Im Stadtlabor soll eine digitale Ausgabe des Stadt- und Stiftsarchivs entstehen und wir alle sind zum Mitmachen eingeladen. Als Basis hierfür wurde im Roßmarkt 11 jüngst der Digitalladen eröffnet. Wir haben uns das mal angeschaut.
Ist es übertrieben, wenn man im Hinblick auf das digitale Stadtlabor und den neuen Digitalladen von Projekten mit Leuchtturm-Charakter spricht? Vielleicht ist es genau anders herum und es grenzt schon eher an Untertreibung. Denn es gibt direkt zum Start schon viel Grund zur Freude im Roßmarkt 11, auch weil die genannten Bausteine der Digitalisierungskampagne „Aschaffenburg 2.0“ sogar bereits überregional Beachtung und Anerkennung finden. Und das zu Recht.
Aschaffenburg 2.0 versteht sich dezidiert als‚ offenes Archiv‘, sieht sich aber auch als einer der Motoren für die digitale und kulturelle Entwicklung der Stadtgesellschaft. (Dr. Joachim Kemper)
Worum geht es überhaupt?
In den Räumlichkeiten eines ehemaligen Bekleidungsgeschäftes hat der städtische Digitalladen Einzug gehalten und seine Arbeit aufgenommen. Er verbindet dabei zwei Stränge: Auf der einen Seite das Digitalstrategie-Team von Bürgermeister Eric Leiderer und zum anderen das im Herbst letztes Jahres gestartete Stadtlabor des Stadt- und Stiftsarchivs, das unter der Leitung von Dr. Joachim Kemper steht. Zusammen sehen sie sich als Ideenschmiede zwischen der analogen und digitalen Welt, bei der die Bürger unserer geliebten Kleinstadt sich nach Herzenslust einbringen können. Denn wir alle erhalten durch das Stadtlabor die Möglichkeit zur aktiven Mitwirkung an der Stadtgeschichte. Durch eigene Beiträge auf der digitalen Plattform „Aschaffenburg 2.0“ können und sollen die Aschaffenburger als Autoren den „Wissensspeicher“ füllen, als welchen sich das Stadt- und Stiftsarchiv zusammen mit seiner Landeskundlichen Bibliothek selbst sieht. „Aschaffenburg 2.0 versteht sich dezidiert als ‚offenes Archiv‘, sieht sich aber auch als einer der Motoren für die digitale und kulturelle Entwicklung der Stadtgesellschaft“, wie Dr. Joachim Kemper erklärt. Der zugehörige Digitalladen bietet dafür als digitalanaloge Schnittstelle die Basis für alle Interessierten. Mit einem positiven Nebeneffekt, denn die Teilhabe an diesem Projekt schärft, quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen und Generationen, natürlich auch den Blick für die Gegenwart und die Zukunft – für jeden selbst, für unsere Stadt, für die ganze Region. So betont Eric Leiderer explizit, dass sich das Angebot auch an die Bürgerinnen und Bürger Aschaffenburgs richtet, die bislang (zu) wenig Zugang zu digitalen Angeboten und/oder digitaler Bildung haben. Und natürlich auch an unsere Mitmenschen der älteren Generation, denn mit ihren Erfahrungen, Geschichten, Kenntnissen und Anekdoten können sie für das „digitale Gedächtnis“ Aschaffenburgs wichtige Inhalte, Infos und Impulse geben.
Und so geht’s
„Aschaffenburg 2.0“ ist von Grund auf als Mitmachprojekt initiiert worden und will unter dem Motto „Unsere Geschichte – unsere Zukunft“ die jeweiligen Beiträge der Aschaffenburger vereinen. Wie das in der Praxis aussieht, kann man sich auf der Homepage des Projekts anschauen und durch bereits über 90 eingereichte bebilderte Artikel, Dokumente oder Filme in die vielfältige und bunte Geschichte unserer Stadt eintauchen. Da geht es zum Beispiel in diversen Blogs um historische Gastronomie-Objekte der Stadt oder die zahlreichen Brunnen Aschaffenburgs, es wird ein Vortrag von Tierforschungslegende Alfred Brehm im Jahr 1880 dokumentiert, ein anderer Beitrag widmet sich der Eingemeindung Leiders vor genau 120 Jahren. Apropos Leider – wie es in den 1950er-Jahren beim Badevergnügen am dortigen Mainufer zuging, ist ebenso nachzulesen wie ein Bericht über ein Wintervergnügen im gleichen Jahrzehnt: Schlittenfahren auf dem Galgenbuckel. Neben vielen anderen Geschichten aus und um Aschaffenburg bilden auch die Filme des ehemaligen Kinobetreibers Fritz Rüth ein Highlight der wachsenden Sammlung an Erinnerungen. Über seine Enkelin Cornelia Seubert gelangten die filmischen Zeitdokumente ins Stadt- und Stiftsarchiv und zeigen unter anderem einen großen historischen Festzug im Jahr 1927, der anlässlich der Schlossbeleuchtung die Stadt in Feierstimmung versetzte.
Doch nicht nur Historisches findet Einzug in das Mitmacharchiv. So wurde hier ganz aktuell auch das erste virtuelle Wirtshaussingen im Biersepp, das im April 2020 stattfand, dokumentiert und beschrieben. Es bleibt also sehr spannend, welche Erinnerungsschätze in dem digitalen Langzeitgedächtnis Aschaffenburgs in der kommenden Zeit durch die fleißige Mithilfe der Einwohner im wahrsten Sinne des Wortes gespeichert werden. Ein weiteres nettes Tool für alle Stöberer ist eine interaktive Stadtkarte, in der man die hinterlegten Pins anklicken kann und so direkt die spannenden Infos zum jeweiligen Ort zuordnen kann.
Wer sich selbst berufen fühlt, seine Andenken, Erinnerungen und Geschichten mit anderen auf dieser Plattform zu teilen, findet auf der Homepage eine ebenso ausführliche wie leicht verständliche Erklärung, wie man zum Redakteur wird. Die Beiträge werden dabei durch verschiedene Klassifizierungen für die Filtersuche optimiert, darüber hinaus können Tags für die Schlagwortsuche vergeben und externe Dateien oder Videolinks eingebettet werden. Alle eingereichten Beiträge werden von Mitarbeitern des Projektes geprüft und freigegeben. Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, auch mit den anderen Nutzern der Seite in Kontakt zu treten. Wie oben beschrieben, geschieht die Betreuung dieses digitalen Archivs vom neuen Digitalladen aus. Hier werden auch alle anfallenden Fragen beantwortet.
Die Digitalisierung durchdringt alle Arbeits- und Lebensbereiche. Sie ist ein Update einer ganzen Gesellschaft. (Eric Leiderer)
Und der Digitalladen kann noch mehr.
Dort fallen auch die weiteren Aufgabenstellungen des Digitalteams von Eric Leiderer auf fruchtbaren Boden und werden zukunftsträchtig und nachhaltig bearbeitet. Exemplarisch seien hier beispielsweise diverse Online-Bürgerdienste und Beteiligungsformen bis hin zum Smart-City-Konzept der Stadt genannt, das auch vom Dialog zwischen Stadtverwaltung und Einwohnerschaft lebt und dementsprechend viel Wert auf den direkten Austausch legt. So soll der Digitalladen einfach die Anlaufstelle für alle diejenigen sein, die Fragen zur digitalen Zukunft Aschaffenburgs haben oder sich selbst aktiv in die Prozesse einbinden wollen.
Wie eingangs erwähnt, erntet das Projekt bereits direkt nach dem Start viel Lob und Anerkennung – so wurde dem Stadt- und Stiftsarchiv jüngst ein Förderpaket in Höhe von 65.000 Euro für den Ausbau des digitalen Stadtlabors und des interaktiven und offenen Archivs auf „Aschaffenburg 2.0“ zugesprochen. Dieses Förderpaket kommt vom Digitalprogramm „WissensWandel“, wird aus Bundesmitteln finanziert und beinhaltet neben Honoraren, Sach- und Anschaffungskosten auch Personalmittel, die für die digitale Kulturvermittlung vorgesehen sind. Für Dr. Joachim Kemper ein Zeichen, dass das Konzept des Stadtlabors mitsamt der Bürgerbeteiligung der richtige Weg ist. Das Förderpaket, das von einer Jury vergeben wurde, soll zielgerichtet dabei helfen, den Digitalladen im Roßmarkt 11 dauerhaft zu etablieren und irgendwann – wenn Corona es zulässt – zu einem viel frequentierten Anlaufpunkt für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu machen.
Bis es allerdings soweit ist, stehen die Türen des Ladens vorerst nur virtuell offen. Wie es sich andererseits für ein digitales Stadtlabor aber eben auch gehört!