Meine Güte! Schule zu, Schule auf. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Erst laut geschrien „Macht die Hütte auf. Aber rucki zucki!“, sind jetzt alle verdutzt, bei so viel Viren-Rotation im Vollbetrieb. Aber erinnert sich eigentlich noch jemand an den Start des großen Lehrer-Bashings in 2020? Irgendwann zwischen Lockdown und Sommerferien? Seit dieser Zeit sind die Lehrer die übelsten Vögel im Land. Nicht der Bänker, dessen Gehalt ich jetzt mit einer Kontoführungsgebühr bezahle. Zum Dank, dass ich überhaupt Geld – für einen feuchten Furz an Rendite – auf der Bank liegen habe. Nicht der Makler, der Häuser im Bieterverfahren zu horrenden Preisen verhökert. Und den Extrabonus im Hosensäckel verschwinden lässt. No Way. Wo denkste hin? Die Lehrer waren es plötzlich. Immer faul, dauernd Ferien und auch sonst nix zu tun. Von Digitalisierung keinen blassen Dunst, in der ersten Corona-Welle blitzschnell vom Acker gemacht und für alles noch ein Gehalt wie der Finanzdirektor Bullerbach bezogen. Natürlich. Es gibt schlechte und träge Lehrer. Aber es gibt üble und emsige Metzger, ehrliche Versicherungsmakler und unfreundliche Rewe-Marktleiter. Nur die Lehrer waren auf einen Schlag die unfähigsten Schwachköpfe. Unflexibel, überbezahlt, technisch unterbelichtet, ängstlich und sonst fällt mir gerade nichts mehr ein. Ja, ihr Hanswürste, habt ihr noch alle Latten am Zaun? Kaum war die Schule dicht, wurde an allen Ecken gejammert. Lautes Klagen wie schwer das Unterrichten und wie blöd doch das eigene Balg ist. Gute Gags gingen viral steil, aber irgendwann kippte die Chose. Los ging der Chor: Was bildet ihr euch überhaupt ein? Macht euch ab in die Schule, verkürzt die Sommerferien, verlängert die Winterferien! Hört auf zu jammern und wehe, ihr macht das noch mal! Haltet mal schön die Stellung in euren Klassenzimmern. Bei geöffneten Fenstern, mit Mundschutz und kaputter Heizung, ohne Warmwasser und WLAN. Nur mal so: Ich bin kein Lehrer. Und – ganz ehrlich – ich möchte auch keiner sein. In einem notorisch unterfinanzierten Bildungswesen, mit einem PC und einem defekten Drucker für 20 Klassen, Kommunikationswegen nur über die private Mailadresse und trotzdem voller Bürokratie und wachsender Anforderungen. Von den ganzen Schlaubergern, die da jetzt die Klappe aufreißen, würde keiner vier Lehrerwochen an einer deutschen Gesamtschule aushalten. Top, die Wette gilt, Herr Plasberg! OK. Lehrer haben ein paar schwierige Eigenschaften. Sie jammern gerne, wie viel sie eigentlich zu tun haben. Sie müssen gefühlt immer irgendwas vorbereiten oder korrigieren. Und wenn sie sich auf Partys treffen, reden sie den ganzen Abend nur über Lehrer-Kram und tauschen Schoten aus, die nur sie selbst witzig finden. Aber what the Fuck! Sie müssen ja der ganzen Brut einer bildungsfernen, verblendeten oder überheblichen Elternschaft tagein, tagaus beibiegen, wie das Leben da draußen wirklich ist. Dass ein vernünftiger deutscher Satz auch in Zeiten von Snapchat nützlich ist und sogar die Grundrechenarten eher helfen als schaden. Dafür bekommen sie ordentlich Geld. Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel. Marc Terenzi lässt grüßen. Es darf sicherlich gefragt werden, warum Gymnasiallehrer deutlich mehr Kohle für weniger Stunden bekommen als beispielsweise Grundschullehrerinnen. Darüber kann gerne diskutiert werden. Andere Länder handhaben das nämlich anders. Aber einen ganzen Berufsstand plötzlich anzuprangern, ist reichlich unpassend. Denn neben Krankenschwestern, Kassierern, Sozialarbeitern und ein paar anderen standen die nämlich zuletzt tatsächlich mitten im Geschehen. Jeden Tag. Also von meiner Seite mal Dankeschön! Und an den Rest: Klappe halten im Home-Office!
Geht aufs Haus 12|2020
Ralph Rußmann steht zur Seite.