Dass die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Büro für Erinnerungskultur Babenhausen konzipiert wurde, einen Besuch wert ist, wurde ja bereits ausführlich in FRIZZ Das Magazin 0724 begründet. Richtig veredelt wird ein Rundgang aber erst mit dem wandelnden (Musik-)Lexikon Didi Beck!
Ob Heavy-Metal, Punk, Rock, Pop oder Hip-Hop – wenn sich jemand wirklich in allen Musikrichtungen sehr gut auskennt, dann er. Und Didi weiß zu fast allen Acts der regionalen Musikgeschichte stets etwas Wissenswertes, Lustiges und immer sehr Interessantes. Smarter Move also, mit ihm zusammen POP AB zu besuchen. Treffpunkt im Eingangsbereich, in dem eine große gemischte Schautafel schon mal die Aufmerksamkeit auf sich zieht …
© Till Benzin
Schnack und Trab mit Didi Beck
FRIZZ Das Magazin: Hattest du sowieso vor, diese Ausstellung zu besuchen?
Didi Beck: Ja, wobei ich wahrscheinlich erst nächste oder übernächste Woche gekommen wäre. Aber wenn die FRIZZen mich fragen, bin ich natürlich sofort zur Stelle. Und schau mal hier, da entdecke ich doch gleich was Feines. Den „Mehr Musik“-Sampler. Weißt du, wer den initiiert hat? Das war ich, gemeinsam mit dem damaligen Leiter des Kulturamts in Kleinostheim. Bei ihm war ich mit meiner Idee für einen Untermain-Sampler direkt an der richtigen Adresse. Er hat die Finanzierung klargemacht und wir haben zusammen die Auswahl der Bands getroffen. Das war irgendwann Anfang der 90er …
Also zu Zeiten des Obernburger Nachwuchsfestivals … Das war damals auch absoluter Kult in der Musikregion.
Ja, richtig, das war damals ein Riesending. Da fallen mir immer die Greengrocers ein, aka Freitag, bzw. Großes Kino. Eine großartige Band! Ich glaube übrigens, wir haben mit Sauerwein & Band das Festival auch mal gewonnen. Was ich aber sagen muss: Ich bin ein bisschen traurig, dass ich Rita Hertel nicht kenne (zeigt auf ein Cover).
„Volksmusik mit Herz aus dem Bachgau“. Wie schön!
Das haben die Ausstellungsmacher wirklich ganz hervorragend gemacht. Hier Rita Hertel, frisurentechnisch ganz klar den 70ern zuzuordnen und direkt nebendran Demian Sky, den ich auch klasse finde. Ich liebe sowas! (schaut weiter …) Ach und sieh an! Depro Art! Das waren wirklich Popstars! „Living in the Ghetto“ war deren Superhit und wir haben das wirklich hart gefeiert! Kennst du die?
© Till Benzin
Schnack und Trab mit Didi Beck
Depro Art? Noch nie gehört.
Da gibt’s auch noch ein Video von ihrem Hit „Lady come back“. Die sind damals mal im Aladdins aufgetreten, da waren eintausend junge Frauen. Und ich. Und Chris Danner (lacht). Der Sänger hieß Marco und war ein absoluter Startyp mit einer unfassbaren Ausstrahlung. (lässt den Blick weiter schweifen …) und hier direkt nebenan die Stabile Saitenlage, die Hausband vom Mühlberg.
Es werden noch 20 weitere Minuten die Köpfe heiß diskutiert und Didi weiß wirklich gefühlt zu jedem Bild eine Anekdote, die Namen der Musiker und unfassbar viel Historie. Vielleicht liegt das auch daran, dass er in den meisten Bands selbst mitgespielt hat. Wie auch immer, wir verlassen den Eingangsbereich und betreten die beiden Hauptausstellungsräume.
Da fällt mir direkt die Single von Pas des Bas auf.
Das kenn ich. Du warst da dabei und ihr habt beim ESC-Vorentscheid mitgemacht.
Genau. Die Single hatte ich selbst ganz lange nicht und habe sie mir dann irgendwann bei Kleinanzeigen gekauft. Zum Glück zu einem fairen Preis … Und hier! Geil! Anika Nilles. Dieses Foto gehört aufgrund seiner internationalen Bedeutung genau da hin. Diese Frau ist der lebende Beweis dafür, dass Üben was bringt!
Schau mal hier, ein Cover von People mit Siggi Grimm, Bernd Heyder und Peter Dill.
Wegen denen bin ich damals in den Ohrwurm gepilgert, kann ich mich noch genau erinnern.
© Till Benzin
Schnack und Trab mit Didi Beck
Haben People damals den Grundstein gelegt für überregional erfolgreiche Aschaffenburger Bands?
Ich glaube, das ging schon früher los mit Toga und Candela. Die waren ja auch international bekannt. Zwischen denen und People liegen tatsächlich fast zehn Jahre schätze ich mal.
… und jetzt habe ich was gefunden, was ich eigentlich gar nicht finden wollte: Bone Mark King und die Typen von YEAH! …
Oh Gott, diese Band, das werde ich nie verstehen. Lass uns bitte direkt schnell weitergehen. Bone Mark King, was für ein Egomane und Vollidiot. Und dazu noch die absolute musikalische Inkompetenz!
Es geht weiter: Afrika-Karibik-Festival, Schlemmis Bücher, das Cave (wo Didi tatsächlich öfter aufgrund seiner Cord-Jeans an der Tür scheiterte), Jazz-Keller, Klimperkasten, den Einfluss der Amerikaner sowie Didis Erlebnisse als Musiker in der Würzburger Straße und die Bedeutung des Musik-Service für junge Musiker.
Gab es eigentlich diesen einen Moment, an dem du wusstest, Musik wird jetzt dein Lebensinhalt?
Ja! 14 Jahre alt, an einem Mittwoch nachts zuhause abgehauen, vom Strietwald ins Zentrum gelaufen und mich bei der Washington Blues Band im Roßmarkt reingeschlichen. Als ich deren Bassisten gesehen habe, war klar, das ist das Geilste auf der Welt!
Wir kommen an die Wände, an denen die Aschaffenburger Bands, Locations und Festivals der letzten Jahrzehnte alphabetisch aufgezählt werden. Hier gibt es kleine Post-Its, mittels denen die Besucher fehlende Namen ergänzen können. Und ja, die nächsten 15 Minuten vergehen damit, dass Didi fleißig Zettel ausfüllt, Namen um Namen ergänzt und zu allen natürlich umfangreiche Anekdoten parat hat.
(Wir entdecken das gefühlt hundertste Exponat mit direkter Verbindung zu Didi) Aber jetzt mal ehrlich, lieber Didi, deine Omnipräsenz hier geht einem ja fast schon auf den Sack …
(lacht) Ja, ja, wobei man ja fairerweise sagen muss, dass da immer noch einige meiner Bands fehlen. Halfzware, Pinstripe …
Ich frag’ mich gerade wirklich, ob das richtig war, mit dir zusammen hierher zu kommen.
Die kommenden Minuten vergehen in Gesprächen rund ums JUKUZ, Musikbüro, Steffen Gerlach, Sound Season und die legendären ABhoern-Sampler. Und während wir uns immer weiter durch die Ausstellung treiben lassen, auf viele weitere bekannte Acts sowie Bilder stoßen und dabei die Frage erörtern, wie sich die Nachwuchsszene in den letzten Jahren entwickelt hat, stoßen wir plötzlich auf einen Namen, der unisono den Ausruf provoziert …
Beide: George Wind! Geil!
Eine Legende! Habe ich selbst nie live auf der Bühne gesehen, aber sein Transporter fuhr ständig hier in Aschaffenburg rum. Und irgendwann habe ich dann mal einen Artikel im Main-Echo gelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, was der so macht. Und direkt daneben Scaramouche, bei denen im Proberaum waren Chris Danner und ich als junge Kerle mal so ’ne Art Haushälter. Der Deal war folgender: Wir haben geschaut, dass es da halbwegs ordentlich war und durften dafür bei denen rumhängen und uns viel abschauen. Grandiose Zeit!
© Till Benzin
Schnack und Trab mit Didi Beck
Es folgt erneut viel Schnack über die familiäre Atmo in der Aschaffenburger Musikszene und nette Geschichten über tolle Menschen von Joe Ginnane über Corinna Lieb bis hin zu Paul Klement. Schließlich stehen wir vor den Seh- und Hörstationen, dürfen uns nochmal Didi in rosa Spandex-Leggins beim Pas-De-Bas-Eurovision-Vorentscheid 1984 anschauen und das TV-Happening von „Tele 5 on Tour“ in Aschaffenburg Revue passieren lassen. Weiter geht die Reise von Rich, Nice & Fabulous und Olli Banjo über Rust Never Sleeps bis hin zu den Royal Bavarian Ladykillers (bester Bandname übrigens!). Und nahezu zu jedem Act fallen Didi eine Anekdote und interessante Fakten zur Bandgeschichte und Gighistorie ein. Und dann passiert es doch: Nach einem ausufernden Streitgespräch darüber, ob Elton John cool ist oder nicht, finden wir ein altes Cover „Wie es klingt in Aschaffenburg“. Endlich mal ein Exponat, mit dem Didi so rein gar nichts zu tun hatte …
www.stadtarchiv-aschaffenburg.de
- Fr., 6.9.: Rillen einer Stadt Vol. 2 (Finissage & DJ-Abend); Aschaffenburger Auflegereien mit Demian Sky
- Bis 8.9.: POP AB; Stadt- & Stiftsarchiv, Aschaffenburg