Immer mal wieder hört oder liest man über die nachrückende Generation im Iran und ihre Bestrebung, ihr eigenes Leben gerne internationaler zu gestalten. Wie verzweifelt und leider auch hoffnungslos dieser Wunsch ist, zeigt in schonungsloslosen und eindrucksvollen Bildern „Critical Zone“ des Regisseurs Ali Ahmadzadeh, der die Perspektivlosigkeit der jungen Menschen im Iran mit geradezu hypnotisierenden Bildern darstellt.
Das Gesicht dieser bedrückenden Mischung aus regimegesteuerter Schockstarre, Verzweiflung und Rebellion ist Amir, ein Drogendealer. Nacht für Nacht taucht er mit seinem Auto in die schier endlosen Tunnelsysteme und Straßen Teherans ab, um seinen Kunden Stoff zu liefern, der ihnen die kurzzeitige Flucht aus dem Mullah-Regime und der permanenten Fremdbestimmung bringen soll. Seine stetigen Begleiter bei seinen Trips in die Unterwelt sind sein Hund und ein GPS-Gerät, das ihn wie eine innere Stimme zu jenen Menschen bringt, die wie er am totalitären System zu zerbrechen drohen. Junge Menschen voller Ängste und Hemmungen, die es schon aufgegeben haben, von einer besseren Zukunft zu träumen und die sich wie Amir selbst regelmäßig zudröhnen, um die Pein zu lindern. Für sie kommt der Widerstand in kleinen Tütchen oder Brownies und Amir erscheint ihnen wie ein Prophet, der ihre geschundenen Seelen heilt. Und doch betäuben Amirs allnächtliche Lieferungen nur den Schmerz, mehr nicht.
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Critical Zone
„Critical Zone“ braucht dabei nicht viele Worte, um unglaublich viel zu erzählen. Auf der einen Seite ist das natürlich beeindruckend, auf der anderen Seite gewinnt der Film genau dadurch noch mehr an seiner bedrückenden Wucht. Ebenso selten erlaubt Regisseur seinen Figuren kurze Momente von Freiheit und Lust: Wenn eine Frau nachts ihren Kopf aus dem Fenster eines fahrenden Autos streckt, sich das Kopftuch abzieht und ein lautes „Fuck You!“ in die schlafende Nacht brüllt.
In diesen Momenten wird der Film selbst zum Ausdruck des Protests. Nicht verwunderlich also, dass das Regime den Streifen, der im Geheimen gedreht wurde, sofort nach Bekanntwerden seiner Existenz verbot. „Die Entstehung des Films war eine Revolution, seine Vorführung ist ein noch größerer Sieg!“ sagt Ahmadzadeh. Und der Siegeszug setzte sich fort, schließlich räumte „Critical Zone“ nicht nur beim Locarno Film Festival 2023 den Goldenen Leoparden ab, sondern wird international in den höchsten Tönen gelobt.