© Till Benzin
Musikantengeplänkel XIX
Heute fühlen wir uns extremly jazzy, liebe Freunde. Denn die diesmalige Geplänkelpaarung verspricht ein Fest für das Überdentellerrandschauen an sich. Als da wären: Paul Gehrig, unter anderem bekannt dank Bands wie Big Deal, Beatkicks und natürlich seinem aktuellen Projekt Flux, mit dem er allein rein musikalisch absolut neue Maßstäbe setzt. Ihm gegenüber nimmt Florian Brettschneider Platz, seines Zeichens vielfach preisgekrönter Ausnahmegitarrist, der von der Klassik aus die unterschiedlichsten Pfade in Richtung Jazz, Pop und Rock erforscht. Und wie immer gilt, dass beide Teilnehmer vorab nicht wussten, auf wen sie treffen würden. Dementsprechend gespannt sitzt Flo auf der Rock ’n’ Roll-Couch, als die Tür aufgeht …
Flo (streckt die Arme in die Höhe): Yeah, was geht? Cooler Gesprächspartner!
FRIZZ Das Magazin: Wir nehmen an, ihr kennt euch bereits?
F: Nee, nicht persönlich. Aber ich habe gerade kürzlich die Flux-Sachen gehört und mich mit der Band beschäftigt. Und ich finde das ziemlich geil!
Paul: Ich kenne Florian auch noch nicht persönlich. Bin gespannt. Erzähl mal von dir!
F: Als ich sechs Jahre war, sind meine Eltern mit mir zu einem Tag der offenen Tür in der Musikschule gegangen. Und da ihnen Schlagzeug und Posaune zu laut waren, bin ich bei der Gitarre gelandet. (lacht) Ich habe dann eine klassische Ausbildung durchlaufen, die ein paar Erfolge nach sich zog. Danach war ich dann auch einige Jahre in diesem Feld aktiv, parallel dazu haben mich andere Genres aber schon immer gereizt. In letzter Zeit hat sich mein Fokus verschoben, hin zu Jazz und Pop. Über Umwege habe ich dann einen Frankfurter Produzenten kennengelernt, mit dem ich viel zusammen mache. Aktuell arbeiten wir an einem neuen Projekt, das sich Das Kollektiv nennt und in Bandbesetzung Singer/Songwriter-Mucke an den Start bringt. Ansonsten spiele ich viele Gigs zu den unterschiedlichsten Anlässen in den unterschiedlichsten Formationen.
P: Ich habe mit Schlagzeug angefangen, da war ich auch so sechs oder sieben. Unter anderem hatte ich auch Unterricht bei Claus Hessler, mit dem ich ja heute zusammen Musik mache. So ab der fünften Klasse hatte ich zusätzlich noch vier bis fünf Jahre Klavierunterricht. Durch das Interesse an Rock, Pop und Jazz kam ich zum Keyboard und habe auch eine Zeit lang in Coverbands gespielt. Irgendwann bin ich zur Hammond-Orgel gekommen und das ist für mich tatsächlich eine perfekte Symbiose, denn zum einen hast du Klaviatur, zum anderen spielst du ja, wie bei den Drums auch, unabhängig mit den Füßen. Aber ich möchte noch was zu Flo sagen, denn ich finde, er hat vollkommen recht damit: Alles mitnehmen, was geht. Das öffnet die Scheuklappen und lässt dich als Musiker reifen. Sowohl in dem Verständnis für andere Musiker, als auch im Verständnis für die Musik an sich. Das war bei mir auch so, beispielsweise bei der Begeisterung für Jazzmusik. Aber auch die Mitwirkung in den verschiedenen Formationen bisher, als auch so Dinge wie Chorbegleitung oder in einer Musicalband mitzuspielen wären ohne Offenheit nicht möglich gewesen.
F: Generell höre ich das auch immer wieder: Weg mit den Scheuklappen! Man erreicht ja auch viel mehr Leute, wenn man sich breiter aufstellt. Früher war das Schubladendenken viel mehr verbreitet, da gab’s die Metaller, die Popper, die Jazzer … Ich glaube, es hat auch viel mit Spotify und so zu tun, dass viel mehr Leute auch mal über den Tellerrand schauen. Das merke ich ja auch bei mir selbst, da ich mir da viele Anregungen hole.
P: Ich sehe das tatsächlich anders. Ich kann mit iTunes, Spotify und so nicht viel anfangen. Ich muss die Mucke in der Hand halten. (lacht)
F: Ja, ich am Ende auch. Aber ich benutze die entsprechenden Plattformen zum entdecken und antesten. Darum geht’s mir. Und entdecken muss nicht zwangsläufig online geschehen. Ich bin zum Beispiel auch passionierter Flohmarktgänger. Habe so zum Beispiel meine erste Begegnung mit Tom Waits gehabt.
P: Du hast ja vorhin erzählt, dass du viel mit einem Produzenten zusammenarbeitest. Ich bin da übrigens auf einem komplett anderen Trip. Wir waren damals mit Big Deal ganz kurz vor einem Deal mit Sony BMG und am Ende hat es aus diversen Gründen nicht gepasst. Und inzwischen habe ich entschieden, alles selbst zu machen. Von der Musik über das Artwork bis hin zum Vertrieb.
F: Kümmerst du dich auch selbst um deine Termine?
P: Ja, auch das. Ich mache wirklich alles alleine.
F: Hm, das klingt für mich aber auch ein wenig nach Scheuklappen, gerade was die Musik angeht. Weil: Du versperrst dich ja auch ein Stück weit der Expertise von anderen Leuten. Vielleicht klingt’s ja geiler, wenn noch mal ein Crack drüberschaut.
P: Da ist halt die Frage: Was ist geil? Bis ich einem Produzenten verklickert habe, wie ich das Endergebnis haben will, mach ich’s selbst.
F: Aber klingt das Endergebnis dann aber auch so, wie du es dir vorgestellt hast?
P: Naja, natürlich nicht von Anfang an. Aber man lernt ja auch mit jeder Produktion immer wieder was Neues dazu. Noch dazu zeige ich mein Material immer einigen Leuten aus meinem Umfeld, deren Meinung mir wichtig ist. Was natürlich auch noch gut ist, ist der Zeitfaktor. Ich habe halt diesbezüglich überhaupt keinen Druck. Und du gibst alles an deinen Produzenten ab?
F: Natürlich nicht alles, wir arbeiten da auch viel gemeinsam. Aber manchmal ist es ja so, dass du wochenlang an einer Idee rumdokterst und du kommst einfach nicht weiter. Dann frage ich einen Experten, sprich meinen Produzenten, und es macht klick!
P: In dem Punkt sind wir uns ja einig. Andere zu fragen, ist wichtig. Aber ich will entscheiden, wann etwas geil ist und wann nicht!
Wann würdet ihr sagen: Ziel erreicht?
P: Ich setze mir immer neue Ziele. Zuerst war es zum Beispiel mal einen Gig im Arkadenhof zu spielen. Dann ein Gig mit Claus Hessler. Dann eigene Songs zu schreiben. Dann daraus eine Platte zu machen. Aber grundsätzlich: Allein schon so etwas wie Flux auf die Beine gestellt zu haben, war das Erreichen eines großen Ziels. Das Nächste ist das dritte Album!
F: Bei mir ist das ähnlich, so etwas wie ein Endziel gibt es eigentlich nicht. Der nächste Schritt ist, die Platte mit Das Kollektiv fertig zu machen. Darüber hinaus möchte ich keine Prognosen abgeben.
Im Gegensatz zu Paul schlägst du den Weg des Berufsmusikers ein. Gibt es eigentlich einen Plan B?
F: Nee. Das mag vielleicht spirituell klingen, aber ich weiß, dass es funktionieren wird. Ich hab noch eine Frage an Paul: Hörst du lieber oder machst du lieber Musik?
P: Gute Frage. Kann ich gar nicht so wirklich entscheiden. Ich hatte mal eine Zeit lang keine gute Anlage daheim und da habe ich gemerkt, dass es echt ganz schön scheiße ist, wenn man lange keine Musik hören kann. Auf der anderen Seite, wenn ich nicht regelmäßig die Finger an die Tasten bekomme, bin ich auch recht schnell auf Entzug.
F: Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich das Hören tatsächlich mehr vermissen!
Paul Gehrig sorgt gerade mit seiner Band Flux für Furore. Neben zwei veröffentlichten Alben (das dritte ist in Arbeit) gilt das Trio auch live als Erlebnis. Daneben steht der gelernte Schlagzeuger und Pianist mit Bands wie den Beatkicks und Heatwave auf der Bühne. Seine ersten Erfahrungen sammelte er in diversen Auswahlorchestern wie Bibavon sowie als Musiker bei den Faks-Musicals. Auch war er Mitglied bei Big Deal, Pineapple Slices, M2K und Sox in the Box.
Gemeinsam mit dem Frankfurter Produzenten Stefan Benz arbeitet der studierte Gitarrist Florian Brettschneider gerade am ersten Album der Singer/Songwriter-Band Das Kollektiv. Daneben spielt er in den unterschiedlichsten Formationen mit dem Schwerpunkt Jazz und arbeitet als Songschreiber für einen Verlag. Ursprünglich genoss Florian eine klassische Gitarrenausbildung und gewann im Anschluss zahlreiche Preise.