Die hiesige Sammelstelle für Kreativgewordene feiert 2024 sein 20-jähriges Bestehen und lädt zu einem dreitägigen Fest ein, das die Vielfalt und Kreativität dieses einzigartigen Ortes würdigt. Von 1918 bis 1966 wurde das geschichtsträchtige Gebäude von der Firma Metz KG als Werkzeugmaschinenfabrik genutzt. Im Jahr 2004 war der Maler und Bildhauer Herbert Deiss auf der Suche nach einem Atelier. Im Austausch mit der Vermieterin Barbara Schneider setzte man die Idee ein umfassendes Atelierhaus als Herberge für mehrere Kunstschaffende aus der Region in die Tat um. Seitdem ist das M27 ein lebendiger Treffpunkt für Kunstakteure und Kulturinteressierte, ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Inspiration für Repräsentanten sämtlicher Sparten: Malerei, Musik, Podcasts, Bildhauerei, gegenseitige Inspiration und generationenübergreifende Zusammenarbeit entsteht unaufhörlich in der Mittelstraße Nummer 27.
Mit einem abwechslungsreichen Programm aus Musik, Kunst, Film und Workshops gestalten die dort wirkenden und werkelnden Persönlichkeiten der Aschaffenburger Kunstkulturszene über ein ganzes Wochenende hinweg eine gebührende Zelebrierung und Huldigung der Institution(-sgeschichte).
Das Fest startet am Freitagabend mit einer spannenden Liveedition des bundesweit populären Podcast „Aktenzeichen Paranormal“ von Constantin Groß und Patrick Jost. Das Duo geht übernatürlichen Phänomenen und Erlebnissen auf den Grund. Gefolgt von mitreißender Livemusik von Sbasstic und Black Smoker wird der Auftaktabend ADHS-musikalisch abgerundet.
Am Samstag kann man die Pforten ab 14 Uhr durchschreiten, um in einer Ausstellung, offenen Künstlerateliers und bei Kunst im Hof die Arbeit(-splätze) der ladenden Kreativköpfe zu bestaunen. Ein Flohmarkt, kulinarische Köstlichkeiten vom Hannebambel, Livemusik von ANTULIA, ein Live-Vinyl-Set des 3er Golf Soundsystem und ein Sneaker-Design-Workshop von Marek Bäuerlein bilden das weitere Tagesprogramm. Die Dokufilmvorführung von „Das perfekte Schwarz“ entführt zum Ende des Samstags in die Bedeutungswelt der Farbe. Ein Astrophysiker, eine Meeresbiologin, ein Tattoo-Artist, eine Musikerin, eine Künstlerin und gleichzeitige Trauerbegleiterin sowie ein Kunstdrucker definieren im Film von Tom Fröhlich, wie sie zu dem für ihr Fachgebiet perfekten Schwarzton gefunden haben und welche Bedeutung es für sie einnimmt.
Der Sonntag beginnt um 13 Uhr mit einer Fortsetzung der Ausstellungen und Stöbermöglichkeiten auf dem Flohmarkt. Die musikalische Untermalung übernimmt die Blaskapelle Stadt Ornbau, während leckerer Kaffee und Kuchen nochmal ein gemütliches Beisammensein garantieren.
FRIZZ Das Magazin hat einige der dort „heimischen“ Persönlichkeiten gefragt, was das M27 für sie und die Aschaffenburg Szene ihrer Meinung nach bedeutet:
Marek Bäuerlein
Mein Atelier gibt mir Platz, Ruhe, Fokus und Inspiration für meine Arbeiten (denn ich wohne zentral in der lärmigen Innenstadt). Dann das Haus mit den ganzen Künstlern, das birgt einen riesigen Fundus an Talent und Wissen. Der Austausch mit meinen Nachbarn belebt mich in meinem Schaffen und hat mir schon oft echt geholfen. Das M27 ist für mich ein riesiges Plus und mittlerweile essentieller Punkt in meinem Leben. Die Rolle für die Aschaffenburger Szene ist ein Label, das ich gar nicht vergeben möchte. Unser Haus ist jetzt seit 20 Jahren Teil der Aschaffenburger Kultur und hat seinen Platz auch schon vor meiner Zeit gefunden. Wir haben mit all den Künstlern ganz viele unterschiedliche Facetten und Ansätze, die miteinander funktionieren. Ich kann aber sagen, dass jedesmal wenn ich neuen Besuch im Atelier habe, alle total überwältigt sind von der vielen Kreativität auf dem Raum M27. Absolut zurecht, geniales Haus.
Herbert Deiss
Zwanzig Jahre lang sind die Räume des M27 die Basis meiner künstlerischen Arbeit und mir sehr ans Herz gewachsen. Auch größere bildhauerische Projekte konnte ich in den Räumen und auf dem Außengelände realisieren. Einen solchen Ort in Aschaffenburg zu finden ist außergewöhnlich. Seit einigen Jahren werden Atelierräume auch von jüngeren Leuten genutzt und es findet ein inspirierender Austausch statt.
Daniel Stenger
Ich bin schon sehr lange im M27 aktiv und habe de facto meine gesamte künstlerische Entwicklung hier durchlebt. In unseren Proberäumen und durch die damit verbundenen Projekte ist mein gesamter Kreativ- und Freundeskreis entstanden, der wiederum viele weitere private und künstlerische Connections nach sich gezogen hat. Als ich später mit meinem Studio eingezogen bin, war es mir überhaupt erst möglich, mich richtig zu entfalten und ein kreatives Zuhause zu haben, in dem man sich austoben kann. Es klingt sehr cheesy, aber das M27 hat mein Leben einfach definiert. Für die Stadt kann ich nur aus meiner Musik-Warte sprechen. Ich glaube, für die Musikszene waren und sind wir eine gute Anlaufstelle. Viele spannende Bands haben sich hier formiert oder in unseren Räumen an ihrem Material gearbeitet und aufgenommen. Auch Podcasts wie „Proseccolaune“ und „Aktenzeichen Paranormal“ sind hier entstanden und beide Formate sind ja weit über die Grenzen Aschaffenburgs bekannt. Allgemein gesprochen habe ich das Gefühl, dass man uns manchmal etwas vergisst in der AB-Kunstszene. Aber mir persönlich ist das nicht so wichtig.
Constantin Gross
Es ist ein Ort, an dem man sich zurückziehen kann, aber doch nicht alleine ist. Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo so viele verschiedene Künstler und Richtungen unter einem Dach sind.
Uli Kaindl
Für mich als Künstler ist das M27 die Grundlage meiner Existenz, weil solche Räume hier in der Gegend quasi gar nicht mehr zu finden sind. Das ist wirklich etwas Besonderes. Persönlich bin ich mit dem Haus sehr verbunden, weil ich hier schon mein halbes Leben lang Musik mache und fast alle meine Werke hier entstanden sind. – Welche Aschaffenburger Kunstszene?
Antonia Deiss
Ein wunderschöner Ort für Experimente! An dieser Stelle ein ganz großes, herzliches Dankeschön an Frau und Herr Schneider! Ein Haus wie das M27 ist keine Selbstverständlichkeit und von unschätzbarem Wert für uns Kulturschaffende. Das Künstlerhaus M27 ist weder ein Künstlerkollektiv, noch ein Verein oder eine Institution. Alle Künstler und Musiker arbeiten hier selbstbestimmt in den eigenen Räumlichkeiten. Die Verbindungen die nach Außen bestehen sind dadurch natürlich entsprechend vielfältig und es herrscht schon immer ein Kommen und Gehen von Freunden, Arbeitspartnern und Gästen. Mit den Sommerfesten feiern wir diese Vielfalt ohne uns in eine Szene einzuordnen oder als definierte Gruppe festlegen zu müssen.
Moritz Alisch
Für mich persönlich ist es ein Rückzugsort ohne Zeit, Stress, Druck und Erwartung. Für mich als Künstler ist das M27 ein Ort des Schaffens und der Freiheit, das tun zu können, worauf ich gerade Lust habe. Danke an das Ehepaar Schneider für diese Möglichkeit. Seit Bestehen des M27 war und ist dieses Haus in Aschaffenburg schon immer durch den Underground (wenn es so etwas hier gibt) geprägt – zumindest, was mich angeht. Immer bissi unterm Radar aber trotzdem präsent. Ein eigener Kosmos und absolut einzigartig in Aschaffenburg.