Foto: Anika Koppenstedt
„IN KRISEN LIEGEN SCHÄTZE VERGRABEN“
Man nehme einen Hanauer, infiziere ihn mit der Leidenschaft für die Fliegerei, segne ihn mit der Gabe, Menschen zum Lachen bringen zu können, stelle ihn auf die Comedybühnen des Landes, durchkreuze seinen Weg als Pilot und schüre beharrlich die Liebe zur Musik: Gewürzt mit einer ordentlichen Portion Talent und abgerundet mit nötigem Tiefgang, beglückt das Ergebnis nun Musikkenner von Los Angeles bis Rück-Schippach. Gestatten: Andy Ost.
Manchmal ist doch das Leben der spannendste Geschichtenerzähler: Hätte ihn seine Gesundheit nicht zur Neuorientierung gezwungen, würde Andy Ost heute vor allem eines tun: Um den Globus jetten. Auch wenn die Leidenschaft für die Musik stets mitflog – sie musste sich vorübergehend der Comedybühne geschlagen geben. Jene eroberte der Hanauer nämlich mit seinem selbstgeschriebenen Programm „Vater werden“ im Sturm. Dass er sein sprichwörtlich komisches Handwerk beherrscht, stellte der 34-Jährige zudem mehrfach bei der ZDF-Faschings-Institution „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ unter Beweis.
Bis es Anfang letzten Jahres an der Zeit war, sich ein weiteres Mal neu zu erfinden: „Komponiert habe ich schon immer, aber erst jetzt hat es sich richtig angefühlt, mich komplett der Musik zu widmen“, so Andy. Also fix das Köfferchen gepackt und ab nach Los Angeles – „mit einem Rucksack voller Träume“. Naiv? Keineswegs. Begegnungen mit der Stadt der Engel ziehen sich wie ein roter Faden durch Andys Leben – vom ersten Urlaub über ein Praktikum bis hin zur häufig angeflogenen Destination in seinem Leben als Berufspilot. „Licht und Optimismus“ verbinde er mit der Metropole, der er nicht nur ein musikalisches Denkmal („Ich fühle mich L.A.“) gesetzt hat, sondern in der er sich auch mit professionellen Musikern ins Studio zurückgezogen hat. Und die haben auch schon für keine Geringeren als Pink und Bon Jovi eingespielt. Angstschweiß? Fehlanzeige. Andy weiß, was er kann. Zudem hat er Festplatten gewälzt, Textfragmente aufgegriffen und verworfen, Songs mit Bedacht ausgewählt und auf Aktualität geprüft. So vergingen zwischen dem ersten Arrangieren des Albums bis zu seiner Veröffentlichung eineinhalb Jahre.
Die Verwirklichung seines Lebenstraumes, die erste eigene Platte, kam „einem eigenen Reifeprozess“ gleich, erläutert der Hanauer. 14 selbst geschriebene Tracks aus 15 Jahren haben es auf die Scheibe geschafft, die Andy nach reiflicher Überlegung mit dem Titel „Bock auf Leben“ geadelt hat. Bewusst war auch die Entscheidung, ausschließlich auf Deutsch zu rocken: „Die eigene Sprache hat einfach mehr Tiefe“, erklärt der Vollblutmusiker. Wer allerdings Easy-Listening-Dudelei der Marke Kaufhausbeschallung erwartet, wird eines (viel) Besseren belehrt: Alle Songs zeichnen sich durch enorme Authentizität aus. Andy Ost scheut weder davor zurück, langjährigen Freunden auf beeindruckende Weise zu danken („Der Sommer von damals“), noch unangenehme Lebensbegleiter wie Panikattacken zu thematisieren („Schlaflos“).
„Ehrlichkeit kann unbequem sein“ – davon ist das Multitalent überzeugt. Dass er sich durch jene schutzlos, gar verwundbar macht, ist für ihn selbstverständlich. Und so spiegeln seine Lieder zahlreiche Facetten seines bewegten Lebens wider. „In Krisen liegen Schätze vergraben“, so der 34-Jährige, der fortan sowohl Fastnacht und Kabarett treu bleiben, aber auch musikalische Wege beschreiten möchte. So stehen nicht nur diverse „Bock auf Leben“-Termine auf seiner Agenda, sondern auch lachmuskelstrapazierende Auftritte – wie das Zusammentreffen mit Johannes Scherer auf der Alzenauer Burg Anfang August oder beim Maulaffenfest, dem im Rahmen des Aschaffenburger Stadtfestes stattfindenden Satiremarathons auf dem Karlsplatz am letzten Augustsonntag. Ganz nebenbei steht er im Finale des Fränkischen Kabarettpreises 2015. Viel los bei Andy. Viel Bock auf Leben. In diesem Sinne: „Ne gute Zeit“!