Premiere in den heiligen Hallen der Kunsthalle: Die einzigartige Welt der hochindividuellen Kunstrichtung Art Brut findet erstmals Einzug in das städtische Museum in der Jesuitenkirche. Es ist eine Kunstform fernab des kulturellen Mainstreams – bekannt für ihre Ursprünglichkeit und Authentizität. Diese Kunstbewegung, auch als „Outsider Art“ im englischsprachigen Raum bekannt, wurde von Künstlern geprägt, die abseits des etablierten Kunstmarkts arbeiten und sich meist autodidaktisch ausbilden – Laien, Kinder, Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen oder Gefängnisinsassen – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Der Begriff der „Außenseiter-Kunst“ ist allderdings (zurecht) umstritten. Art Brut zeichnet sich durch Rohheit und Unmittelbarkeit aus, die ohne akademische Einflüsse oder Marktanpassungen auskommt. Die Werke sind oft von einer intensiven Ausdruckskraft geprägt, die aus der tiefen inneren Welt der Künstler hervorgeht.
Hannah Rieger, die österreichische Sammlerin und Künstlerin, hat sich der Richtung verschrieben. Ihre Leidenschaft für diese Kunstrichtung begann vor über zwei Jahrzehnten, als sie das erste Mal mit den kraftvollen und unkonventionellen Werken in Berührung kam. Rieger erkannte die tiefe Emotionalität und Natürlichkeit, die sie ausstrahlen, und begann, ein eigen Sammlung aufzubauen und zu fördern. „Die über Jahrzehnte nicht beachteten Künstlerinnen und Künstler und ihre Werke liegen mir am Herzen – sowohl persönlich als auch aus Gründen der akademischen Rehabilitation. Ich freue mich, dass Art Brut an diesem wichtigen historischen Ort, der ehemaligen Residenzstadt Aschaffenburg, eine angemessene Würdigung erhält", sagt Hannah Rieger selbst über ihre Intention. Ausgangspunkt ist in Maria Gugging bei Klosterneuburg, wo die österreichische Art-Brut-Künstlergemeinschaft ihren Sitz hat. Der Gros von Riegers Sammlung ist international mit weiblichem Schwerpunkt.
Der Name der Ausstellung findet vor allem auf einer Metaebene seine Bedeutung. Durch die Schau selbst wird ein Biotop – ein geschützter Raum für die Kunst, in dem die konzentrierte Emotionalität besonders effektiv transportiert werden kann. Die 550 Arbeiten, die die Sammlung umfasst, strotzen nämlich vor Leben, Bewegung und Dynamik, jedes Detail erzählt eine eigene Geschichte. Die Farben und Formen, verwendet werden.
In der sorgfältig kuratierten Auswahl ihrer Sammlung werden insgesamt 77 Werke von 44 Künstlern gezeigt – darunter vier Art-Brut-Vertreter, die auf der diesjährigen Biennale zu sehen sind. Heraus kommt eine Vielfalt, die die unterschiedlichen Facetten und Ausdrucksformen der Bewegung erlebbar macht und „Biotop Art Brut“ zu mehr als nur einer Ausstellung werden lässt – es ist eine Reise in eine Welt, die jenseits der konventionellen Kunst liegt. Es ist eine Einladung, Unverfälschtheit und Unmittelbarkeit zu erleben und sich von der Kraft und Schönheit in den Bann ziehen zu lassen. Hannah Riegers Sammlung bietet einen einzigartigen Einblick in eine Kunstform, die oft am Rande des Kunstbetriebs existiert, aber eine ungeheure emotionale und ästhetische Tiefe transportiert. Sowohl für gestandene Kunstliebhaber und neugierige Besucher bietet „Biotop Art Brut“ die Gelegenheit, sich von der Ursprünglichkeit und Authentizität begeistern zu lassen. Es ist eine Ausstellung, die inspiriert und zum Nachdenken anregt – über die Kunst, die Natur und die menschliche Kreativität. Bereits am 29.9. findet von 11–12.30 Uhr ein geführter Rundgang durch die Ausstellung statt.
Öffnungszeiten: Di. 10–20 Uhr; Mi.–So. & Feiertage 10–18 Uhr (außer 24., 25., 31.12. & 1.1.)