Die Kulturstadt Aschaffenburg ist schon seit vielen Jahren Mitglied in diversen kommunalen Kulturverbänden und Arbeitskreisen. Einer dieser Verbände ist „STADTKULTUR“, in dem führende Kulturmacher vieler bayerischer Städte als produktives Netzwerk verbunden sind.
Ende September ist der Aschaffenburger Kulturamtsleiter Jörg Fabig neu in den Vorstand dieses Verbandes gewählt worden und stand FRIZZ Das Magazin Rede und Antwort: Worum es bei „STADTKULTUR“ geht, wie dieses Kulturnetzwerk funktioniert und wie die heimischen Kulturkonsumenten von der Verbandsarbeit profitieren. Und natürlich nicht zuletzt, wie er zu seiner neuen Führungsrolle kam …
FRIZZ Das Magazin: Lieber Jörg, zuerst einmal die klärende Frage vorweg: Was ist „STADTKULTUR“ überhaupt?
Jörg Fabig: In diesem Netzwerk treffen sich alle Kulturamtsleiter und Referenten der bayerischen Städte. Mitglieder sind aktuell die allermeisten der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und ein großer Teil der mittleren und kleineren Städte in Bayern.
Es hilft einfach sehr, sich auszutauschen und „Best Practice“-Beispiele zu holen.
Brauchen die Städte dafür eine Mindestgröße oder sonstige Parameter?
Nein, eben nicht und das ist genau das Spannende. Da sitzen die Kulturamtsleiter großer Städte wie München oder Regensburg neben dem Kulturreferenten einer kleinen Stadt aus beispielsweise der Oberpfalz, welcher neben der Kultur auch noch die Themen Tourismus und Sport zu betreuen hat. Denn die kulturellen Themen und Fragestellungen sind schlussendlich dieselben, auch wenn jeder einzelne aufgrund der Strukturen seiner Stadt anders damit umgehen muss. Aber es hilft einfach sehr, sich auszutauschen und „Best Practice“-Beispiele zu holen.
© Till Benzin
Jörg Fabig
Muss man aktiv Mitglied in diesem Netzwerk werden?
Von der Struktur her ist „STADTKULTUR“ ein Verein, bei dem man einen Mitgliedsantrag einreichen muss. Der Verein unterhält eine professionelle Geschäftsstelle mit hauptamtlichen Mitarbeitern, deren Hauptaufgabe unter anderem darin besteht, Fördermittel aus dem Landeshaushalt und von Stiftungen zu akquirieren, mit denen dann wiederum gezielt kulturelle Projekte der Mitglieder unterstützt werden.
Wie oft netzwerkt ihr denn in eurem Netzwerk?
Zur Vor-Coronazeit hat sich der Verein ein- bis zweimal pro Jahr in Präsenz getroffen und dann gab es obendrein noch einige Fachtagungen und gezielte Workshops zu bestimmten Themen. Seit Corona und der Etablierung von Online-Meetings wurde die Zusammenarbeit im Verein intensiviert. Die große Runde trifft sich einmal im Quartal virtuell, darüber hinaus gibt es mehrfache Treffen in Fachausschüssen, aktuell zum Beispiel zur Mehrfachverwertung von Eigenproduktionen. Das ist für uns sehr spannend.
Was bedeutet Eigenproduktionen?
Unser Stadttheater ist ja grundsätzlich erstmal kein Haus, das eigene Produktionen verwirklicht. Aber wir würden schon gerne hin und wieder Schlaglichter setzen und haben durch die Netzwerkarbeit die Möglichkeit, uns einen künstlerischen Partner ins Boot zu holen, der uns bei der Entwicklung einer eigenen Produktion unterstützen kann. Ganz konkret: In der laufenden Spielzeit möchten wir das 60er-Jahre-Theaterstück „In der Sache J.R. Oppenheimer“ realisieren, das thematisch an den extrem erfolgreichen Film von 2023 über Oppenheimer andockt und auch gesellschaftlich immer noch hochaktuell ist.
Und wie kommt dann das Netzwerk ins Spiel?
Wir realisieren dieses Stück als Eigen- beziehungsweise Auftragsproduktion mit einem künstlerischen Partner aus Riedstadt (Geburtsstadt Georg Büchners) und können dann gezielt über den Verband andere Kommunen suchen, die unsere Produktion auch zu sich in ihre Theater holen. Durch diese Weiterverwertung wird diese Produktion dann finanziell machbar, denn das Oppenheimer-Stück allein für unser Stadttheater umzusetzen, wäre schlichtweg zu teuer.
Ich weiß, was du sagen willst: Wer nicht schnell genug „Nein!“ sagt, ist auf einmal im Vorstand … (lacht)
Das, was du jetzt gerade beschrieben hast, spielt ja auch in das Schwerpunktthema hinein, das von eurem Verband aktuell bearbeitet wird: „Nachhaltige Kulturkommunen – Praxis und Perspektiven kommunaler Kulturförderung“. Geht’s da nur um programmatische Nachhaltigkeit oder auch um die ganze Peripherie bei Events wie Dienstleistungen, Logistik etc.?
Ganz genau! Es geht tatsächlich um beides und dann immer um die „Best-Practice“-Beispiele. Wir haben zum Beispiel die Ausrichtung des „Tag der Franken“ 2022 in Aschaffenburg durch die Technische Hochschule wissenschaftlich begleiten lassen, um die ökologischen Fußabdrücke in allen Bereichen messen zu lassen – vom Anreiseverkehr der Besucher über das Speise- und Getränkeangebot bis hin zur Frage, ob die vorgeschriebene Ballastierung der Bühnen mit Wassertanks oder Betonklötzen ökologisch sinnvoller ist. Mit teilweise sehr erstaunlichen Ergebnissen, die ich dem Netzwerk dann zur Verfügung gestellt habe. Und genau so machen alle anderen Mitglieder das auch, so dass wir immer auf einen großen Wissens- und Erfahrungsschatz zugreifen können.
Wie bist du im Verband jetzt in den Vorstand gerutscht? Ich kenne das ja aus anderen Vereinen, dass bei der Vergabe von Posten …
Ich weiß, was du sagen willst: Wer nicht schnell genug „Nein!“ sagt, ist auf einmal im Vorstand … (lacht)
© STADTKULTUR Bayern; Dr. Johanna Vocht
Der neue „STADTKULTUR“- Vorstand
Der neue „STADTKULTUR“-Vorstand (v. l. n. r.): Frank Büschel, Dr. Christine Fuchs, Jürgen Enninger, Sandra Hoffmann-Rivero, Jörg Fabig, Sabine Guhl
Genau! Aber Spaß beiseite: Hast du dich aktiv darum bemüht, in diesem riesigen Netzwerk eine Führungsrolle zu übernehmen?
Ganz grundlegend muss ich sagen, dass Netzwerken genau mein Ding ist. Vom Schülersprecher über die Hochschulvertretung bis hin zur Mitarbeit in Berufsverbänden. Der Erfahrungsaustausch in Netzwerken ist extrem wichtig für die tägliche Arbeit und Aufgabenstellung. Aber auch die politische Arbeit solcher Verbände ist wertvoll, gerade wenn es darum geht herauszuarbeiten, dass zum Beispiel nicht nur wir in Aschaffenburg Probleme mit Gesetzesänderungen haben, sondern auch alle anderen Kulturkommunen in Bayern. Denn dann kann man auch gemeinsam etwas bewirken und die Stimme wird lauter. Gemeinschaft ist einfach so wichtig, das habe ich auch in meiner über zehnjährigen Tätigkeit im größten Berufsverband der deutschen Schlagzeuger gemerkt. Von daher ist es für mich eine absolute Herzensangelegenheit, mich jetzt auch aktiv bei „STADTKULTUR“ miteinzubringen.
Wie hilft deine Erfahrung in der Verbandsarbeit der Aschaffenburger Kultur im Speziellen?
Ein Beispiel ist natürlich das Geld. Kultur hat ja immer einen ganz bunten Finanzierungsstrauß. Da gibt’s die Eigenmittel der Kommune, klar, aber eben auch unterschiedlichste Zuschusswege: Bundeskulturstiftungen, Landeskulturfonds oder inhaltlich ausgerichtete Stiftungen. Und da ist es einfach sehr wichtig, dass man die Partner und die Wege kennt und sich gegenseitig bei der Realisierung von Förderungen und Zuschüssen unterstützt.
Welche Vorteile hat der Kulturkonsument in Aschaffenburg ganz konkret, beziehunsgweise nutzt diese Vorteile bereits, ohne wirklich etwas davon zu wissen?
Zum Beispiel beim inhaltlichen Austausch im Bereich des Künstlerangebots, und das genreübergreifend vom Theater über die Musik bis hin zur Subkultur. Die spannenden Street-Acts für die kommende Museumsnacht zum Beispiel habe ich über das Netzwerk gefunden und habe mir und meinem Team stundenlange und kostenintensive Recherche erspart. Und über die finanziellen Zuschüsse können wir natürlich auch Events, Künstler und Projekte realisieren, die für uns ansonsten nicht machbar wären. Und, schlicht und ergreifend, bei einigen Veranstaltungen wären die Eintrittspreise merklich höher ohne die Vorteile aus der Verbandsarbeit.
© Till Benzin
Jörg Fabig
Stichwort Subkultur. Inwieweit wird das im Verband gespielt?
Der Kulturbegriff, den wir im Verband pflegen, ist sehr zu meiner Freude extrem weit gespannt und beinhaltet natürlich auch die subkulturellen Strömungen und Themen. Im nächsten Jahr wird das Schwerpunktthema des Verbands beispielsweise „Die Stadt als Garten“ sein. Und da haben wir jetzt aktuell in einem Workshop interessante Inputs zum Thema „Urban Gardening“ bekommen, es gab im Rahmen des Brecht-Festivals in Augsburg spannende Ansätze, Demokratiebildung über Diversität, ökologische und auch subkulturelle Projekte zu spielen – und das zieht sich durch unsere Vereinsarbeit durch. Kultur ist eben nicht nur die Oper auf höchstem künstlerischen Niveau, sondern das gesamte kulturelle Leben Aller. Im Übrigen ist es ja auch eine unserer Aufgaben, Förderanträge aus allen kulturellen Richtungen zu begleiten und somit Partner der gesamten Kultur in Aschaffenburg zu sein. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst und sind hier im engen Kontakt mit der lokalen Kulturszene.
Wie wird die aktuelle Verbandsarbeit in das Aschaffenburger Kulturprogramm 2025 einfließen?
In vielerlei Hinsicht, gerade auch was hinter den Kulissen die Digitalisierung unserer Events sowie den Verwaltungsablauf betrifft. Das Verbandsmotto „Die Stadt als Garten“ werden wir bei der 2025er-Sommerbühne einpreisen, die auf dem Campus der TH Aschaffenburg stehen wird und die wir wie gewohnt zusammen mit unseren Partnern wie Hofgarten Kabarett, Colos-Saal, JUKUZ und auch SWEAT gestalten. Das ist nicht nur ein wunderschöner Platz mit einer perfekten Anbindung, sondern dort gibt es viel vorhandene Event-Infrastruktur, was zum Beispiel Toiletten, Strom und Beleuchtung betrifft. Das spart richtig Ressourcen, gibt uns mehr finanziellen Spielraum bei der Programmgestaltung und zahlt natürlich auf das übergeordnete Verbandsmotto „Nachhaltigkeit“ ein. Und dann natürlich die Oppenheimer-Eigenproduktion im Stadttheater, die außerdem noch das aktuelle Spielzeitmotto „Wissenschaft & Verantwortung“ vollumfänglich abbildet. Wir hatten schon ein sehr erfolgreiches Kulturjahr 2024 und ich bin mir sicher, dass wir unser Level auch im kommenden Jahr halten beziehunsgweise sogar ausbauen können. Auf jeden Fall freue ich mich schon sehr auf das nächste Jahr und unser kommendes, spannendes Motto „Transformation“, für das wir schon sehr viele Ideen haben!
Wir freuen uns auch schon mal vor und bleiben neugierig, was da so alles auf uns zukommt. Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!