Mit einer außergewöhnlichen und innovativen Selfie-Aktion soll Aschaffenburger Kulturschaffenden geholfen werden, die von den pandemiebedingten Schließungen besonders betroffen sind. Mit dabei: Bekannte Acts der Region, Technik aus dem Neuland und … wir FRIZZen.
Wir haben es inzwischen in mehreren Artikeln thematisiert. Keine andere Branche ist dermaßen von den Maßnahmen gegen die Pandemie betroffen wie die weitreichende und kleinteilige Kulturbranche – und das bei insgesamt sehr mageren Hilfen durch die Regierung. Auch wenn da tolle Summen in Milliardenhöhe im Raum stehen, durch eingebaute Hürden und allerlei Bedingungen werden davon wieder nur wenige Euros bei denen ankommen, die dringend Unterstützung benötigen würden. Das Spiel geht inzwischen seit Monaten so.
Björn Stritzinger, Gründer des Autonomie Therapie-Zentrums in Aschaffenburg und durch seine Zeit als Drummer in diversen Bands tief in der hiesigen Szene verwurzelt, hat sich das jetzt lange genug angeschaut. Für ihn war es nun höchste Zeit zu handeln – und da kam eine Idee seines Schwagers Fritz Geiling gerade recht. Dieser hatte im Internet ein Video eines US-Football-Teams gesehen, in dem die Fans mittels eines Augmented-Reality-Tools authentische Selfies mit ihren Stars machen können, ohne dass diese wirklich vor Ort sind. Nun sind Musiker, Bands und Kreative aus Aschaffenburg natürlich keine weltberühmten NFL-Stars, trotzdem oder gerade deswegen sehen Björn und Fritz in der Umsetzung dieser technischen Spielerei in Aschaffenburg eine charmante Möglichkeit, den hiesigen Berufskreativen zu helfen und dabei den Helfenden einen bleibenden Mehrwert zu bescheren. Die Geburtsstunde von KULTURgut! – ganz abseits von Paypal-Spenden und Crowdfunding-Kampagnen.
Witzig und cool ist es obendrein: In einer Art Foto-Box wird den Nutzern die Möglichkeit gegeben, sich aus einer langen Reihe an teilnehmenden Persönlichkeiten des kulturellen Lebens ihren „Liebling“ herauszupicken, dieser kommt dann virtuell mit ins Bild und schon ist Selfie-Time! Die Kosten für die entstandenen Schnappschüsse gehen dabei zu 90 Prozent direkt an die Aschaffenburger Kreativen, nur zehn Prozent werden zur Kostendeckung dieser neuartigen technischen Spielerei verwendet.
Zwischenzeitlich haben eine ganze Reihe angesagter Acts aus Aschaffenburg und Umgebung zugesagt und die nötige Vorproduktion in einem extra gebauten Greenbox-Studio absolviert. So sind beispielsweise Boppin’B, AB/CD, Hot Stuff, Music Monks, Echoes, Holger Stenger, Gundy Keller, One Step Closer, NU, Andy Ost oder Sven Garrecht mit dabei – um nur einige zu nennen. Auch überregionale Künstler wie der Kabarettist Lars Reichow und der Comedian Sven Hieronymus haben ihre Teilnahme bestätigt, was die Initiatoren besonders freut.
FRIZZ Das Magazin: Was war die Initialzündung für dieses Projekt?
Björn Stritzinger: Solidarität bedeutet in meinen Augen nicht nur Masken zu tragen und Abstand zu halten, um meine Mitmenschen zu schützen, sondern eben auch eine empathische Wahrnehmung und ein Gespür für die Gesamtsituation, die wir gerade erleben zu entwickeln. Dass Kultur einen erheblichen Teil zur psychischen und seelischen Gesundheit der Bevölkerung darstellt und damit „systemrelevant“ ist, steht für mich außer Frage und war und ist Bestandteil vieler Studien und Forschungsprojekte.
Fakt ist, dass seit Monaten ein Berufsverbot für Musiker, Künstler, Darsteller und zum erheblichen Teil auch für die Gastro verordnet wurde, was deren Existenz gänzlich bedroht. Viele meiner Freunde und Bekannten sind von diesen Verordnungen seit Monaten betroffen und es häufen sich Perspektivlosigkeit und Depressionen. Die „Kulturstadt“ Aschaffenburg ist auf dem Weg, diesen Zusatz zu verlieren, wenn wir hier nicht handeln. Ich wollte hier was „Sinnstiftendes“ und was Werteorientiertes tun und habe mit meinem Schwager Fritz das KULTURgut! Projekt gegründet.
Inwiefern seid ihr mit der Szene verwurzelt?
Ich war früher selbst aktiver Teil der großen Aschaffenburger Musikerszene und durfte bei Element, Nexus und Happy Deprimed an den Drums sitzen, wobei die Liebe und Wertschätzung gegenüber der Musik und den Menschen, die Musik machen, immer geblieben ist. Mein Schwager Fritz war übrigens ganz, ganz früher Mitglied einer Band, aus der sich später Boppin’B entwickelte.
Wie hat sich das Projekt in den letzten Tagen und Wochen entwickelt?
Die Resonanz war anfänglich ein wenig verhalten, da viele Details noch gar nicht klar waren und man sich dementsprechend nicht so richtig was darunter vorstellen konnte (lacht). Doch mittlerweile haben wir tolle Mitstreiter gefunden, das Projekt detailliert ausgearbeitet, dokumentiert und viele offene Fragen geklärt. Zudem sind die Vorproduktionen mit den teilnehmenden Küsntlern und Kreativen so gut wie abgeschlossen und die Vorbereitungen für die Fotobooth laufen auf Hochtouren. Übrigens: Wir hatten auch ein sehr gutes Telefonat mit Oberbürgermeister Jürgen Herzing. Er möchte uns, soweit es die aktuelle Situation und die verordneten Maßnahmen zulassen, bei unserem Projekt auch aktiv unterstützen.
Wo wird euer Photo Booth stehen? Wie aufwändig ist die technische Umsetzung?
Der KULTURgut!-Photo-Booth wird an exponierter Stelle in der Aschaffenburger Innenstadt stehen. So kann individuell auf aktuell geltende Hygiene-Maßnahmen, Abstandsregeln etc. eingegangen werden.
Die technische Umsetzung und die Programmierung ist eine Herausforderung an der Fritz und Fotograf Nicolai Brunn täglich arbeiten. Die Künstler mussten fotografiert und gefilmt werden, das Rohmaterial muss anschließend aufwendig bearbeitet werden, damit das dann in der Fotobooth funktioniert. Insgesamt war das für uns alle bislang schon ein echtes Mammut-Projekt! (lacht)
Wie kommt der Preis für das Foto zustande und was passiert mit den Einnahmen genau?
Das Foto wird zehn Euro kosten, fünf Euro davon gehen direkt an den jeweilig ausgewählten Act und vier Euro in einen großen Topf, der danach durch alle teilnehmenden Künstler geteilt wird. Ein Euro geht zur Kostendeckung an KULTURgut! Im Prinzip sammeln wir Geld für unsere Kulturschaffenden und verteilen diese gerecht und absolut transparent.
Wenn ihr einen Wunsch für euer Projekt frei hättet, welcher wäre das?
Mein Wunsch wäre, dass da etwas Großes entsteht und wir vielen Künstlern und Mitmenschen, die in der Kulturbranche arbeiten, etwas an Wertschätzung und Solidarität zurückgeben können. Mir ist wichtig, in dieser Krise wirklich zusammenzustehen und den Blick auf die Menschlichkeit und unsere Fähigkeit zur Empathie nicht zu verlieren. Wir sind und bleiben soziale, interaktive und kulturelle Wesen.
Mit dem letzten Satz spricht uns Björn aus der Seele, weshalb wir FRIZZen diese Aktion gerne unterstützen. Daher auch unser Tipp: Auf der facebook-Seite von KULTURgut! bleibt ihr auf dem Laufenden, wann und wie ihr euch eure Selfies für den guten Zweck holen könnt.