Rückblickend kann diese Zeit auch als starkes Zeichen einer Branche gewertet werden, der die gesamte Grundlage auf Knopfdruck entzogen wurde: Kurz nach Beginn des ersten Lockdowns entwickelte sich mit dem Thema Livestreaming ein „neues“ Subgenre in einer Geschwindigkeit, die im Peak nahezu täglich neue Anbieter hervorbrachte.
Von Low-Budget bis hin zu fernsehreifen Produktionen war alles dabei, bis der sonnenverwöhnte Hochsommer den Hype vorerst beendete. Mit dabei war auch die Plattform „Corona Concerts“, die mit ihren professionellen Streams und eingebundenem Charity-Gedanken für Aufsehen sorgte. Aktuell sind wir alle mit „Lockdown II“ und der kalten Jahreszeit konfrontiert – Zeit für neue Streams? Darüber haben wir mit Dennis Bergsch gesprochen.
FRIZZ Das Magazin: Blöde Frage direkt zum Einstieg: Gibt’s euch eigentlich noch?
Dennis Bergsch: Ist eigentlich keine blöde Frage, denn von den ganzen Plattformen, egal ob regional oder überregional, gibt’s meines Wissens nach tatsächlich nicht mehr so viele. Aber uns gibt es noch!
Mit dem Hochsommer war der Streaming-Hype vorbei …
Stimmt. Einige geplante Produktionen sind gar nicht mehr zustande gekommen, was schade ist.
Welche waren das?
Wir hatten zum Beispiel die Option, mit dem ganzen Studio für 14 Tage nach Hamburg zu ziehen und dort eine ganze Reihe von Streams, sogar mit teilweise sehr bekannten Acts, zu produzieren. Die Planungen waren schon recht weit, inklusive Location, Logistik, Infrastruktur und angepasstem Hygienekonzept. Doch das bringt ja alles nichts, wenn die Zuschauer nachvollziehbarer Weise lieber zur besten Sendezeit am See liegen (lacht).
Was habt ihr also die ganze Zeit getrieben?
Die Frage müsste eher lauten, was haben wir NICHT getrieben. Offensichtlich haben wir als Team in den dreieinhalb Monaten der Streaming-Hochphase ganz gute Arbeit geleistet. Die Produktionen von „Corona Concerts“ stehen für Qualität und Know-How – so zumindest der Tenor, der uns nach wie vor erreicht. Daraus resultierend erhalten wir seit Sommer auch Anfragen, die sich nicht rein auf Streaming beschränken, sondern zunehmend in Richtung Video- und Filmproduktion gehen. So haben wir beispielsweise die schwedische Hardrockband „Thundermother“ auf ihrer Promotour fürs neue Album begleitet und dabei nicht nur erfolgreichen Content für deren Social-Media-Kanäle produziert, sondern auch gleich den TV-Werbespot, der mehrmals täglich bei Kabel1, ProSieben und Sat1 zu sehen war. Das Album ist dann auch direkt auf Platz sechs der deutschen Charts eingestiegen. Darüber hinaus haben wir für große und kleine Firmen einige Produktvideos produziert – vom Gabelstapler bis zum Rennauto war da schon fast alles dabei. Ein weiteres Highlight war auch sicherlich die Zusammenarbeit mit dem bekannten Kabarettisten Lars Reichow, den wir nach unseren Vorstellungen in Szene setzen durften.
Mittlerweile häufen sich vor allem die Anfragen im Bereich interaktiver Workshops, Produktpräsentationen, Musikvideoproduktion und virtueller Marketingevents. Auch die Vorbereitungen für eine interaktive Zaubershow, die vor allem im B2B-Bereich vertrieben wird, laufen auf Hochtouren. Long Story short: Wenn’s so weiter geht, brauchen wir bald unseren eigenen Fernsehsender (lacht). Es waren und sind also viele spannende Projekte, die sich letzten Endes durch unsere Streams ergeben haben. Aber mit unserer regulären Arbeit „vor Corona“ hat das alles trotzdem nicht wirklich was zu tun.
Wie meinst du das genau?
Wir sind ja ein Zusammenschluss von verschiedenen Profis aus dem Kultur- und Eventbereich: Technikdienstleister, Licht- und Tonfachleute, Booker, Produktionsleiter, Video- und Contentproduktion – wir alle hatten für das Jahr volle Auftragsbücher und sind schlicht auch andere Schlagzahlen gewohnt. Zudem ist es ja nicht so, dass wir mit den Streams – auch mit den sehr erfolgreichen – wirklich Geld verdienen können. Den größten Teil der Einnahmen haben die Künstler bekommen, wir haben unsere Kosten grob gedeckt und das war’s. Zudem haben wir immer einen Anteil an den guten Zweck weitergeleitet, knapp 6.500 Euro. Und die genannten Auftragsarbeiten im Sommer sind im Hinblick auf das Gesamtjahr dann auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Glücklicherweise gibt’s im Gegensatz dazu aber ja auch die ganzen positiven Aspekte.
Schieß los!
Bislang haben knapp 100.000 Menschen unsere Streams gesehen, das ist eine wunderschöne Zahl, mit der wir nie gerechnet hätten. Das Feedback zu unserer Arbeit war durchweg positiv, sowohl von den Zuschauern als auch von den Künstlern und wichtigen Adressen der Branche. Ich war beispielsweise zuletzt 14 Tage in München am Filmset von „Polizeiruf 110“ tätig und selbst dort kannten einige Licht- und Kameraleute der Öffentlich-Rechtlichen unsere „Corona Concerts“. So etwas erfüllt einen natürlich mit Stolz, das ist doch klar. Wir haben durch den Betrieb des Studios unser Netzwerk massiv ausbauen können und sind mit interessanten Leuten in Kontakt gekommen, zu denen es davor einfach kaum Berührungspunkte gab. Ein funktionierendes Netzwerk ist in unserer Branche ein bestimmender Faktor. Mittelfristig gesehen war es obendrein die richtige Entscheidung, dass wir unsere Marke und den Namen „Corona Concerts“ bereits im Frühjahr haben schützen lassen, denn es zeichnet sich nun immer mehr ab, dass ein paar dieser Projekte auch auf lange Sicht Teil unseres täglichen Arbeitslebens bleiben.
Seid ihr also in den kommenden Wochen auch wieder mit live gestreamten Konzerten zu sehen?
Schwer zu sagen. Im Moment überwiegen ganz klar die Anfragen von Firmen, welche im Bereich digitaler Konferenzen, Events oder Produktpräsentation auf unsere Expertise und Ideen bauen. Aber es kommt vermutlich einfach stark darauf an, ab wann Livekonzerte wieder erlaubt sind und da ist die Prognose ja eher sehr düster. Von daher kann es gut sein, dass schon in wenigen Wochen die Nachfrage nach Livestreams wieder da ist. Wenn dem so ist, sind wir natürlich dabei. Unser Studio steht noch, wir könnten also direkt loslegen!
Lesetipp! Einmal den Weg aus dem Chaos, bitte! – Die Streaming-Plattform Corona Concerts geht steil.