© Michael Seiterle
Professor Michael Moeckel
Die Gesundheits-App überwacht unsere Körperfunktionen, die Smartwatch zeigt den Herzschlag an und die Telemedizin ist auf dem Vormarsch. Das Gesundheitswesen steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Dem trägt unsere Hochschule – die ab 15.3. dieses Jahres Technische Hochschule Aschaffenburg heißt – mit einem neuen Angebot Rechnung. Zum kommenden Wintersemester 2019/20 bietet sie den Bachelor-Studiengang „Medical Engineering und Data Science“ an. Damit können interessierte Studierende tief in die Welt der Medizintechnik, der künstlichen Intelligenz und der Informatik eintauchen. FRIZZ Das Magazin hat mit dem Studiengangsleiter Prof. Dr. Michael Möckel gesprochen.
FRIZZ Das Magazin: Ab Oktober kann man in Aschaffenburg „Medical Engineering und Data Science“ studieren. Nur zur Sicherheit: Ist die Unterrichtssprache Englisch?
Michael Möckel: Nein. Im Rahmen des Studiengangs werden höchstens vereinzelt spezielle Veranstaltungen auf Englisch angeboten. Es ist nur so, dass sowohl in der Informatik, als auch in der Medizintechnik vor allem englische Begriffe verwendet werden. Deshalb haben wir den Studiengang treffend so genannt, weil das englische Wort Engineering eine breite Bedeutung hat und sowohl die technische Seite von medizinischen Geräten als auch Softwareentwicklung umfasst. Dazu kommen, als Vertiefung im Fach Informatik, Veranstaltungen aus dem Bereich Data Science.
Was bedeutet denn Data Science genau?
Es geht dabei um die Erhebung, Verarbeitung und Auswertung von Gesundheitsdaten. Wir erleben ja gerade eine Datenrevolution im Gesundheitswesen. Jedes medizinische Gerät produziert mittlerweile eine Unmenge von Daten – zum Beispiel Computertomographen oder Ultraschallgeräte. Diese Geräte müssen einerseits programmiert werden, andererseits muss dieser immense Fundus an Daten ja auch analysiert werden. Eine weitere aktuelle Entwicklung ist die Zusammenführung von Behandlungsdaten in elektronischen Patientenakten. Hier kommt die Medizininformatik ins Spiel. Für beide Bereiche braucht es entsprechende Anwendungssoftware und ausgebildete Fachkräfte. Aber es geht auch noch weiter. Der immense Fundus an produzierten Daten kann auch für wissenschaftliche Zwecke genutzt und zum Beispiel maschinen- beziehungsweise programmunterstützt interpretiert werden – damit die Mediziner zusätzliche Erkenntnisse gewinnen. Verfahren der künstlichen Intelligenz leisten dazu einen wichtigen Beitrag.
Das klingt spannend – aber auch bedenklich. Wie muss ich mir das vorstellen? Das Ultraschallgerät schickt mir eine Sprachnachricht aufs Handy, dass ich Zwillinge erwarte? Die künstliche Hüfte schickt eine Warnsirene in mein Hirn, dass ich die Kiste Bier doch lieber nicht tragen soll, der implantierte Leber-Sensor rät mir vom Feierabend-Bierchen ab?
Nicht ganz. Aber es geht schon in die Richtung: So gibt es bereits jetzt Programme zur automatischen Bilderkennung bei CT-Bildern. Wir reden von Herzschrittmacher-Monitoring, von Diagnoseunterstützungssystemen für Ärzte, von Nachsorge-Apps für die Patienten zu Hause. Oder von digitalen Patientenakten, der heimischen Blutzuckermessstation oder auch von Handys, die Vitalfunktionen an der Fingerkuppe messen. Gerade vor dem Hintergrund des Fachärztemangels und der Telemedizin, die ja zur Zeit in der Diskussion ist, sind das ganz aktuelle Fragestellungen. Bis zur intelligenten Hüfte wird es wohl noch etwas dauern … klar ist aber, dass bei allem, was man entwickelt, auch immer der ethische Aspekt berücksichtigt werden muss. Denn man muss schon fragen, in welchem Umfang man sich autonom tätige Geräte wünscht wie zum Beispiel Insulinpumpen, die „mitdenken und selbst handeln“. Und auch weitere juristische Aspekte werden beleuchtet, wie zum Beispiel der Datenschutz. Auch das wird Teil des Studiums sein.
Wie ist denn der Studiengang aufgebaut? Welche Komponenten sind dabei?
Eine zentrale Säule des Studiengangs ist Informatik speziell für alle Akteure im Gesundheitswesen. Dazu zählen zum Beispiel eine Programmierausbildung und praxisbezogene Projekte der medizinischen Softwareentwicklung. Der zweite große Bereich ist die ingenieurtechnische Seite: Hier geht es um Sensoren, um medizinische Geräte, um das Messen, um die Gewinnung und Verarbeitung von Biosignalen – also ganz allgemein um digitale Medizintechnik. Als dritte Komponente wird, wie schon gesagt, das Thema Data Science intensiv beleuchtet. Ergänzt wird der Stundenplan dann noch um die Themenfelder Datenschutz und Gesundheitsökonomie sowie um Basisinformationen zum Gesundheitswesen. In einem „Crashkurs Medizin“ werden medizinische Grundlagen vermittelt, es gibt eine Einführung in medizinische Fachbegriffe und Prozesse in Krankenhäusern. Aber keine Angst – man muss nicht wissen, welche Sehne und welcher Knorpel wie auf Latein heißt. Nach dem Grundstudium und dem Praxissemester kann man sich dann auf einen Schwerpunkt spezialisieren. In einem Schwerpunkt werden Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz ein wichtiges Thema sein, weitere Schwerpunkte können auch aus dem bisherigen Schwerpunktangebot der Hochschule gewählt werden. Zusätzliche Schwerpunkte stehen noch nicht ganz fest, da sie sich auch am Profil der noch zu berufenden Professoren ausrichten. Für Abschlussarbeiten bestehen auch Anknüpfungspunkte zu bestehenden Angeboten an der Hochschule wie das ZEWIS, wo unter anderem am Einsatz von 3D-Druckern zur Herstellung medizinischer Implantate geforscht wird.
Anm. d. Red.: siehe FRIZZ das Magazin 09|2017
Um bei der Hüfte zu bleiben: Die kann man sich also in ein paar Jahren selbst drucken?
In ein paar Jahrzehnten vielleicht, ja. Aber so weit sind wir noch nicht. Zunächst ist die Herausforderung, die verschiedenen Geräte miteinander zu vernetzen und die erhobenen Daten zum Wohle der Forschung, der Patienten und natürlich auch zur Rationalisierung der Arbeitsabläufe zum Beispiel in Kliniken auszuwerten.
Welche Vorteile hat der Studiengang? Was macht ihn so reizvoll?
Wir bieten einen neuen Studiengang, den es so in Deutschland nur sehr selten gibt. Es wird sehr kleine Arbeitsgruppen geben, einen intensiven persönlichen Kontakt zu den Professoren und eine sehr praxisnahe Ausbildung. Für alle, die das technische und die Informatik miteinander verbinden möchten und eine gewisse Begeisterung für die Medizin oder das Gesundheitswesen mitbringen, bieten wir nicht nur eine spannende Ausbildung, sondern bereiten unsere Absolventen auch vor für einen Arbeitsmarkt mit vielen attraktiven Job-Chancen.
Wo und für wen kann man dann arbeiten?
Der Einsatzbereich ist sehr vielfältig. Als Arbeitgeber kommen Krankenhäuser, Versicherungen, Pharmafirmen, größere Arztpraxen oder auch die medizintechnische Industrie in Frage. Bekannte große Anbieter aus dieser Branche sind zum Beispiel Siemens Healthineers oder Fresenius Medical Care, es gibt aber ebenso eine große Anzahl von kleineren und mittelständischen Firmen in der Region Aschaffenburg/Rhein-Main.
Wann kann man sich bewerben?
Die Einschreibfrist läuft von 2.5. bis 15.6.
Vielen Dank, FRIZZ wünscht einen guten Start mit dem Studiengang.