Mit der Streaming-Plattform Corona Concerts hat ein Zusammenschluss aus verschiedenen Dienstleistern der Musik- und Eventbranche innerhalb kürzester Zeit einen virtuellen Liveclub aus dem Boden gestampft, der inzwischen bundesweit für Furore sorgt. Dass das alles neben Know-How und Professionalität vor allem auch mit Leidenschaft und einem Haufen Improvisation zu tun hat, zeigt unser Bericht von einem, der mittendrin ist.
Es war der 20.3. dieses Jahres, 15.15 Uhr. Pling, sie haben Post, sagt der E-Mail-Eingang. Kollege Dennis hatte vorab angerufen und gefragt, ob er mal kurz was rüberschicken könnte, es würde um die Stichpunkte eines ersten Brainstormings gehen. „Wir brauchen dazu irgendwann mal ein ausgearbeitetes Konzept. Schau einfach mal, ob dir was dazu einfällt.“ Ich habe es mir angeschaut. Und mir ist was dazu eingefallen. Und auf einmal war ich mitten drin in diesem Projekt namens Corona Concerts.
Zwischenruf
Gerade einmal eine Woche zuvor wurde mit der großen Sense begonnen die Branche, in der wir als sogenannte Solo-Selbständige seit vielen Jahren beruflich tätig sind, in einen künstlichen Tiefschlaf zu versetzen. Veranstaltungen aller Art wurden behördlich untersagt, die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft wurde stillgelegt. Zu diesem Zeitpunkt waren es nur die Aufträge von März bis einschließlich Ende Mai, die von heute auf morgen wegbrachen. Stand heute schreiben wir bis weit in den September hinaus schlanke 100% Auftragsausfall in unsere Bücher. Ausgang ungewiss. Ausdrücklich muss an dieser Stelle betont werden, dass die verhängten Maßnahmen mit Kontaktbeschränkungen und Veranstaltungsverboten bis zum heutigen Tage auf unser volles Verständnis stoßen. Ganz anders sieht das mit der staatlichen Hilfe aus, die sich spätestens beim Kleingedruckten in heiße Luft verwandelt. Aber das ist ein anderes Thema. Was fest stand: Wir sind faktisch mit einem Berufsverbot belegt und werden seitdem ziemlich alleine gelassen. Eine extrem komische Situation.
Einmal von 100 auf Null und wieder zurück
Die Woche vor dieser Mail war also geprägt von einer Mischung aus der Suche nach Information, zu viel Zeit und dem Gefühl, in der Luft zu hängen. Die vier Wochen nach dieser Mail wiederum waren dann das absolute Gegenteil und irgendwie wirklich strange. Aus der ersten groben Stichwortsammlung mit dem Umfang eines Plätzchenrezeptes erwuchs sich wie im Schnelldurchlauf ein völlig neues Produkt. Jeder aus dieser quasi über Nacht gegründeten Task-Force kümmerte sich mit seinem Know-How in etlichen Tag- und Nachtschichten um seinen Bereich, in zahlreichen und regelmäßigen Telkos wurde die Strategie für die nächsten Schritte festgelegt: Bau und Optimierung des Produktions- und Sendestudios, technische Ausstattung, Streaming-Infrastruktur, Homepage, Social-Media-Channels, Hygiene- und Infektionsschutzkonzept, behördliche Genehmigungen, Charity-Netzwerk, Sponsoren- und Partnersuche, Aufbau eines strategischen Netzwerks und natürlich die Suche nach den passenden Künstlern. Grundsätzlich klingt das erst mal nach „Business as usual“ und jeder konnte sich mit seiner Expertise komplett austoben. Und doch ist es ganz anders: Zum einen hätte die ganze Zeit der Planung bis zur Umsetzung vor Corona schlichtweg viel länger gedauert. Und zum Zweiten wurde mit Corona Concerts ein Produkt für einen Markt realisiert, den es bis zu diesem Zeitpunkt schlichtweg so nicht gab. Doch dazu später mehr. Was einen dabei die ganze Zeit angetrieben hat, war eine gleichsam merkwürdige wie aufpeitschende Grundstimmung, die sich am Besten mit dem Schlagwort „Gründergeist“ beschreiben lässt. Vielleicht war es aber auch was ganz anderes. Der Wille, bei dem zynischen Umgang der Politik mit der Kulturbranche nicht kampflos aufzugeben. Oder der psychologische Faktor, irgendwie doch gebraucht zu werden, obwohl Jens Spahn und der Rest der Entscheider auf Bundesebene das anders sehen. Es lässt sich nicht genau beschreiben, hält aber trotzdem bis heute an. Aber eines ist Fakt: Hätte uns jemand im letzten Jahr den Auftrag gegeben, dieses Projekt in vier Wochen auf die Beine zu stellen, hätten wir mit den Brustton der Überzeugung „Geht nicht. Niemals!“ gesagt.
Und dann geht Corona Concerts live
Am 30.4. feiert Corona Concerts mit einem Livestream von X-Factor-Gewinner EES & Yes-Ja-Band Premiere. Ein paar tausend Menschen haben sich das angeschaut, anscheinend auch ein paar wichtige, und wir haben von allen Seiten überschwängliche Reaktionen erhalten. Zwei Tage später bei den Boppins dasselbe. Wieder ein paar tausend Zuschauer, wieder tolles Feedback. Und gerade in den Tagen nach diesen ersten zwei Produktionen haben sich die Ereignisse überschlagen. Auf einmal melden sich Labels bei uns und fragen unser Studio für eigene Produktionen an, und auch namhafte Hersteller aus der Musikindustrie möchten Corona Concerts unterstützen. Wir sind schon viel zu lange beruflich in der Welt der Musik und Events unterwegs, um genau zu wissen, dass da auch manchmal viel heiße Luft produziert wird. Und dennoch senden diese Anfragen auch wichtige Signale - das Konzept stimmt und das Endergebnis auch: Ein individuell auf die Künstler angepasstes Studio-Set-up und Showproduktion auf Fernseh-Niveau, was die Themen Bild, Ton, Schnitt und Live-Content betrifft. Dies kommt nicht von ungefähr. Zehn spezialisierte Profis sorgen pro Stream auf Seiten von Corona Concerts für reibungslose Abläufe und ein bestmögliches Ergebnis. Ton- und Lichttechniker, Bild- und Content-Regisseure, Kameraleute, Setdesigner, Stagemanager, Produktionsleiter und so weiter – das Team von Corona Concerts kommt aus ganz Deutschland und ist im „echten Leben“ mit namhaften Künstlern auf Tournee oder besetzt entscheidende Positionen auf Festivals wie dem Highfield oder Wacken. Sie alle gehen mit ihrer Zeit, ihrem Know-How und viel Enthusiasmus in Vorleistung. Doch auch der renommierteste Spezialist kann einen Umstand nicht wettmachen. Keiner von ihnen kann auf große Erfahrungen in einem Bereich zurückgreifen, den es vor wenigen Wochen in diesem Ausmaß noch gar nicht gab. Und der, was wirklich beeindruckend ist, täglich rasant wächst und, noch viel beeindruckender, dessen Mechanismen sich ebenfalls scheinbar täglich anpassen. Eine Riesenherausforderung. Und ebenfalls ein Riesenspaß. Und zum Thema ‚heiße Luft‘: Alle interessierten Firmen aus der Musik-Industrie sind inzwischen als unterstützende Partner eingestiegen. Läuft! Der Rücklauf von Seiten der Bands indes ist nach wie vor vielversprechend. Auch größere Namen schieben eingefahrene Strukturen zur Seite, verzichten auf Befindlichkeiten und zeigen sich von unserem Konzept und unseren Streams begeistert – und doch ist die Akquise im, wie eben erwähnt, täglich wachsenden Markt von Streamingangeboten und alternativen Konzertkonzepten à la Autokino absolut kein Selbstläufer. Gerade, dass namhafte Acts in den Autokinoformaten wieder Gagen akquirieren können, macht es für spendenbasierte Konzepte wie Corona Concerts nicht einfacher. Stichwort tägliche Anpassung. Auch der Streamingmarkt wird sich über kurz wie lang nicht dagegen wehren können, über so etwas wie einen Ticketverkauf nachdenken zu müssen.
Parallelen zum fast schon vergessenen Alltag
Doch so neu, spannend und von täglich neuen Herausforderungen geprägt so ein Projekt wie Corona Concerts auch ist, manche Sachen ändern sich auch hier nicht: Zeit- und Ablaufpläne an Produktionstagen können noch so oft im Vorfeld optimiert und angepasst werden – Improvisationstalent gehört vor Ort trotzdem oft genug zu den gefragtesten Skills. Künstler ändern gerne ihre Setlist nochmal – wenn die Abteilungen Lichtprogrammierung und Content-Regie Glück haben, passiert das drei Minuten vor der Liveshow. In der Regel aber spontan während des Gigs. Und das wichtigste: Dieses grundzufriedene, mit nichts zu vergleichende Gefühl bei allen Beteiligten, wenn die Show reibungslos funktioniert hat und das Publikum begeistert ist. Das bleibt immer so – ob im Studio oder open air.
Apropos open air
Abschließend noch ein Blick in die Zukunft. Wir freuen uns auf weitere, hochkarätige Streams im Corona-Concerts-Studio. Doch zeichnen sich neue, große Themen ab, die auf uns zurollen: Corona Concerts wird nicht nur seine Studio-Zelte für einige Zeit im Norden Deutschlands aufschlagen, auch soll ein Metal-Festival in den neuen Bundesländern auf die heimischen Bildschirme gebracht werden. Und dann wartet Mitte Juli noch etwas ganz Dickes unter freiem Himmel auf das Team. Doch mehr wird noch nicht verraten. Fühlt sich zumindest fast schon wieder normal an, das alles. Edit: Während diese Zeilen hier geschrieben werden, sitzen gerade vier Ziegen in unserem mit Stroh ausgelegten Studio und legen mit verzerrten Akustikgitarren alles in Schutt und Asche. Grind Core. Unplugged but Plugged. Großartig!
www.facebook.com/coronaconcertseu
Federführend stehen drei Dienstleister aus der Kreativ- & Musikbranche hinter CC …
- Dennis Bergsch/BergschWerk (Großostheim) betreibt eine Video- und Audiomanufaktur und ist damit nicht nur für diverse bekannte Künstler, sondern auch für eine Reihe großer Markenhersteller tätig. Zudem ist er als Musiker in verschiedenen Formationen deutschlandweit unterwegs.
- BLACKOUT Eventmanagement (Buchen/Odenwald) hat sich vom umfangreich aufgestellten Technikdienstleister für Einzelkonzerte, Festivals, Tourneeproduktionen und B2B-Events zur Full-Service-Agentur entwickelt und betreut zudem Felder wie Eventmanagement, Tourneeplanung und Backline bis hin zum Merchandising.
- Jens Trierweiler/JT Booking & Promotion/StageProject (Großwallstadt) kümmert sich ebenso um die zielführende Konzeption inkl. Booking von Konzerten und Festivals wie auch Corporate Events. Darüber hinaus stellt das Unternehmen Produktionsleiter & Stagemanager für deutschlandweite Produktionen.
Zusammen verfügen sie über ein umfangreiches Netzwerk an Spezialisten aus allen Bereichen rund um die Themen Live- und Studioproduktionen, audiovisuelle Medienproduktion, Booking, Management, PR etc.
„Keine Grenzen, keine Politik, so bunt wie die Welt, einfach nur Musik!“
Mit diesem Claim umschreiben die Macher der virtuellen Livemusik-Location Corona Concerts die Leitlinie ihres Angebots. Bekannte Acts aus allen möglichen Genres und mit genügend Reichweite spielen im Corona-Concerts-Studio Livestreaming-Shows. Diese sind für die -Zuschauer prinzipiell kostenfrei, jedoch haben diese die Möglichkeit, zu spenden oder ein spezielles, zeitlich limitiertes Special-Merch zu kaufen. Alle Einnahmen werden zur Kostendeckung aufgeteilt, jeder überschüssige Euro wird direkt an caritative Einrichtungen weitergeleitet.