2010 erblickte die erste Idee zu den Aloha Tiki Boards bei Holger Bollmann – Schreiner und passionierter Freizeitfahrer – das Licht der Welt. Es folgten Jahre intensiver Entwicklungsarbeit und nachdem Holger 2013 den Mitstreiter Max Sistenich – Maschinenbauer und Stabilitätsexperte – ins Boot holte, kam das Projekt so richtig ins Rollen. Sie verbanden ihr jeweils ausgereiftes Knowhow miteinander und setzten den ersten fahrtüchtigen Prototypen in die Tat um. Über die Jahre machten sie dann immer weiter Fortschritte bei Form, Ergonomik und Fahrgefühl …
Bereits beim Betreten von Holger Bollmanns Zuhause wird die Affinität für hawaiianische und polynesische Kunst, Kultur und Lebensphilosophie deutlich: Freiheit, Naturverbundenheit und die unbeschwerte Leichtigkeit des Seins. Werte, die Holger auch mit Longboards und deren passionierter Herstellung in Verbindung bringt. Wir bewegen uns eine schmale Wendeltreppe hinunter in den kühlen Keller. Die Tür geht auf und wir befinden uns in der Kreativhöhle des gelernten und seit 25 Jahren in der Branche tätigen Schreiners. Hinter einer Retro-Couch befindet sich ein gespraytes Kunstwerk. Auf der gegenüberliegenden Seite hängen diverse Bretter und spiegeln die Geschichte, Entwicklung und den persönlichen handwerklichen Fortschritt von Bollmann und Sistenich wider. Mit dabei: Der erste Prototyp bis hin zum aktuellen Entwicklungsstand mit wohldurchdachten Formungen, Ausfräsungen und schicken Lasergravuren auf der Unterseite.

© Till Benzin
Aloha Tiki Boards
In einem kleinen Nebenraum befindet sich seine Heimwerkstatt.In diesen Räumlichkeiten finden der Kontakt mit den Kunden, die kreative Arbeit, das Leimen und der künstlerische Feinschliff statt. Aktuell werden hauptsächlich kanadisches Ahorn- und Buchenfurnier in einer überlappenden Längs- sowie Quermultiplextechnik miteinander verbunden, um eine ausgetüftelte Balance zwischen Stabilität und Flexibilität gewährleisten zu können. Als unterste und sichtbare Schicht dürfen sich die Kunden eine zusätzliche Edelholzart aussuchen, die nach Index für die Verwendung erlaubt ist. Auch im Druckkessel eingefärbte Schichten seien vor allem in der Mitte des Boards als colorierter Akzent sehr beliebt.
Nach der handwerklichen Vorarbeit geht Holger mit dem verleimten Brett und der Form in den Familienbetrieb, in dem er seiner hauptberuflichen Tätigkeit nachgeht und steckt diese für zwölf Stunden in die Presse. Anschließend sägt er die finale Struktur grob aus, verfeinert sie per Schliff und bohrt präzise die Löcher zur Befestigung der Achsen. Nachdem das Griptape und die restlichen Komponenten angebracht wurden, können die Kunden ihr voll und ganz nach individuellen Wünschen personalisiertes Aloha Tiki Board in Empfang nehmen.

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Aloha Tiki Boards
FRIZZ Das Magazin: Woher kommt der Name Aloha Tiki Boards?
Holger Bollmann: Der Name kommt eigentlich aus Hawaii. Die Idee, die Firma so zu nennen, kam durch meine Tätowierung. Dass dieser Lifestyle rüberkommt – Freiheit, Surfen, Vanflife, Skaten. Den hawaiianischen Flair mitrüberzubringen, zu machen, was man möchte.
Was ist die genaue Übersetzung dafür?
HB: „Aloha“ ist tatsächlich die Begrüßung. „Tiki“ kommt eigentlich von den Maoris. Das sind Figuren und Masken von heiligen Geistern, die als Statue dargestellt werden. Es sind Götterdarstellungen, die aus Holz geschnitzt werden und sind – als Vergleich – so ähnlich wie das Kreuz bei der katholischen Kirche. Das ist auch das Motiv von meinem Tattoo und kann ebenfalls als Logo auf unseren Boards drauf sein.
Wie kam die Idee, das Projekt mit der Herstellung von eigenen Brettern umzusetzen?
HB: Ich war in einem Laden in Wertheim. Dort wollte jemand ein Longboard kaufen, hat aber keines gefunden, das ihm gefiel und hat sich notgedrungen mit einem vorrätigen zufriedengeben müssen. Da kam mir die Idee, dass man das Ganze personalisieren muss. Man muss das Brett so gestalten, wie der Kunde es haben möchte. Da kommen so Fragen auf wie: Will der Interessent eine farbige Lage dabei haben? Ich lasere auch Bilder von Kunden ins Brett ein, sodass er ein Brett bekommt, das so nur ein Mal auf der Welt existiert. Es ist mir ganz wichtig, dass es nicht von der Stange kommt – keine Industrieprodukte aus Übersee oder Fernost. Qualität und die absolute Zufriedenheit der Kunden sind für mich das A und O. Das Finanzielle ist für mich nebensächlich. Natürlich muss was hängen bleiben, aber mir geht es darum, die Kunden glücklich zu machen und gut zu informieren. Sie kommen zur Beratung zu mir und dann klären wir alles von Anfang bis Ende gemeinsam ab. Welche Achsen und Rollen gebraucht werden, welche Art von Longboarding betrieben wird. Das ist mein Ziel.

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Aloha Tiki Boards
Welche berufliche Expertise bringt ihr mit ins Projekt?
HB: Ich bin gelernter Schreiner. Ich arbeite bei der Firma Heinrich Bollmann, die meinem Vater gehört. Dadurch habe ich auch die Möglichkeiten, die Werkstatt zu nutzen: zu pressen, zu schneiden, zu schleifen. Mein Kollege Max Sistenich ist Maschinenbauingenieur und Fahrradkonstrukteur, arbeitet für ROSE Bikes GmbH und konzipiert dort Enduro- und Downhillräder. Das ergänzt sich sehr gut. Er hat das technische Wissen, wie man eine stabile und flexible Form am Computer plant. Meine Freunde und meine Crew, mit der ich selbst fahre, bringen die Grundideen als Zeichnungen zu Max, der es am PC umsetzt. Dann tüfteln wir noch gemeinsam an der Form bis sie fahrbereit ist. Die Daten bringen wir zu Modellbau Fischer, die die Pressform präzise Fräsen. Und dann geht’s hier in der Kreativhöhle los mit dem Zusammensetzen des Furniers und danach in die Werkstatt.
Wie funktioniert der Kundenkontakt bei dir?
HB: Der Kundenkontakt entsteht in erster Linie auf dem Skateplatz. Wenn ich mich zum Fahren auf den Weg mache, nehme ich natürlich immer meinen Stuff mit. Ich biete auch Longboardkurse an – meistens in Nilkheim am Pumptrack (Neubaugebiet Anwandeweg) und direkt daneben. Ich bewerbe das auf Social Media. Oftmals sind es Eltern, deren Kids fahren lernen wollen. Ich erkläre erstmal die grundlegenden Sachen – wie man richtig steht und pusht. Mit den Fortgeschrittenen geht’s auf den Pumptrack. Ich fahre auch auf viele Skateveranstaltungen und habe dort meinen eigenen Stand. Das ist ähnlich wie Klinkenputzen. Wenn man nicht rausgeht und sich präsentiert, wird man auch nicht wahrgenommen. Eine neue Marke muss sich erstmal etablieren und aktiv beworben werden. Ich lasse die Leute gerne probefahren, wenn sie mich irgendwo treffen. Und natürlich über die Internetseite. Man darf mich auch gerne anrufen und einen Termin ausmachen, um die Optionen zu zeigen. Man bekommt bei mir ein Rundumsorglospaket.
Wie unterscheiden sich eure Bretter von den großen Herstellern?
HB: Sie sind handwerklich in Deutschland hergestellt. Sie sind mit viel Liebe auf den Kunden personalisiert und zugearbeitet. Ihr seht es auch hier an meiner Wand. Ich bringe das Flair und den Style der 70er-Jahre in die Boards. Ich arbeite ein Stück meiner Seele in das Brett ein. Das Design unserer Produkte unterscheidet sich auch klar von denen der anderen Hersteller, die auf Masse gehen. Da werden in der Regel nur Klebefolien benutzt. Ich lasere die Designs in das Holz und versuche, ein Brett so zu kreieren, dass die Form für dich als Kunde Sinn ergibt. Ich möchte nicht, dass die Fahrer einfach ein Brett kaufen, das eigentlich nicht zum Skaten geeignet ist und nur wegen des Namens über den Thresen geht. Ich war mit dem allgemeinen Angebot unzufrieden. Vor allem bei Kindern, die ein billiges Longboard bekommen, geht schnell die Lust wieder verloren. Und wenn die selben Kinder auf mein Brett steigen, sieht man direkt einen anderen Gesichtsausdruck – ein Lachen, weil es funktioniert.

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Aloha Tiki Boards
Woher beziehst du die Kugellager, Achsen und Rollen?
HB: Die beziehe ich bei Pogo in Löwenstein. Da ist der älteste Longboardshop Europas und mit den Leuten dort bin ich gut befreundet.
Für welche Arten des Longboardfahrens produziert ihr Bretter?
HB: Für alle (lacht). Von Downhill über Cruiser bis hin zu Longdistance. Für Pumptracks haben wir extra ein Brett. Für alle Bereiche, für alle Härtegrade kann ich ein Board produzieren. Ich habe auch klassische Skateboards im Angebot, aber die Form von ihnen ist oldschool, also nicht so wie man ein Skateboard heute kennt. Ich möchte etwas Besonderes machen und die Standardbretter bekommt man auf dem Markt hinterhergeschmissen (lacht). Im Grunde wirklich für alles, alle Gewichtsklassen, alle Fahrvorlieben.
Was bereitet dir bei der Arbeit am meisten Spaß?
HB: Tatsächlich dieser Spirit, etwas zu erschaffen. Da ich auch sehr großer Dogtown-Fan bin – das ist quasi der Ursprung des Skatens – bin ich ganz fasziniert davon, wie sie ihre Bretter selbst gebaut haben. Das ist der Reiz, da spüre ich Freude drin. Dieser handwerkliche Aspekt, ein fertiges Board mit den eigenen Fähigkeiten zu erschaffen und den Kunden damit glücklich zu machen. Deshalb mache ich das. Immer ein Brett unter den Füßen zu haben, ist ja auch meine eigene Leidenschaft.
Wie bist du denn selbst zum Longboardfahren gekommen?
HB: Als ich mit dem Skaten angefangen habe, war ich circa 15 Jahre alt. Zum Longboarden bin ich tatsächlich auch durch diese Situation im Laden gekommen, als der Mann eins gekauft hat. Bis dahin bin ich eigentlich nur klassisch skateboardgefahren, aber dann habe ich gemerkt, wie viel Spaß longboarden bereitet. Mal sonntags zehn Kilometer am Main entlang und wieder zurück zu pushen, fixt einen an. Und natürlich muss ich das auch selbst machen. Wenn ich Eigene produziere, muss ich mich auskennen und erklären können, wie das Fahrverhalten ist und worauf man achten muss.

© Till Benzin
Aloha Tiki Boards
Wie haben du und dein Geschäftspartner sich gefunden?
HB: Max hat nicht weit von mir gewohnt. Wir sind uns mal zufällig über den Weg gelaufen und dann haben wir uns unterhalten und kurzerhand zusammengetan. Er hat sich schon um Fahrräder gekümmert und ich mich um die ersten Bretter. Ich habe alleine begonnen, damals noch mit Pressformen aus Gips, Glasfaser und Epoxid. Viele haben das anfangs belächelt, aber ich habe mein Ding durchgezogen, weil ich ein Mensch bin, der sagt: jetzt erst recht! (lacht). Ihr seht, was draus geworden ist und jetzt lacht keiner mehr.
In welcher Preisspanne bewegt man sich bei dir?
HB: Für ein Standardlongboard mit allem drum und dran liegt man bei 300 Euro. Bei einem kompletten Skateboard ist man bei 200 bis 250 Euro dabei. Aber je nach Holzwunsch beispielsweise kann das noch nach oben gehen.
Vielen Dank für den interessante und unterhaltsamen Einblick in die Welt der Aloha Tiki Boards.FABIAN GRUND