Die Technische Hochschule in Aschaffenburg wird dieses Jahr 27 und ist damit – wie man so schön sagt – im besten gebärfähigen Alter. Und tatsächlich hat die TH Nachwuchs in Aussicht gestellt: Ab kommendem Herbst gibt es einen neuen Studiengang: „Hebammenkunde“.
Doch damit nicht genug, der Bachelorstudiengang ist auch an einer neuen Fakultät angesiedelt: „Gesundheitswissenschaften“ befindet sich derzeit in Gründung. FRIZZ Das Magazin sprach mit Christina Maria Eker, zuständig für Studiengangsentwicklung und –organisation, über das neue Baby der Hochschule.
FRIZZ Das Magazin: Hebammenkunde an der TH klingt überraschend. Wie kam es dazu?
Christina Maria Eker: Zum 1.1.2020 ist das Hebammenreformgesetz in Deutschland in Kraft getreten. Es soll dazu beitragen, den wachsenden Anforderungen der Geburtshilfe gerecht zu werden. Kern des Gesetzes ist die Auflage, dass die Hebammenausbildung akademisiert wird. Bisher war es eine staatliche Ausbildung wie beispielsweise die von medizinischem Pflegepersonal. Das neue Gesetz, das übrigens auf einer EU-Richtlinie von 2005 basiert und damit europaweit gilt, macht die Ausbildung der zukünftigen Hebammen an Hochschulen zur Pflicht. Wir haben uns mit dem Standort Aschaffenburg beworben, um einen Beitrag zu leisten, die Hebammenversorgung am Bayerischen Untermain sicherzustellen. Mit dem Studium der Hebammenkunde in Aschaffenburg können wir dem Hebammen-Mangel entgegenwirken. Die ersten Absolventen werden dann mit einer staatlichen Prüfung und einem Bachelor of Science abschließen sowie die Berufszulassung „Hebamme“ erhalten. Das Niveau der Ausbildung wird also steigen.
Warum die Änderung? Gibt es hier wesentliche Unterschiede zum „normalen“ Pflegepersonal?
Hebammen arbeiten sehr selbständig und haben damit auch ein Höchstmaß an Verantwortung. Eine Geburt im Krankenhaus darf beispielsweise ohne Arzt stattfinden, nicht aber ohne Hebamme. Man darf nicht vergessen, dass eine Hebamme damit gleich die Verantwortung für zwei Leben trägt.
Was verändert sich für zukünftige Hebammen?
Die bisherige Ausbildung dauerte drei Jahre und fand in der Hebammenschule bzw. im Krankenhaus statt. Durch die Akademisierung hat sich die Zeit etwas verlängert. Wir planen mit sieben Semestern bis zum Abschluss. Wichtig ist, dass es sich dabei um einen dualen praxisintegrierenden Studiengang handelt. Das bedeutet: Die angehenden Hebammen haben einen Arbeitsvertrag mit einem Kooperationspartner. Wenn sie nicht an der Hochschule sind, arbeiten sie also ganz normal – mit ca. 30 Tagen Urlaub. Die Studierenden erhalten entsprechend eine Vergütung, welches über der bisherigen Ausbildungsvergütung liegt.
Wo findet der praktische Teil des Studiums statt? Wer sind die Kooperationspartner?
Es gibt drei Lernorte: Die theoretischen Kenntnisse werden natürlich bei uns auf dem Campus an der TH vermittelt. Die praktische Ausbildung erfolgt bei einem der Kooperationspartner, also u. a. dem Klinikum Aschaffenburg-Alzenau und weiteren Kliniken aus der Umgebung. Um die Verknüpfung von Theorie und Praxis noch enger zu gestalten, entsteht derzeit auf dem Campus ein mit modernster Technik und Simulationspuppen ausgestattetes Skills-Lab, in dem sich die unterschiedlichen Betreuungssituationen der beruflichen Praxis einer Hebamme realitätsnah simulieren lassen. Hier können die Studierenden spezifische Fertigkeiten und Fähigkeiten einer Hebamme praktisch erlernen, üben und beobachten.
Wie läuft das Studium ab?
Der Studienverlaufsplan sieht sieben Semester vor, wobei in jedem der ersten sechs Semester auch Praxisblöcke bei den Kooperationspartnern eingeplant sind. Im sechsten Semester findet dann die staatliche Prüfung statt. Im Studium werden die Module Hebammenkunde, wie Physiologie und Pathologie von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit vermittelt. Außerdem gibt es Lehrveranstaltungen aus den Bereichen der Medizin- und Gesundheitswissenschaften. Darüber hinaus werden wissenschaftliche Kompetenzen vermittelt. Auch Psychologie und Recht sind Themen der Ausbildung. Ergänzend dazu bieten wir Wahlmodule mit den Schwerpunkten Digitalisierung im Gesundheitswesen oder auch Internationalisierung an. Ein Auslandssemester ist für die angehenden Hebammen zudem möglich. Am Ende des Studiums steht die Erstellung der Bachelor-Arbeit.
Was muss man mitbringen, um sich für einen Studienplatz zu bewerben?
Man benötigt eine Hochschulzugangsberechtigung, also i. d. R. eine zwölfjährige Schulausbildung mit abgeschlossenem Abitur oder Fachabitur. Im Einzelfall kann auch eine Ausbildung in einem Pflegeberuf mit entsprechender dreijähriger Berufserfahrung ausreichen. Dies können wir im Einzelfall gerne prüfen. Des weiteren sind ein Gesundheitszeugnis und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis für die Zulassung vorgeschrieben. Wer sich aus dem Ausland bewirbt, benötigt außerdem Deutschkenntnisse auf dem Level C1.
Wie läuft der Bewerbungsprozess ab?
Die Bewerbungsphase beginnt am 2.5.. Interessierte können sich online bei der TH anmelden und dabei angeben, bei welchem Kooperationspartner sie priorisiert den praktischen Teil absolvieren möchten. Wir prüfen die Berechtigung zum Studiengang und leiten die Bewerbung dann an den gewünschten Kooperationspartner, also eine der Kliniken, weiter. Diese führen Bewerbungsgespräche und erteilen die Zu- bzw. Absagen. Sie schließen mit den angehenden Studierenden dann einen Arbeitsvertrag ab. Dieser muss direkt nach Unterschrift im Bewerbungsportal an uns übermittelt werden, denn er ist gleichzeitig die Voraussetzung für die Immatrikulation und den Studienbeginn im Herbst. Übrigens: Auch wenn der Studiengang „Hebammenkunde“ heißt – Männer sind ebenfalls herzlich willkommen!
Mit wie vielen Studierenden rechnen Sie?
Wir planen mit 25 bis 30 Studienplätzen pro Jahr. Grundsätzlich ist es ein Studiengang ohne Zulassungsbeschränkung, aber ohne Vertrag mit einem unserer Kooperationspartner dürfen wir keinen Platz anbieten. Wir gehen davon aus, dass wir Bewerbungen aus dem gesamten Bundesgebiet erhalten – uns liegen bereits sehr viele Anfragen vor, da es sich um einen sehr beliebten Studiengang handelt, der nicht überall angeboten wird. In Bayern sind es nur sieben bis acht Standorte.
Was macht aus Ihrer Sicht die Faszination des Hebammenberufs aus?
Es ist ein originäres Handwerk, welches nun wissenschaftliche Bezüge erhält. Somit sind Hebammen Experten für die Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit, Familienwerdung bis zum ersten Lebensjahr des Kindes. Sie können eine wichtige Phase im Leben von Familien intensiv begleiten. Zudem dürfen sie sehr selbstständig arbeiten und viel Verantwortung tragen.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg mit dem „neuen Baby“!