© Till Benzin
Musikantengeplänkel Blocker
Tja Leute, da habt ihr richtig gelesen! Seit Jahren haben wir Wunschzettel über Wunschzettel über Wunschzettel geschrieben, waren (natürlich!) immer brav und haben auf jedem Weihnachtsmarkt, in jedem Möbelhaus und auf sämtlichen Weihnachtsfeiern (auf denen wir eingeladen waren oder auch nicht) den dort anwesenden dicken Männern mit Bärten artig unsere auswendig gelernten Gedichte aufgesagt. Einziges Ziel: Den wahrhaftigen Weihnachtsmann einmal bei uns zum Interview zu begrüßen. Dann überraschend (weil unser Vertrieb dreimal über die Rute gesprungen ist): Die Zusage! Bange Frage in der Redaktion: Wer kann es mit diesem Schwergewicht aufnehmen? Die Antwort war einfach: Andreas „Blocker“ Stumpf.
Same Procedure as every Time: Wir haben unsere Rock ’n’ Roll-Couch hergerichtet, mit Raumspray hantiert und edlen Weißwein gekühlt. Der Weihnachtsmann kommt zuerst, bestellt ein Bier, macht es sich bequem und freut sich auf einen ehrfürchtigen Gesprächspartner, dem er seine Geschichten erzählen kann. Als Blocker hinzustößt und ebenfalls ein Pils nimmt, geht es auch schon direkt in die Vollen. Denn Blocker ist, sagen wir mal, nicht restlos begeistert von seinem Gesprächspartner …
Blocker: Ganz ehrlich? Ich bin enttäuscht!
Weihnachtsmann: Warum das denn, mein Sohn?
B: Mir wurde ein Treffen der Giganten angekündigt. Als Person bist du natürlich legendär, aber rein musikalisch bist du von einer Legende doch weit entfernt. Vielleicht ergibt sich ja trotzdem ein nettes Gespräch …
W: Na hör mal, was soll denn das heißen? Ich habe die Musiklandschaft nachhaltig geprägt und unterm Strich ein eigenes Genre kreiert!
B: Runtergebrochen auf das, was man zum Beispiel auf dem Aschaffenburger Weihnachtsmarkt auf die Ohren bekommt, ist das aber … wie sag ich’s vorsichtig … wenig großartig. Da ist Schmalhans Küchenmeister! Es kommt immer das Gleiche, ganz zu Schweigen von den unsäglichen Popversionen der wunderschönen alten, klassischen Weihnachtslieder. Da bekomme ich Hassanfälle! Hassanfälle … (überlegt kurz) Ja, das finde ich ein gutes Wort.
W: Das ist jetzt ganz schön hart, mein Lieber. Schau mal, solch tolle Nummern wie „Last Christmas“ machen doch so viele Menschen glücklich. Nehm doch allein mal die ganzen Radiohörer. Die können doch nicht alle doof sein.
B: Die sind bestimmt nicht alle doof, aber es gibt garantiert einen ganz großen Anteil, der derlei Nummern zum Kotzen findet und einfach nur still erträgt.
W: Heißt das, du hasst alle Weihnachtslieder?
B: Nein, ganz bestimmt nicht! Weihnachtskonzerte klassischer Natur sind eine absolute Bereicherung! Auch die traditionellen Weihnachtslieder in ihrer ursprünglichen Form sind im Grunde wunderschön. Und natürlich „Fairytale of New York“ von The Pogues. Nur dieser ganze seelenlose Format-Einheitsbrei braucht doch kein Mensch.
W: Aber wenn das so wäre, würde doch solche Musik nicht überall laufen. Im Radio, im Supermarkt, im Kaufhaus …
B: Genau das ist der Punkt! Das hängt doch alles zusammen.
W: Wie meinst du das?
B: Es gibt garantiert den Mechanismus, dass die Leute mehr kaufen, wenn sie mit dieser Konserven-Weihnachtsmucke berieselt werden. Gleiches Prinzip gilt auch auf dem Weihnachtsmarkt. Da werden Leute mit schlechter Musik beschallt, damit sie viel Alkohol kaufen, um das dann wieder zu ertragen. Verstehe mich bitte nicht falsch, Weihnachten per se ist ein tolles Fest – im privaten Bereich. Basteln, Plätzchen backen, Kinder, Brauchtum. Alles wunderbar. Aber der Rest ist doch zu einer einzigen Kommerz-Scheiße verkommen. Denn auch das Kind, das ganz tüchtig das Krippenspiel einübt, ist am Schluss vielleicht enttäuscht, wenn nur selbst gedengeltes Holzspielzeug unter dem Baum liegt. Frei nach dem Motto: Je größer das Paket, desto besser ist Weihnachten. Schlimm.
W: Finde ich gut, dass du den im Kern relevanten Teil des Festes – die besinnliche Einkehr im privaten Bereich – zu schätzen weißt. Über den Rest kann man natürlich streiten. Machst du eigentlich zu Weihnachten selbst auch Musik?
B: Ja, tatsächlich! Und das sogar total gerne. Mit einer kleinen Bläsergruppe des Musikvereins Großwelzheim spielen wir manchmal nach der Christmette einige Weihnachtslieder zur Freude der Bevölkerung. Weil: Bevor irgendeiner auf die Idee kommt, da einen CD-Player mit so einem Mist wie eingangs erwähnt anzumachen, stell ich mich lieber hin und spiele!
W: Und wie sieht es aus mit Hausmusik? Schön mit der Blockflöte unterm Christbaum? Stell ich mir bei dir inzwischen irgendwie schräg vor … (lacht laut)
B: Hör auf! Blockflöte! Mein absolutes Hassinstrument. Damit verbinde ich automatisch die erste Folge der „Lindenstraße“. Da sitzt die ganze Family im Wohnzimmer und macht Hausmusik, dass es einer Sau graust. Benny Beimer spielt Cello, das geht schon mal gar nicht. Und die Tochter spielt Blockflöte. Schlimm, schlimm, schlimm. Wobei ich da eine einzige Ausnahme machen muss: Die von mir hochgeschätzte Band Boppin’B hat mal eine Weihnachts-EP aufgenommen. Und das Blockflötensolo in „Stille Nacht“ ist meiner Meinung nach das Beste, was mit einer Blockflöte jemals weltweit aufgenommen wurde!
W: Lieber Blocker, jetzt widersprichst du dir aber! Denk mal ein paar Minuten zurück, da hast du noch groß proklamiert, dass verpoppte Weihnachtslieder ein absoluter Graus sind. Und wer oder was sind diese Boppin’B?
B: Ich meinte ja auch die Nummern mit so einem furchtbaren Eurodance-Beat drunter. Du kennst die Boppins nicht? Warte mal, ich hab doch hier … (kramt in seiner Tasche und zückt sein Smartphone)
W: Gibt’s doch nicht! (starrt leicht ungläubig)
B: Geil, oder? (spielt abwechselnd Luftgitarre, -schlagzeug und sogar -flöte und singt sämtliche Chöre mit)
W: Was müsste denn deiner Meinung nach musikalisch zum Fest passieren?
B: Mehr Jazzer an die Instrumente! So Sachen wie das Christmas-Konzert von Bibavon im Colos-Saal zum Beispiel!
FRIZZ Das Magazin: Gibt es sonst etwas, das du an der Weihnachtszeit gut findest, Blocker?
B: Ja klar. Viele Leute kommen nach Hause, die trifft man dann endlich mal wieder. Beim FRIZZschen FROHLOCKEN! zum Beispiel, das ist für mich ein Pflichttermin. Und das sag ich jetzt nicht nur, weil ich euch gerade den Kühlschrank leer trinke. Und dann noch jede Form von Gebäck, Stollen und Spekulatius. Wobei auch hier gilt: Hausgemacht! Dass schon die ersten Lebkuchen im Laden stehen, obwohl in Bayern noch nicht mal die Sommerferien rum sind, ist doch Hohn!
W: Blocker, ich merk schon, irgendwie kommen wir bei diesem Thema nicht mehr wirklich zusammen. Gibt es denn gar keine Basis, bei der wir uns mal einig sind?
B: Bierchen?
W: Bierchen!
Und so klinken wir uns an dieser Stelle aus. Am Ende haben sich der Onkel mit dem Bart und der Onkel mit der Posaune übrigens wirklich prima verstanden. Denn: Der Weihnachtsmann ist Eintracht-Fan …
Andreas „Blocker“ Stumpf kam mit elf Jahren erst zur Gitarre, bevor er die Posaune für sich entdeckte. Über seine erste Band, bei der er auch sang, kam er in Kontakt zu Back Today, bei denen er den Bläsersatz verstärkte. Er tourte mit Sauerwein + Band, war und ist Mitglied der jüngst reformierten Poppgruppe sowie der Las Vegas Allstars und spielte bei den Spessart Brassköpp. Aktuell steht er mit den Music Monks auf der Bühne und ist Mitglied im mehrfach ausgezeichneten Musikverein Großwelzheim.
Der Weihnachtsmann spielte in seiner Jugend kurz Schlagzeug in einer Punkband, bevor er aus beruflichen Gründen die Musik an den Nagel hängen musste. Durch die Gründung eines eigenen Unternehmens, mit dem er es zum Weltmarktführer gebracht hat, hat er auch die heutige Musiklandschaft nachhaltig beeinflusst. Inzwischen musiziert er wieder unregelmäßig als Hobby. So ist er Teil eines Triangelorchesters am Nordpol und singt den Bassbariton auf den Sommertourneen seines eigenen Chorprojektes.