Die Entfernung des kompletten Brustgewebes mit anschließendem Wiederaufbau. Gleich dem Weg, den auch Angelina Jolie medienwirksam beschritt.
Ein Spaziergang im Vergleich zu dem schwarzen Nichts, das sich für Steffi an ihrem 35. Geburtstag im Jahr 2013 auftun sollte. Diagnose Brustkrebs. Triple negativ. Extrem aggressiv, schwer behandelbar. Eine Zufallsdiagnose. Die letzte Kontrolle? Erst ein halbes Jahr her. Die Idee einer vorsorglichen Entfernung risikoreichen Gewebes? Hinfällig. Ab jetzt alles auf Autopilot: „Man funktioniert nur noch“, erinnert sich die Waldaschafferin. „Bis dato ging es mir gut, ich hatte keinerlei Beschwerden.“ Die erste Chemotherapie musste Steffi im Oktober 2013 über sich ergehen lassen. 15 sollten folgen. Dazu 29 Bestrahlungen, die Amputation beider Brüste und die Entfernung der Eierstöcke. „Der absolute Supergau für meinen Körper“, der die Patientin mit Mitte 30 von heute auf morgen in die Wechseljahre stürzte. Die Aussichten? 20 Prozent, die anschließenden drei Jahre zu überleben.
Doch Steffi erwies sich als zähe Kontrahentin. Im Januar 2015 begann die „Zeit danach“: „Ich musste mein Leben komplett überdenken. Die wirkliche Arbeit beginnt nämlich erst nach der Behandlung“, erklärt die 39-Jährige. Schrittweise zurück in einen Alltag, in den Beruf, ins familiäre Gefüge. Den Kindern die Verlustängste nehmen und den eigenen Körper wieder annehmen. „Ich habe einen hohen Preis bezahlt, aber ich wollte leben“, so Stefanie. Und noch etwas will sie: Etwas zurückgeben. Anderen unter die Arme greifen. Gutes tun. Und so fiel vor fast genau einem Jahr der Startschuss für die Gründung von #Herzmensch e.V., seit Ende April 2017 ist der 30 Mitglieder zählende Verein als gemeinnützig anerkannt. Mit ihrem Blog „Mein Leben mit Brustkrebs – Tausche Brüste gegen Leben“ möchte Steffi „das Tabu Krebs brechen, aufklären und Ängste nehmen“ und als erste Vereinsvorsitzende gleichzeitig Eltern mit schwerstkranken Kindern oder Personen, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen konfrontiert werden, helfen. Denjenigen, denen das Schicksal so unerbittlich mitgespielt hat, dass sie weder ein noch aus wissen.
Deshalb sammeln die Herzmenschen Spenden – auch dank liebevoller Handarbeiten wie Schutzengelboxen oder -steinen. Momentan für den unheilbar an spinaler Muskelatrophie erkrankten Samuel (2), Hannah (1), deren Großhirn bei einem Schlaganfall im Mutterleib zerstört wurde (beide aus Waldaschaff), die Nürnbergerin Lina (7), die mit einem unheilbaren Gehirntumor leben muss sowie für das Wiesbadener Kinderhospiz Bärenherz. „Niemand ist jemals arm geworden, wenn er von Herzen gegeben hat“, erklärt Stefanie und verrät abschließend noch, dass sie demnächst als Autorin für Wirbel sorgt: „Danke, Krebs, du Arschloch!“ erscheint Mitte Dezember und zeigt dann schwarz auf weiß, wie viel Lebensmut sie ihrem gnadenlosen Mitbewohner doch entgegenzusetzen hat.
Die Herzmenschen präsentierten ihren Verein: Sa., 16. & So., 17.12.; Weihnachtsmarkt, Waldaschaff