©Till Benzin
Christopher Miltenberger Marcus Becker
Spannende Sache, was die hauseigene Losfee diesmal aus der Box gefingert hat: Der Pianist Christopher Miltenberger, seines Zeichens Professor für Schulpraktisches Klavierspiel an der Hochschule für Musik in Mainz trifft auf den Schlagzeuger Marcus „Mägges“ Becker, der im Laufe seiner Karriere in zahlreichen Bands der Region den Takt angegeben hat und seit Jahren auch als Lehrer an seinem Instrument arbeitet. Der FRIZZ-Chronist hat sich vorsichtshalber schnell noch ein brandgefährliches Halbwissen in Musiktheorie ergoogelt, um wenigstens halbwegs folgen zu können …
Christopher betritt den Raum, die beiden begrüßen sich.
FRIZZ Das Magazin: Kennt ihr euch?
Marcus Becker: Nein …
Dann dürfen wir vorstellen: Christopher Miltenberger …
M: Aaah, doch, den Namen habe ich schon mal gehört. Kennst du den Thorsten Schölch (Saxofonist, Anm. d. Red.)?
Christopher Miltenberger: Klar, mit dem habe ich schon zusammen ein paar Gigs gespielt.
M: Thorsten war bis vor Kurzem mit mir zusammen in einer Band und wir waren auf der Suche nach einem Pianisten. Da ist auch mal dein Name gefallen. Jetzt klingelt’s!
Es folgt die ebenso übliche wie sympathische Erkundung gemeinsamer Bekannter auf und neben den Bühnen dieser Welt. Zudem werden direkt die ersten Anekdoten ausgetauscht …
Erzählt doch mal was über euren Werdegang, bitte.
C: An der Städtischen Musikschule in Aschaffenburg habe ich eine klassische Klavierausbildung absolviert. Und da ich das irgendwie mit meinem Beruf verbinden wollte, habe ich dann Musik und Mathe auf Gymnasial-Lehramt studiert – und das auch durchgezogen. (lacht) Aber im Ernst, das Studium hat mir gerade durch den Bereich „Schulpraktisches Klavierspiel“ völlig neue Türen geöffnet. Das war eine Spielwiese – ohne festen Rahmen und sehr breit aufgestellt, auch von der Stilistik her. Danach habe ich noch ein Studium der Klavierpädagogik drangehängt und Lehraufträge in Erfurt, Leipzig und Frankfurt angenommen. Irgendwann bin ich dann über die Ausschreibung der Professur gestolpert und habe mich da einfach mal beworben. Was dort passiert, funktioniert im Grunde nach dem Casting-Prinzip – du musst vorspielen, unterrichten und Konzepte vorstellen etc. Seit zwei Jahren arbeite ich jetzt an der Hochschule für Musik in Mainz.
M: Kennst du dann auch den Mike Schönmehl?
C: Klar, der war auch mal kurz mein Dozent.
M: Meiner auch, an der Frankfurter Musikwerkstatt. Nebenfach Klavier beim Mike. Toller Lehrer, aber eigentlich haben wir uns die ganze Zeit über Hausmacher Wurst und Äppelwoi unterhalten. (alle lachen)
C: Ja! Genau so! Kann ich mir bildlich vorstellen! Du hast also auch studiert?
M: Ja, naja … (lacht) Vor 15 Jahren habe ich mal vier Semester Jazz-Schlagzeug an der FMW studiert. Aber irgendwie war das final nicht ganz das Passende für mich.
Wie ging es denn bei dir los?
M: Da mein Vater auch Musiker war, wurde mir das schon irgendwie in die Wiege gelegt. Bevor ich aber mein Wunschinstrument Schlagzeug spielen durfte, musste ich zuerst Orgel lernen. Das war damals schon eher eine Qual (lacht) – wobei ich heute sehr gerne daheim Klavier spiele und mit meinen Kindern Musik mache. Als Drummer habe ich dann in diversen Bands gespielt und das zu meinem Beruf gemacht. 2010 habe ich dann in Trossingen bei Claus Hessler meine Ausbildung zum staatlich anerkannten Lehrer für Schlaginstrumente absolviert, da ich damals unter der Woche sehr viel Unterricht gegeben habe. Zeitgleich habe ich auch noch eine Ausbildung zum Winzer gemacht. Inzwischen habe ich das Weingut von meinem Vater übernommen und gebe nicht mehr so viel Unterricht wie noch vor sechs oder sieben Jahren.
Wärst du immer noch Berufsmusiker, wenn du nicht noch nebenher als Winzer aktiv wärst?
M: Hm, ich glaube eher nicht. Früher habe ich oftmals über 120 Termine im Jahr gespielt, das würde ich heute nicht mehr machen wollen. Ich habe eine kleine Familie und will einfach mehr Zeit haben. Heute spiele ich so um die 40 Termine und das lässt sich mit Familie und Weingut perfekt vereinbaren.
C: Ich bin eigentlich jeden Tag mit Musik beschäftigt, wenngleich natürlich auch mal Verwaltungssachen und dergleichen anliegen. Leider habe ich aber nicht mehr so viel Zeit zum Üben, daher freue ich mich immer über neue Projekte – denn dann werde ich ja gezwungen, wieder mehr in Übungsarbeit zu investieren. Ansonsten höre ich mir unendlich gerne alle möglichen Arten von Musik an und entdecke für mich immer wieder neue Sachen. Ihr werdet vielleicht lachen, aber ich habe beispielsweise erst vor zwei Jahren Radiohead für mich entdeckt. Oder zum Beispiel elektronische Musik. Ich finde das sehr spannend, mit künstlichen Sounds zu arbeiten. Da ich vom akustischen Instrument komme, habe ich das vorher ja so noch nie gemacht und würde das gerne weiter ausbauen.
M: Im Popbereich gibt es ja diesbezüglich die sehr überspitzte und oftmals nicht zutreffende pauschale Unterscheidung zwischen Keyboardern und Pianisten …
C: Stimmt schon irgendwie, aber auch Pianisten arbeiten ja mit Sounds, wenn du es so willst. Härtere und weichere Sounds, die von der Person selbst alleine schon über Bewegungsabläufe und Körperspannung erzeugt werden.
M: Was man zum Beispiel auch eins zu eins auf die Drums übertragen kann.
C: Klar, da ist das haargenau das Gleiche.
Christopher beginnt, sehr detailliert mit Worten und Gesten zu verdeutlichen, wie man an einem Flügel alleine über die Spielweise und Körperspannung verschiedene Sounds erzeugen kann. Währenddessen öffnet Mägges endlich die mitgebrachten edlen Tropfen aus eigener Erzeugung.
M: Schreibst du Bücher?
C: Nein, sollte ich? (lacht)
M: Vielleicht schon, du erklärst das super!
Christopher, du bist stilistisch sehr breit aufgestellt. Aber gibt es noch die Menschen, in deren Köpfen diese – einstmals unüberwindliche – Mauer zwischen E- und U-Musik, zwischen Klassik und Pop existiert?
C: Manchmal merke ich das schon noch, aber es wird sukzessive weniger. Liegt aber auch daran, dass sich die Ansprüche und Fähigkeiten beim Nachwuchsklientel verändern. Da musst du als Lehrer von Chopin bis Rihanna alles im Repertoire haben und vermitteln können, sonst bist du mit deinen Lehrpraktiken nicht mehr zeitgemäß.
Was für Musik geht bei euch denn so überhaupt gar nicht?
C: Das ist eine sehr gute Frage … (fängt an zu grübeln)
M: Da ich zum größten Teil im kommerziellen Bereich unterwegs war, bin ich es gewohnt, mich zwischen den Genres zu bewegen. Von daher kann und will ich da nix ausschließen.
C: Also ich weigere mich prinzipiell, mich einer bestimmten Stilistik nicht zu öffnen. Und wenn die anderen Leute dann noch cool sind, dann ist das Genre für mich absolut zweitrangig!
Vielen Dank für das Gespräch!
Prof. Christopher Miltenberger erhielt an der städtischen Musikschule eine klassische Klavierausbildung, bevor er Musik und Mathe auf Lehramt studierte. Während dieser Zeit kam er mit dem Fach „Schulpraktisches Klavierspiel“ in Kontakt, das ihm nicht nur neue Einflüsse ermöglichte, sondern in dem er auch seine Professur erhielt. Seitdem arbeitet er an der Hochschule für Musik in Mainz und absolviert zahlreiche Auftritte in der gesamten Republik.
Marcus „Mägges“ Becker kommt aus Mechenhard und lernte zuerst Orgel, bevor er sich zu einem der gefragtesten Cover-Drummer der Region entwickelte. Er studierte sein Instrument an der Frankfurter Musikwerkstatt und machte 2010 nicht nur seine Ausbildung zum staatlich anerkannten Lehrer für Schlaginstrumente, sondern auch zum Winzer. Aktuell trommelt er bei Melibokus und dem Gloria Sextett, unterrichtet und kümmert sich um das familieneigene Weingut.