
WENN BOOTE KARNEVAL FEIERN, …
Die Gefährte: majestätisch und kunstvoll. Bestückt mit einem sonderbar dreinschauenden Drachenkopf, der mit seinem Blick so manchen verschrecken könnte. Auch die Schwänze der chinesischen Sagengestalten sind an den langen Drachenbooten (chin.: lóngchuán) angebracht. Die Insassen: hochkonzentrierte Hobby-Sportler, die in wenigen Sekunden ihre ganze Energie entladen werden. Peng – es geht los! Während die Zuschauer johlen, werden die ersten Paddelschläge im Takt der Trommeln getätigt. Noch fahren die Boote Nase an Nase …
Die Geschichte der Drachenbootkämpfe ist eine überaus mystische. Laut Legende sollen die eindrucksvollen Boote im alten China bei Überschwemmungen eingesetzt worden sein, um die Drachen im Wasser zu beruhigen. In der Neuzeit war zuerst Hongkong die Zentrale der Drachenboot-Szene. Dort wurde in den siebziger Jahren ein riesiges Festival organisiert: Das „International Dragonboat Race“ gilt als erstes seiner Art und ist noch heute eine epochale Veranstaltung, die auch der ersten Weltmeisterschaft vor 17 Jahren den Weg ebnete.
Heute wird in über 40 Ländern Drachenbootsport betrieben. Auch in Deutschland. Hierzulande wurde das erste Rennen 1987 im Rahmenprogramm der Kanu-Weltmeisterschaft in Duisburg durchgeführt. Große Drachenbootregatten finden vor allem im Westen und Norden der Republik statt und erreichen nicht selten fünfstellige Besucherzahlen. Die Fantasiegefährte cruisen entweder im Rahmen von sportlichen Veranstaltungen oder als vergnügliches Begleitprogramm von Stadt- und Volksfesten umher. Ziel der Wettkämpfe ist es, eine bestimmte Strecke so zeitig wie möglich zu absolvieren. Die Streckenlängen variieren von 200 Meter (Sprint), über 500 Meter (Kurzstrecke) und 1.000 Meter (Mittelstrecke) bis hin zu zehn Kilometer (Langstrecke). Die genormten Mini-Galeeren sind 12,49 Meter lang, 1,16 Meter breit und 250 Kilogramm schwer. Die Besatzung besteht aus Steuermann, Paddlern und dem Trommler.
Auch im Bayerischen Nizza sind im Sommer die Drachen los: Der Aschaffenburger Drachenboot-Frankencup wird am 30.6. bereits zum zehnten Mal ausgetragen. Von 9–19 Uhr wird der Perth Inch am Floßhafen dann zur ultimativen Drachen-Arena. Zwischen Willigisbrücke und Schloss „bekriegen“ sich mehrere Boote auf einer 200-Meter-Strecke. Das Teilnehmerfeld ist dabei breit gestreut: So treten Firmen-, Freizeit- und Fun-Mannschaften an – Profis dürfen nicht teilnehmen. Traditionell besitzen die Boote erheiternde Namen: So treten 2012 unter anderem die Blechnasen, die Funky Pirates und der Kommunalkutter an. Vier Startklassen gibt es: eine Open-Division, in der die Paddler willkürlich zusammengestellt werden, eine Mixed-Division, in der mindestens sechs Frauen mitpaddeln, eine Fun-Sport-Sparte, in der die Paddler mit mehr als zwei aktiven Drachenboot-, Kanu- oder Rudersportlern antreten und eine Damenklasse.
Steuermänner sowie Boote und Paddel werden vom Veranstalter bereitgestellt. Pokale gibt es für die ersten drei Plätze jeder Startklasse. Zusätzlich werden das beste Beginnerteam und das Team mit der originellsten Bekleidung ausgezeichnet. Heiner Fassnacht vom SSKC Poseidon, der den Frankencup mitorganisiert, berichtet stolz: „Nachdem wir 2001 bei einer Kanuregatta in Halle das erste Mal mit einem Drachenboot gefahren sind, war die Begeisterung so groß, dass sich unsere Abteilung ebenfalls ein Drachenboot zulegte. Es wurde die Idee geboren, am Floßhafen Veranstaltungen durchzuführen. Nachdem Stadt sowie Wasser- und Schifffahrtsamt überzeugt werden konnten, wurde 2003 die erste Drachenbootregatta ausgerichtet. Mehrere tausend Menschen am Streckenrand jubelten den Teilnehmern zu und waren Zeuge, als eines der Boote kenterte und mit vereinten Kräften ans Ufer geschleppt werden musste.“
Fotofinish! Ein Raunen wandert durch die Zuschauermenge – man diskutiert über das packende Ende des Rennens. Auch die entkräfteten Drachenbändiger schauen sich fragend an. Wer hat gewonnen? Langsam realisieren die Insassen des Siegerbootes ihren Erfolg und wedeln glücklich mit den Paddeln. Bumm, bumm! Vor Freude lässt der Trommler sein Arbeitsgerät erschallen. Verständlich. Aus dem Drachenmaul kommt ja schließlich kein Siegesgebrülle …