Leben wir schon oder wohnen wir noch? Was flapsig aus Schweden daherkommt, birgt eine grundlegende Wahrheit: Ein Dach über dem Kopf brauchen wir alle – es gehört zum Leben dazu. Und wohl kaum ein Alltagsthema bewegt die Gemüter so sehr wie das Wohnen. Zum kommenden Wintersemester startet an unserer Technischen Hochschule ein neuer Bachelor-Studiengang, der sich dem Thema Immobilienwirtschaft mit einem neuen Ansatz annimmt. Dabei geht es darum, wie Immobilien durch Technologie optimiert werden können, wie Prozesse durch Digitalisierung effizienter werden und wie man innovative Geschäftsmodelle in der Immobilienwirtschaft entwickeln kann. FRIZZ Das Magazin sprach mit der Studiengangsleitern Prof. Dr. Verena Rock über das neue Angebot.
FRIZZ Das Magazin: An der TH Aschaffenburg gibt es schon den Master-Studiengang Immobilienmanagement und den Bachelor in internationalem Immobilienmanagement. Warum jetzt dieser neue Studiengang?
Prof. Dr. Rock: Wir haben den Studiengang „Digitales Immobilienmanagement“ vor allem deshalb ins Leben gerufen, weil die Branche dringend nach Absolventen sucht, die diese Art von Qualifikation mitbringen. Im Gegensatz zu anderen Branchen ist das Thema Digitalisierung bei den Immobilien nämlich erst seit einigen Jahren aufgekommen. Hier besteht ein großer Nachholbedarf.
Warum ist das so?
Die Immobilienbranche erlebt seit zehn Jahren einen regelrechten Boom. Man konnte auch mit analogen Prozessen viel Geld verdienen. Es ging ihr fast zu gut, um sich über Digitalisierung Gedanken zu machen. Oft reichte es, zum Beispiel in Frankfurt ein Hochhaus zu kaufen, einige Monate nichts zu tun, um es dann mit Gewinn wieder zu verkaufen. Die Marktpreise sind in den letzten zehn Jahre stetig angestiegen. Es gab schlichtweg keinen Druck, innovative Prozesse anzustoßen.

© Kolja Erdmann | © TH Aschaffenburg
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Apropos Innovation. Auf der TH-Website steht in den Werbezeilen für den Studiengang viel von Innovation und Fortschritt, Design Thinking, von intelligenten Gebäuden und sogar von einer Revolution der Immobilienwirtschaft. Worin besteht diese Innovation? Was wird vermittelt?
Wir bewegen uns in der Ausbildung in zwei Bereichen: Zum einen geht es um die Digitalisierung der Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette bei Branchenunternehmen. Von der Akquise über den Bau, das Bestandsmanagement und die Sanierung bis hin zum Verkauf gibt es vielfältige Prozesse mit vielerlei Beteiligten. Derzeit mangelt es hier aber noch durch zahlreiche Medienbrüche an reibungslosen digitalen Abläufen. Teilweise liegen viele Daten noch in den Archivkellern in Papierform in Aktenordnern vor. Hier setzt der Studiengang an – alle Prozesse sollen vernetzt und digitalisiert werden. Zum anderen geht es um intelligente Gebäude, also die immobilienbezogene Digitalisierung: Wir sprechen hier von Häusern, die in allen Bereichen -digital vernetzt werden können und Daten erheben: Das reicht vom Reparaturmanagement über die Instandsetzung bis hin zur Optimierung des Energieverbrauchs und Messung der Luftqualität. Im Übrigen gibt es in ganz Deutschland keinen anderen Primärstudiengang dieser Art. Auch das ist also innovativ.
Sie sprechen von Datenerhebungen? Da klingeln natürlich gleich die Alarmglocken in Bezug auf Datenschutz. Werden unsere Häuser in Zukunft zu Überwachungsinstrumenten? Big Brother in Leitungen, Wänden und Heizungen?
Natürlich ist das ein wichtiges Thema. Diese Frage und der Umgang mit dem Datenschutz wird auch während des Studiengangs ausführlich behandelt. Da geht es dann auch darum, wie viel ein Mensch preisgeben möchte. Aber auch weitere ethische Fragen der Immobilienwirtschaft werden diskutiert: Wie sauber sind Vergabeprozesse bei Aufträgen? Wie sind opportunistische Investoren – die vielzitierten Heuschrecken – zu bewerten? Keine Frage, der Ruf der Branche ist in der öffentlichen Wahrnehmung leider immer noch nicht der Beste, aber unser Studiengang soll durch eine gute Ausbildung dem entgegenwirken. Unsere Immobilienstudiengänge sind hier übrigens auch von externer Stelle akkreditiert als Studiengänge mit hoher akademischer Qualität, in denen auch derartige ethische Fragen vermittelt werden.
Was erwartet die Studierenden?
Neben betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen steigt der Studiengang auch gleich zu Beginn mit spezifischen Kursen ein. Schon im ersten Semester wird das Fach Innovation in der Immobilienwirtschaft gelehrt, im zweiten folgt dann die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft. Im dritten Semester liegt der Schwerpunkt auf „Smart City“ und im vierten auf „Digital Real Estate Tools“. Im Hauptstudium gibt es ein verpflichtendes Praxissemester und zwei Schwerpunktmodule, die gewählt werden können. Dazu zählen zum Beispiel „E-Business und Business-Intelligence“, Digitale Geschäftsmodelle und Entrepreneurship“ oder „Smart City und intelligente -Gebäude“.
Smart City? Was kann man darunter verstehen?
Es geht hier um die digitale, intelligent vernetzte Stadt. Gebäude und öffentliche Infrastruktur kommunizieren untereinander und tauschen Informationen aus. Solche Systeme sind wichtig, zum Beispiel, wenn es um Verkehrsstrom-, Park-, Besucherlenkung oder die Optimierung des Energieverbrauchs geht.

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Wie steht es mit den Jobaussichten der Absolventen? Wo kommen sie unter?
Die Jobaussichten sind hervorragend. Die Branche ist „heiß“ auf unsere Studierenden. Das können Immobilienunternehmen sein, die Digitalisierungsberater im eigenen Haus benötigen. Sie werden dann zum Beispiel als Digitalexperte oder später als Chief Digital Officer angestellt. Oder unsere Absolventen werden klassisch als Immobilieninvestmentmanager, Bestandsmanager oder als Projektentwickler für Immobilienkonzepte tätig. Auch hier lassen sich die bestehenden -Geschäftsmodelle durch Digitalisierung optimieren. Weitere Einsatzmöglichkeiten gibt es bei sogenannten Prop-Tech-Unternehmen. Das sind junge Firmen, die sich mit vielfältigen Geschäftsmodellen der digitalen Transformation der Immobilienbranche widmen. Hier können unsere Studierenden an der Schnittstelle zum Kunden arbeiten oder auch in der Strategieabteilung. Und nicht zuletzt wollen wir auch die Fähigkeit zur eigenen Unternehmensgründung ausbilden und diese fördern.
Das klingt nach spannenden Einsatzmöglichkeiten. Zum Schluss kurz und knapp: Warum sollen Abiturienten Digitales Immobilienmanagement in Aschaffenburg studieren?
Weil es ein Studiengang mit Zukunft ist. Exzellente Jobaussichten, intensive Kooperation mit Praxispartnern aus der Branche, die eine innovative Verknüpfung von Lehre und Praxis bieten, und die Tatsache, dass es der erste Studiengang dieser Art in Deutschland überhaupt ist. Die Unternehmen werden sich um unsere Absolventen reißen!
Vielen Dank für das Gespräch!