Das diesjährige Stadtfest hat neben einem unfassbar geilen Angebot an Kultur noch mehr hervorgebracht, als man zu denken vermag. Im nicht mehr ganz nüchternen Zustand während einer kleinen Pause beim Aufbau der Thekenstände in der Goldbacher Straße und dem fünften Seppelschen – stay hydrated und so – philosophierte auf einmal eine kleine Splittergruppe über Dart. Ein Sport – wenn man ihn als solchen bezeichnen kann – der seit Frühling dieses Jahres die beliebteste Feierabendbeschäftigung eines jedweden Printmediumverlags (selbstredend auch bei uns FRIZZen) mit ein bisschen Bewegung verbindet. Biertrinken und Bullshit labern.
Mit im Kreise der Diskussion stehen zwei der Fingerwundschreiber der hauseigenen Redaktion. Zum einen der langzeitfreiangestellte Tausendsassa Jens Trierweiler und meine Wenigkeit. „Ey Föb, hab’ ich dir eigentlich schonmal erzählt, dass ich mal ’ne ganze Saison in ’ner Dart-Liga mitgespielt hab’?“ „Ja ne, ist klar! Mir könnte’ eigentlich ma’ schö gegeneinander spielen.“ „Ernsthaft! Ich hab’ sogar ’ne noch bessere Idee. Lass ma’ spielen und drüber schreiben.“ Gesagt getan.
Dass wir knapp dreieinhalb Monate gebraucht haben, um uns für ein Spiel zu treffen, lassen wir jetzt einfach mal außen vor. Und dass unser beider Niveau am Board logischerweise beim Erstgespräch viel heißer gekocht, als letztendlich gegessen wurde, ebenfalls. Immerhin ist im Januar das WM-Finale, man kann sich das lange Warten also zu Genüge mit zeitthematischem Bezug schönreden.
© Till Benzin
Dart
„Ja, ich bin in ’ner halben Stunde da.“ Ich lege auf und schau erwartungsvoll auf die Uhr in der Büroküche der FRIZZ-Redaktion. Mir gegenüber steht El Chefe aka Silberrücken aka Derpanda aka Dirk B. – Verlagsleiter, Geschäftsführer, professioneller Pilsenthusiast. „Gell, Jens kommt zu spät?“ „Jap.“ Ich trinke mich schonmal warm. Dart ist schließlich Kneipensport. Drei Ichbingleichbeieuch-Anrufe später klingelt es an der Tür. Jens ist da! Das komplette Schneechaos an Tag X hat die Öffis, mit denen er eigentlich anreisen wollte, lahmgelegt. Die Autos schlitterten mehr, als dass sie fuhren. Zum Glück konnte er ein Taxi organisieren. Die Ausreden klangen nach überspitztdramaturgischen Schulweganekdoten, die so nur aus dem Mund eines Familienvaters kommen können. Vielleicht sollte er schlichtweg mal seine Terminplanung in den Griff kriegen. Denn wer ihn kennt, weiß, dass Jens und Pünktlichkeit auf völlig verschiedenen Umlaufbahnen kreisen.
Inzwischen haben Till B. aka der andere El Chefe aka der Fotograf und Mitkontrahent sowie ich uns am Ort des Geschehens warmgespielt. Geil! Also, können wir endlich anfangen. Denkste! Das Trio Infernale muss erst entscheiden, was gegessen wird. Nach langem Hin und Her fällt die Wahl auf den empfehlenswerten Nachbarschaftsgriechen am Agathaplatz. 30 Minuten später wird das überbackene Gyros mit Pommes geholt und verspeist. So! Jetzt aber! Jens merkt beschämt an, dass er überhaupt keine Pfeile dabei hat, nicht einmal welche besitzt. Ich krame aus meinem Schreibtischcontainer mein allererstes Set raus, mit dem ich meine 180er-Premiere erzielt habe. „Gell, jetzt gibste mir die alte Dinger da.“ Mein Herz zerbircht innerlich. Vergleichbar mit der Situation, wenn man erfährt, dass das erste Auto nur noch für den Schrottplatz taugt. Also gut. Und Abfahrt. Mit nur zwei Stunden Verspätung landet der erste Pfeil in der Scheibe. Jeder wirft einen „Spicker“ – wie das Wurfinstrument im FRIZZschen Volksmund gerne betitelt wird – um zu ermitteln, wer anfangen darf. Wer am nähsten am Bullseye liegt, darf beginnen. Clock! Jens T. wirft in den äußeren Ring des Bullseye. Clock! Till B. hämmert seinen Pfeil hasserfüllttrocken ins rote Innere. Jetzt gilts! Ich trete mit zitternden Händen ans Oche – die Abwurflinie mit
2,37 Metern Abstand zur Scheibe. Einmal durchschnaufen. Clock! Auch mein Pfeil landet in dem kleinen, erbärmlichen Rest des gleichen Felds. Dirk B. verschluckt sich vor Erstaunen als einziger Zuschauer an seinem Zigarettenrauch. Er muss den Reiz mit einem ohnehin überfälligen Schluck Bier bekämpfen. Die drei Spieler sind allesamt siegessicher. Mit breiter Brust wird millimetergenau ausgemessen, ob Till B.s oder mein Pfeil mittiger im Board steckt. Ergebnis: Till B. darf anfangen. Solide 100 Punkte zum Einstieg. My Turn: 45. Gern genommen, gern gespielt. Jens T. steht auf wackeligem, aber grazilem, Bein an der Linie. Das Gyros liegt wohl noch etwas schwer im Magen. Sein erster Wurf verfehlt um Haaresbreite das Tripple-20-Feld. „Pass uff!“, grölt er. Der zweite Pfeil kratzt schleifend den Draht, landet allerdings in der Eins. „Ne, pass net uff!“, resigniert der Graubart. Alle, die bereits einmal im Leben in einer Kneipe ihr Glück beim Spiel probiert haben, wissen, was jetzt kommt. Clock! Fünf. Ergibt 26. Pub-Score, Breakfast, Waschmaschine, Dettinger-Eröffnung. Das Wurfbild hat viele Namen. „Hab’ ich eigentlich erwähnt, dass ich die Liga-Saison auf E-Dartscheiben gespielt habe?“, fragt Jens. Till B. sucht meinen Blick. Ich kann eine sichtlich ernüchterte Realisierung ablesen. „Ne, aber man sieht’s.“, versuche ich meinen Gegner kleinzuhalten. Das folgende Spiel erfolgt mit wenigen Ausreißern nach oben ziemlich eindeutig. Till B. stutzt Jens T. und mich zurecht. Drei zu Null zu Null. Bis auf drei Legs, die ich für mich verbuchen kann, gewinnt Till B. alles. Sein Check-out-Game ist schlichtweg zu gut. Jens T. ruft frustriert das letzte Taxi, das montagabends in Aschaffenburg durch das Schneetreiben umherirrt und begibt sich auf einen Nachhauseweg, von dem er seinen Enkeln noch erzählen wird. Dirk B. raucht und nippt an seinem letzten Bier. Till B. und ich versuchen, alibimäßig zu eruieren, ob es sich noch lohnt, unser zuvor gestartetes Match zu Ende zu spielen. Wir beide sind eigentlich schon vorher stillschweigend einer Meinung, dass wir noch mehrere Stunden damit verbringen werden. Das Dartfieber hat uns eben gepackt.
© Till Benzin
Jens und Føb
Die Spielregeln:
Dartscheibe
- 20 gleichgroße Segmente mit doppeltgezählten (äußerer Ring) und dreifachgezählten Punktzahlen (innerer Ring)
- Äußeres Bull mit 25 Punkten
- Inneres Bull „Bullseye“ mit 50 Punkten
Spielweise
In der Regel starten alle Spieler mit 501 Punkten, die sie auf exakt null herunterspielen müssen. Insgesamt werden drei Gewinnsätze mit genauso vielen Gewinnlegs gespielt. Das einzelne Leg darf nur mit einem Doppelfeld beendet werden. Höchstzahl dabei 50 – also Bullseye – bis hin zur niedrigsten Zahl Zwei – also das Doppelfeld der Eins. Alle Spieler werfen im Wechsel drei Dartpfeile in einer sogenannten Aufnahme. Der Highscore, den man dabei erreichen kann, sind 180 Punkte. Ein perfektes Leg wird mit neun Darts in drei Aufnahmen beendet. Das gelingt allerdings selbst den absoluten Vollprofis der Weltspitze nur selten.