Das 12-Stufen-Theater in Kleinostheim ist mit seinen 24 Plätzen eines der fünf kleinsten Theater der Republik. Agnieszka und Torsten Kleemann haben das Kleinod gegründet. Mit ihnen sprach FRIZZ Das Magazin über Corona, Zukunftsaussichten und das Leben zwischen Hoffen und Bangen.
Natürlich waren da auch Momente der Freude. Freude über die unverhoffte, freie Zeit. Denn so viel Freizeit in den Sommermonaten hatte das Gründer-, Schauspieler- und Intendantenehepaar in den letzten 15 Jahren nicht mehr. Doch die Kehrseite wurde ihnen schnell gewahr. „Seit Mitte März bestimmen auch Panik und Angst um die weitere Existenz unsere Gefühlswelt.“ Nicht verwunderlich, denn alles, was sie sich in den letzten 20 Jahren aufgebaut haben, wurde auf einen Schlag zunichte gemacht. „Natürlich haben wir ein Netzwerk an Partnern, tollen Stammgästen, Firmenkunden und was es sonst noch so an Kontakten gibt. Aber im Prinzip können wir wieder von vorne anfangen. Es hat etwas Zeit gebraucht, um die veränderte Situation als solche anzuerkennen und nicht mehr zu versuchen, in einem übersteuerten Aktionismus dagegen anzukämpfen“, erzählt Agnieszka. Was aber bei den Kleemanns auf keinen Fall Aufgabe oder Stillstand bedeutet. Vielmehr haben sie sich darauf konzentriert, ehemalige Nebenprojekte nun zu ihrem Hauptaugenmerk werden zu lassen. So gehen sie im Moment vermehrt „On Location“ – und kommen einfach zu ihren Gästen statt umgekehrt. Carports, Gartenlauben, Foyers, Ladengeschäfte, Weingüter, alles kann eine Bühne sein, die bespielt werden will. Die Idee wird sehr gut angenommen, wenigstens ein kleiner Lichtblick in diesen trüben Zeiten, in denen die Unterstützung von staatlicher Seite auch für das 12-Stufen-Theater ausbaufähig ist. „Keine Auftritte, keine Betriebskosten“, lautet die simple Gleichung, die die Bezugsfähigkeit der Soforthilfe negiert. Für drei Monate konnten Agnieszka und Torsten die Künstlerhilfe in Anspruch nehmen, den Rest der Zeit waren sie, wie so viele andere Kulturschaffende, komplett auf sich alleine gestellt. Aktuell befinden sich die beiden im Antragsverfahren für das Förderprogramm „Neustart Kultur“ und sind dementsprechend gespannt, ob die dringend benötigte Hilfe bewilligt wird. Über mangelnde Unterstützung von anderer Stelle konnten sie sich allerdings nie beschweren: „Von Anfang an erreichte uns wahnsinnig viel emotionaler Support seitens unserer Gäste. Auch haben wir mit dem Kulturamt, dem Stadtarchiv sowie dem Hofgarten Kabarett starke Partner in der Stadt, genauso wie uns die regionalen Medien große Aufmerksamkeit schenken. Dafür an dieser Stelle ein großes Danke!“
12 Stufen Theater
Beim Blick auf die aktuelle Perspektive indes wird’s wieder düster. Ganze VIER Besucher dürfte das Theater im Zuge der aktuellen Lockerungen in seinem wunderschönen Gewölbe in Kleinostheim begrüßen, ein wirtschaftlich sinniger Betrieb ist so unmöglich. Die Zeiten, in denen Agnieszka und Torsten von ihrem Beruf normal leben konnten, sind auf nicht absehbare Zeit Geschichte.
Und doch verströmen die beiden einen bemerkenswerten Kampfgeist und Optimismus. „Wir bauen uns neu auf, so gut es geht“, lautet die Marschrichtung. Und den Worten folgten direkt schon Taten: Eine Kultur-Konjunktur-Kurbel, eine Art kulturelle Wundertüte mit Inhalten diverser Kulturschaffender, wurde entwickelt und zugunsten des Guten Zwecks verkauft, auch wurde die Fassade des Theaters renoviert. Darüber hinaus planen die beiden den Einsatz von modernen Filtergeräten zur Luftreinigung sowie UV-Lampen zur Flächendesinfektion.
Den schönsten Nebeneffekt haben die beiden im zwischenmenschlichen Bereich ausgemacht: „Wir haben einen engeren Kontakt zu unseren Gästen. Das wäre im Normalfall nie passiert. Und auf einmal kennen wir unsere Nachbarn besser“, erzählt Agnieszka lachend.
Auch wenn sich das Leben der Kleemanns unfreiwillig entschleunigt hat, haben sie sich auf die Produktion im Stadttheater „Vorsicht Zerbrechlich/Fräulein Else“ (13.–15.10.) vorbereitet. Auch hier Optimismus, genauso wie beim finalen Fazit: „In der Spielzeit 2021/22 wird die Welt sicher wieder anders aussehen.“ Wir hoffen es – für dieses wundervolle Theater und all die anderen Kulturarbeiter der Region!