© Till Benzin
Sven Garrecht, Bernhard „Bernie“ Kraft
Nach dem Treppenhausintermezzo steht die gemütliche Rock ’n’ Roll-Couch wieder! Für die aktuellen Blind-Date-Gäste haben wir sogar das Poliertuch rausgekramt. Bernhard „Bernie“ Kraft ist das Urgestein der Aschaffenburger Tieftonfraktion und hat gefühlt alle Bassisten der Region unter seiner Fuchtel gehabt. Neben ihm nimmt an einem (für Musikerverhältnisse) unmenschlich frühen Wintermorgen Sven Garrecht Platz, der einigen als Ausnahmesaxofonist bekannt ist und aktuell mit seiner Band für Furore sorgt. Aufgrund der Uhrzeit wird statt Seppelchen Milchkaffee gereicht und ein Ascher platziert. Bernie zündet sich eine an und …
Sven: Ach, du rauchst auch?
Bernie: Klar. Deswegen habe ich mich doch so gefreut, als hier der Aschenbecher hingestellt wurde.
Vielleicht liegen wir auch falsch, aber kann es sein, dass viele Bläser rauchen?
S: Joa …
B: Du bist Bläser?
S: Ja.
B: Ach geil! Was spielst du?
S: Saxofon.
B: Geil! Ein Saxofonist, den ich noch nicht kenne! Richtung? Pop? Oder eher mehr Soul? Blues? Oder doch mehr Jazz?
S: Oach … ja! (alle lachen) Kreuz und quer halt. Aber eigentlich spiel ich gar kein Saxofon mehr. Ich habe aktuell eine eigene Band, in der ich singe und Klavier spiele. Ansonsten mach ich eigentlich grad nicht so viel, was andere Projekte angeht.
B: Und da machst du eigene Stücke?
S: Genau.
B: Ja geil. Gibt’s dafür ’ne Bezeichnung?
S: Die offizielle Bezeichnung ist jetzt GrooveChanson. Und du?
B: Ich bin Bassist. Seit ewigen Zeiten mach ich quasi nichts mehr anderes. Ich wollte eigentlich mal Studiomusiker werden, aber das ist heutzutage schwierig. Daher spiele ich viel live, helfe bei zahlreichen Bands aus. Feste Besetzungen gibt’s nur zwei. Einmal beim Frank Keller und dann noch ein Duo mit Enzo Aprile. Ansonsten bei allen, die anrufen. (Gelächter)
Warum werden die Studiojobs weniger? Weil aufgrund der gesunkenen Verkäufe auch weniger Alben produziert werden?
S: Glaub ich nicht.
B: Stimmt auch nicht. Im Studio wird mehr mit Synth-Bässen gearbeitet, das ist der Grund. Erst wurden die Drummer ersetzt, dann die Bassisten.
Es gibt noch etwas, was euch beide vereint.
B: Ach?
Ihr gebt beide euer Wissen an Schüler weiter.
B: Du gibst auch Unterricht? In der Schule oder privat?
S: In der Musikwerkstatt Seligenstadt. Zudem habe ich eine Festanstellung bei einem Musikzentrum bei uns in der Ecke. Dadurch habe ich den Luxus, mich die restliche Zeit voll und ganz meiner eigenen Musik widmen zu können. Und du? Privat?
B: Privat, genau. Ich war vorher 20 Jahre lang an verschiedenen Musikschulen. Wie viele Stunden gibst du in der Woche?
S: So um die 30.
B: Das ist schon ganz schön viel. Bei mir waren es mal knapp 40 Stunden und das zu einer Zeit, als ich auch noch 100 Gigs im Jahr gespielt habe. Da war ich oftmals ganz schön fertig!
Hat der Unterricht heute einen anderen Stellenwert als früher?
B: Sehe ich nicht. Ich habe durchweg Schüler, die Bock haben und was lernen wollen. Liegt vielleicht auch daran, dass Bassschüler in der Regel älter sind. Die fangen so mit 14/15 Jahren an und haben dann schon feste Ziele, wo sie hinwollen. Das ist cool, weil eigentlich keiner dabei ist, der das macht, nur weil die Eltern das wollen und somit wenig Eigenmotivation hat.
S: Ich weiß nicht, ob sich da wirklich was geändert hat. Als ich mein Instrument gelernt habe, gab es natürlich auch Situationen, in denen ich nicht hundertprozentig hinterher war. Aber gute Lehrer schaffen es, diese Phasen zu überbrücken und die Schüler wieder heiß zu machen.
B: Das ist ein wichtiger Standpunkt. Gute Lehrer können motivieren und begeistern.
Hast du ein striktes Konzept, Bernie?
B: Natürlich hab ich ein Konzept und versuche, das umzusetzen. Wenn ich allerdings merke, dass ich den Schüler damit nicht kriege, muss ich umschwenken und ihn beispielsweise mit irgendetwas Überraschendem verblüffen. Irgendwann krieg ich sie dann alle! (alle lachen)
Kurz zu eurem Werdegang! Sven fängt an.
S: Nach der klassischen Früherziehung gings über die Blockflöte zur Klarinette. So bin ich zum Saxofon gekommen. Ich hatte relativ früh das Ziel, das beruflich zu machen, deswegen hatte ich auch noch Klavierunterricht. Schlussendlich habe ich dann in Frankfurt studiert und bin seitdem Berufsmusiker.
B: Angefangen hat das bei mir in der Grundschule. Der Lehrer kam mit einem Kollegen ins Klassenzimmer, hat auf mich gedeutet und gesagt: „Da sitzt er.“ Und zack wurde ich in den Chor gesteckt! (alle lachen) Ich hab’s gehasst. Im Gymnasium ging’s ähnlich weiter. Mein Musiklehrer hat mich zu sich zitiert und gesagt: „Bernhard, das hier ist eine Geige. Morgen Mittag kommst du zum Unterricht.“ „Aber ich will Fußball spielen!“ „Du kommst!“ So bin ich ins Orchester gekommen.
Mal ehrlich: Ihr zwei in der Pubertät, der eine mit ’ner Geige in der Hand und der andere mit ’ner Klarinette. Da ist man doch nicht der Coolste auf dem Pausenhof, oder?
B: Jetzt pass auf. Ich in der Pubertät: Wir hatten eine neue Referendarin bekommen, blond und hübsch. Frau Rosel. Ab da saß ich in der ersten Reihe. (alle lachen) Die hat ein Bandprojekt gemacht zum Thema Pink Floyd und noch einen Bassisten gesucht. Da hab ich mich natürlich gemeldet.
S: Echt? Du bist wegen der Frau Rosel zum Bass gekommen?
B: Aber klar, das war geil! Die hatte einen Kontrabass und wollte mir das erklären. Sie hat sich also hinter mich gestellt, mir ihre Brüste in den Rücken gedrückt und meine Hände geführt, um mir den Lauf von „Another Brick in the Wall“ zu zeigen. Der war für mich als Violinist zwar easy, aber ich habe die ganze Zeit so getan, als ob ich’s nicht checke. (lautes Gelächter) Aber im Ernst: Wir haben dann das Ding gespielt – und dieses Feeling, mit dem Bass in diesem Rock-Apparat zu stehen, das hat mich total gepackt. Da war’s um mich geschehen.
S: Hast du Frau Rosel später nochmal wieder gesehen?
B: Ne. Die ist wieder nach München abgehauen. Da war ich sauer. (lacht) Es kamen dann die ersten Bands und so hat alles seinen Lauf genommen.
Sven, stimmt die Legende, dass du bei einem Video von Guru Josh mitgespielt hast?
S: Ja, aber mein Einsatz wurde im Nachhinein gestrichen. (alle lachen) Ich stand mit ihm auf einer Wiese, habe zu seinem Hit „Infinity“ … naja, ich sag mal „performt“ und die Kamera ist immer um uns herumgefahren, also richtig schön bescheuert. Irgendwann wurde es veröffentlicht, ich guck mir das an und sehe aber nur zwei halbnackte Frauen unter einem Sprinkler in einer Tiefgarage. Da hab ich mich gewundert und dort mal angerufen. Da hieß es dann nur, dass der Guru Josh die Aufnahmen verglichen hat und am Ende die nackigen Frauen cooler fand. In der Szene hätte ich ja auch mitgespielt, aber da wurde ich nicht gefragt … (alle lachen)
Sven Garrecht studierte Saxofon mit Nebenfach Klavier an der Frankfurter Musikwerkstatt und arbeitet seitdem als Instrumentallehrer. Live war er mit Bands wie den Music Monks, dem Dirty Boogie Orchestra oder der hessischen Coverinstitution Helium 6 unterwegs, bis er 2015 Sven Garrecht & Band gründete. Mit humorgetränktem GrooveChanson bespielt er seitdem die Bühnen der Region und steht kurz davor, auch den Rest des Landes zu erobern.
Bernhard „Bernie“ Kraft ist Bassist aus Leidenschaft und eines der bekanntesten Gesichter der heimischen Musikszene. Der Berufsmusiker spielte lange Jahre mit zahlreichen Livebands und war als Studiomusiker an unzähligen Produktionen beteiligt. Aktuell unterrichtet er als Dozent den Bassnachwuchs, spielt in zwei festen Formationen und steht als Sub mit Bands wie Die Planlosen 5, Onomototolo, M2K, Heatwave und Soulfire oder für Claus Heinen auf der Bühne.