Neben den zahlreichen großen Hilfsorganisationen sind auch gerade viele Ehrenamtliche und Privatpersonen in die Unterstützung der Menschen aus und in der Ukraine involviert und investieren Zeit, Mut, Geld und Manpower in humanitäre Aktionen. Über die Beweggründe, Erlebnisse und den unfassbaren Einsatz haben wir mit einem Helfer aus unserer Region gesprochen.
Nicht erst seitdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist, hört, liest und sieht man tagtäglich die sehr große Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung auf allen Kanälen. Schon bei der Katastrophe im Ahrtal war dies zu beobachten. Die Kernaussage ist deutlich: Wenn’s nötig ist, stehen wir zusammen. Dabei ist Helfen keine Sache von Datum oder Tageszeit. Helfen ist eine Sache der Ehre – und dabei sollte es völlig egal sein, ob der Seniorin von nebenan die Kartoffeln aus dem Fahrradkorb gefallen sind, eine Naturkatastrophe innerhalb Deutschlands gewütet hat oder es darum geht, die Folgen eines Krieges auf humanitärer Ebene abzufangen. Eines setzt Hilfsbereitschaft jedoch immer voraus: Dass man die Hände aus den Hosentaschen nimmt, die eigene Komfortzone verlässt und selbstlos handelt. Dies beinhaltet per Definition auch, dass es völlig egal ist, wer man ist oder woher man stammt. Unter anderem aus diesem Grund haben wir in diesem Beitrag auch bewusst auf einzelne Namensnennungen verzichtet.

Aschaffenburg hilft!
Bereits kurz nach Ausbruch der kriegerischen Auseinandersetzung haben sich bundesweit Initiativen gebildet, die Hilfsgüter gesammelt haben, um die notleidende Zivilbevölkerung vor Ort oder in den Flüchtlingslagern an Aufnahmespots im Grenzgebiet zu unterstützen. Relativ schnell haben sich die Hilfstransporte dann auch zu Flüchtlingstransporten entwickelt, da viele Helfer auf dem Rückweg Menschen aus der Ukraine ins sichere Deutschland gebracht haben. Andere wiederum denken nicht nur an die Bevölkerung, sondern auch an die zahlreichen Haustiere, deren Schicksal ebenso wie die ihrer Herrchen von helfenden Händen abhängt.
Auch aus Aschaffenburg haben sich Helfer auf den Weg gemacht in Richtung Ukraine, um Güter zu bringen und retour einen sicheren Transport für Mensch und Tier anzubieten. Mit einem von ihnen – der namentlich nicht erwähnt werden möchte, da er nicht als Einzelperson im Fokus stehen will – hat FRIZZ Das Magazin gesprochen. Zum Zeitpunkt des Gesprächs waren er und seine Mitstreiter schon mehrere Wochen nahezu pausenlos unterwegs und gerade mit 22 Hunden aus Lwiw/Lemberg in der Nähe von Dresden angekommen.

Aschaffenburg hilft!
Interview:
FRIZZ Das Magazin: Wann habt ihr entschieden, mit direkter Hilfe an der Grenze zu unterstützen?
Ein befreundeter Tierschützer aus Thüringen vom Verein „step by step“ und ich sind oft zusammen in Rumänien aktiv – und dementsprechend vielleicht auch schon ein wenig sensibilisiert. Nach den ersten Berichterstattungen war uns also sofort klar, dass wir etwas tun müssen. Die Bilder der flüchtenden Menschen haben mich direkt an die Erzählungen meiner Oma aus dem Zweiten Weltkrieg erinnert und das schockt einen umso mehr. Also haben wir einfach angefangen, Sachgüter und Geld zu sammeln und die Transporte zu planen.
Welche konkreten Ziele hattet ihr, als ihr euch vorbereitet habt?
Unser Ziel war es, direkt vor Ort zu unterstützen. Wir sind über unsere bisherige Tätigkeit mit Rumänien an sich und den Wegen dort relativ vertraut und haben daher auch dort die Grenzen angefahren. Auch, um uns selbst ein Bild zu machen und mit den Leuten vor Ort zu sprechen. Die erste Reise war ein bisschen ins Blaue hinein, aber wir hatten instinktiv die passenden Güter dabei, so dass unsere Hilfe auch direkt ankam. Die rumänischen Helfer und NGOs (Anm. d. Red.: nichtstaatliche Organisationen) haben mich zudem total beeindruckt, da sie ab der ersten Minute sehr organisiert die Lage an „unserem“ Grenzübergang im Griff hatten.
Es ist einfach schön zu sehen, dass auch wenige Menschen abseits der großen Hilfsorganisationen wirklich etwas bewegen können.
Wie lief die Akquise der Helfer ab, wie habt ihr euch organisiert?
Durch die bisherigen Aktivitäten im Tierschutz haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut, das wir jetzt relativ schnell aktivieren konnten. Unsere Trips haben sich innerhalb dieser Verbindungen verbreitet wie ein Lauffeuer und wir haben von allen Ecken und Enden Unterstützung erfahren. Dementsprechend haben sich auch unsere Strukturen im Ablauf der Hilfstransporte relativ schnell professionalisiert – das hat mir fast selbst ein bisschen Angst gemacht (lächelt verlegen). Es ist einfach schön zu sehen, dass auch wenige Menschen abseits der großen Hilfsorganisationen wirklich etwas bewegen können.

Aschaffenburg hilft!
Was denkt ihr über die Spendenbereitschaft der Menschen hier in der Region?
Die Spendenbereitschaft, gerade hier in Aschaffenburg, war schlichtweg der Hammer. Wir haben neben Sachspenden auch mehrere tausend Euro an Geld bekommen, womit wir in Rumänien mehrere Paletten Konserven, Reis und Fette kaufen konnten. Zumindest am Anfang, denn inzwischen sind die Supermärkte – zumindest in den Grenzregionen – komplett leergekauft.
Angst oder unbedingter Wille – welches Gefühl hat vor dem ersten Trip dominiert?
Angst auf keinen Fall, warum auch? In Rumänien und Polen sind wir absolut sicher. Wir sind mit einem unserer späteren Transporte sogar in die Ukraine hineingefahren und waren circa 50 Kilometer im Landesinneren. Auch da haben wir uns sicher gefühlt, obwohl wir nicht von Militär begleitet wurden. Wir haben dort in einer Kirchengemeinde unseren Hilfstransport entladen, von dort aus werden die Güter dann mit Transportern weiter ins Landesinnere gebracht. Es war und ist also der unbedingte Wille, „ungeschminkte“ Hilfe zu leisten. Ich selbst tue mir auch immer schwer damit, an irgendeine Organisation zu spenden, von der ich nicht weiß, wann, wo und wieviel meiner Spende vor Ort ankommt. Deswegen war es mir wichtig, bei allen Transporten selbst dabei zu sein, um sicherzustellen, dass alles 1:1 dort hinkommt, wo es dringend gebraucht wird.
Es war und ist also der unbedingte Wille, „ungeschminkte“ Hilfe zu leisten.
Woraus speist ihr die Motivation für euren unermüdlichen Einsatz?
Wenn du die Leute siehst, die mit einem Rucksack, einem Kind an der Hand und einem Hund an der Leine über die Grenze gelaufen kommen, dann brauchst du keine weitere Motivation mehr. Die haben wahrscheinlich alles bei sich, was ihnen noch geblieben ist. Wir wollen einfach helfen.
Konntet ihr bislang alle Ziele erreichen oder musstet ihr eure Pläne anpassen?
Nach der ersten Fahrt war „nach dem Plan ist vor dem Plan“ mein Leitspruch, denn wir mussten unsere Pläne tatsächlich nahezu stündlich den Gegebenheiten anpassen. Aber unsere Ziele haben wir eigentlich alle erreicht bisher, was auch daran liegt, dass die von uns angefahrenen Grenzen nicht direkt in umkämpftem Gebiet liegen und daher relativ sicher sind. Trotzdem bedarf es dann gerade vor Ort genauer Absprachen mit den örtlichen Hilfskräften und Organisatoren, was dann einiges an Flexibilität erfordert.

Aschaffenburg hilft!
Wie oft wart ihr dort und was habt ihr erreicht?
Wir waren jetzt zweimal an der rumänisch-ukrainischen Grenze sowie jüngst an der polnisch-ukrainischen Grenze, von wo aus wir bis nach Lemberg ins Landesinnere gefahren sind, um dort 22 Hunde zu übernehmen. Diese wurden von mutigen, ukrainischen Tierschützern in umkämpften Gebieten, auch in Kiew, aufgesammelt und in Sicherheit gebracht. So wird auch unser nächster Trip aussehen, der in circa einer Woche starten soll: Wir nehmen Lebensmittel, Hilfsgüter und auch Tiernahrung für die Tierheime vor Ort mit in die Ukraine und transportieren Flüchtlinge und Tiere aus der Ukraine in sicheres Gebiet. Wenn’s klappt, kommen wir mit der nächsten Tour vielleicht nach Kiew direkt.
Was hat dich auf eurer Mission bisher geprägt, überrascht oder beeindruckt?
Die unfassbare Hilfsbereitschaft der Menschen, nicht nur hier, sondern gerade auch in den angrenzenden Ländern. In Rumänien haben die Leute selbst nicht wirklich viel und opfern sich trotzdem auf für ihre Nachbarn in der Ukraine. Und dann ist da noch die Dankbarkeit der Menschen, denen wir helfen können. Wir haben zum Beispiel zwei Frauen mit deren Kindern mit nach Deutschland genommen, der Kontakt kam über das Tierschutz-Netzwerk zustande. Eine der Frauen ist Ärztin und die Klinik, in der sie arbeitete, wurde kurz vor ihrer Flucht durch Bomben zerstört. Ich habe noch nie so viel Bescheidenheit und Dankbarkeit erlebt wie von diesen Menschen.
Werden nach wie vor noch Spenden benötigt? Und wenn ja, was genau?
Wenn wir von den Leuten sprechen, die direkt im Kampfgebiet zurückgeblieben sind, dann grundsätzliche Sachen wie Nahrung, Wasser, Decken, Hygieneartikel. Denn da ist nahezu nichts mehr vorhanden. Doch auch in den nichtumkämpften Gebieten fehlen schon bereits die ersten Güter. Wobei man ganz klar sagen muss, dass an den Grenzen wirklich – zumindest im Moment – genug Sachen da sind und der Nachschub an Hilfsgütern ja auch nicht abreißt. Das Problem ist, die wirklich wichtigen Sachen auch ins Landesinnere zu bringen. Es gibt nur ganz wenig wirkliche Mutige, darunter einige rumänische LKW-Fahrer, die da ohne großes Zögern die Sachen in die Kampfgebiete bringen, auch wenn diese Hilfstransporte ebenfalls schon mal angegriffen wurden. Diese Leute sind die wirklichen Helden!
