Es gibt nicht mehr wirklich viele Firmen, in denen das Label „Familienbetrieb“ noch gilt. Anders in Schweinheim: Hier hat sich Geschäftsführerin Martina Kunkel-Haas vor gar nicht allzu langer Zeit ihren Sohn Sebastian Haas mit ins Chefbüro geholt, um den Generationenwechsel rechtzeitig und im besten Sinne aller Beteiligten einzuleiten.
Und wie es sich für eine Brauerfamilie gehört, ist auch Sebastian ein Mensch mit Leidenschaft und Herzblut für den perfekten Gerstensaft, schließlich wurde er ihm ja – zumindest sprichwörtlich – bereits in die Wiege gelegt. Die nötige Expertise erarbeitete er sich durch eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer in der Baden-Württembergischen Hirschbrauerei Honer, die er mit einem Studium im Bereich Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan kombinierte. Mit Erfolg: Seine Ausbildung schloss er als Landessieger in BaWü sowie bundesweit als Zweitbester ab. Kein Wunder also auch, dass Sebastian also inzwischen nicht nur Brauingenieur, sondern auch ausgebildeter Biersommelier ist.
Doch die Liebe zum Bier in all seinen Facetten kommt natürlich auch bei der Familie Kunkel-Haas nicht alleine durch den Nachnamen zustande.
In seiner Kindheit verbrachte er viele Stunden und Tage bei seinem Opa in der Brauerei, der ihn vielen Stammkunden bereits liebevoll als zukünftigen Braumeister vorstellte. Das Feuer wurde bei Sebastian dann in der Jugendzeit vollends entfacht, als er in den Ferien in der Brauerei mithalf und vom erfahrenen Bierbrauer Norbert Ullrich lernen konnte. Richtig ernst wurde es aber erst, als sein Opa starb und der Familienrat entscheiden musste, welche Wege einzuschlagen sind. Für Sebastian Haas, der sich einen Berufsweg im Brauerfach durchaus vorstellen konnte, eine Entscheidung, die ihn also nun in die Nachfolge seines Opas bringt – so wie von diesem prophezeit.
Zeit für FRIZZ Das Magazin also, ihn noch ein wenig besser kennenzulernen und mit ihm über seine persönlichen Ziele und die Zukunft des Hauses SCHWIND zu sprechen.

© Bjoern Friedrich
Juergen-Herzing-und-Sebastian-Haas
FRIZZ Das Magazin: Für viele von uns ist Bier eine wunderbare Nebensache, für Sie ist es Ihr beruflicher Lebensmittelpunkt. Welche Dinge stehen bei Ihnen persönlich neben dem Gerstensaft noch ganz weit oben?
Sebastian Haas: Die Familie ist mir wichtig, aber da sind wir auch schon wieder in der Brauerei. Familienbetrieb eben (lacht). Das ist nicht nur ein Job, sondern deine Lebensaufgabe, verbunden mit der Verantwortung für die lange Geschichte der Brauerei. Dementsprechend sind auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend, sodass für Hobbys im Moment nicht viel Zeit bleibt. Die Arbeitstage in der Brauerei gehen, vor allem in der Hochsaison, von sehr früh bis spät und durch die ganzen Feste auch übers Wochenende.
Wenn ich mal frei habe, treffe ich mich gerne mit Freunden, gehe Bouldern, Radfahren oder Tennisspielen. Ein Traum ist es, mehr von der Welt zu sehen und noch viele andere Länder und Kulturen kennenzulernen.
Sie haben in der Hirschbrauerei ihr Handwerk gelernt und sind Meister und Brauingenieur. Wie wichtig ist dieser Blick über den Tellerrand in einem anderen Unternehmen, um eine regionale Marke wie SCHWIND zielführend unterstützen zu können?
Sehr wichtig, denn die Hirschbrauerei ist größer als die SCHWIND Bräu und ich konnte Einblicke in alle Arbeitsabläufe, die Entwicklung neuer Biersorten aber auch die technische und bauliche Weiterentwicklung der Brauerei gewinnen.
Die beiden Braumeister dort haben mich in Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse miteinbezogen und mir so frühzeitig die Möglichkeit gegeben, auch im planerischen Bereich Erfahrungen zu sammeln und weiterzukommen.
Welche Projekte haben Sie sich für die nähere Zukunft als Chef der SCHWIND Bräu ganz oben auf ihre Agenda geschrieben?
Mein Hauptziel ist es, ein gesundes Unternehmen zu führen, das zukunftsfähig ist. Bei dem Stichwort Zukunftsfähigkeit denken wir auch ans Klima, daher ist es mir wichtig, energieeffizient zu arbeiten, und möglichst wenige Ressourcen zu verbrauchen. Ein Fernziel ist dabei, eines Tages klimaneutral oder vielleicht sogar klimapositiv zu werden. Diesen Ansatz vertreten wir jetzt schon und scheuen dabei auch keine Mühen, wie beispielweise bei unserer Aschaffenburger Braugerste. Diese ist zwar teurer und aufwendiger zu beschaffen, jedoch sind uns die kurzen Wege, sowie die Nähe und das Vertrauen zu unseren Lieferanten wichtig. Nur so kann ein qualitativ hochwertiges, vertrauensvolles Produkt entstehen. Irgendwann einmal Klimaneutral zu werden ist leider an unserem jetzigen Standort nicht möglich, da unsere aktuelle Technik vergleichsweise energieintensiv ist und einen hohen Wartungsbedarf hat. Das Konzept einer klimaneutralen und gleichzeitig wirtschaftlich arbeitenden Brauerei wäre daher nur mit einem Neubau der Brauerei zu verwirklichen. Und da sind wir bei einem großen Projekt, das auf der Agenda steht.
Haben Sie sich selbst auch einen bestimmten Zeitrahmen gesetzt, um erste Ziele zu verwirklichen? Wenn ja, wie sieht dieser Zeitplan aus und welche Ziele möchten Sie gerne erreichen?
Ich bin jetzt seit einem Jahr hier in der Brauerei und die Zeit vergeht wahnsinnig schnell. Mein Einstieg war mitten in der Zeit der ganz großen Einschränkungen durch die Pandemie, die uns natürlich auch große Umsatzeinbußen beschert hat. Da knabbern wir jetzt noch dran, genauso wie viele andere Brauereien auch. Und gerade als ein Aufschwung zu erkennen war, explodieren durch die Ukrainekrise die Preise für Rohstoffe, Energie, Logistik und Verpackungen. Es gibt also viele Herausforderungen, wenn man sich auf einem schwieriger gewordenen Markt behaupten will. Ein gutes Bier zu brauen, reicht heute alleine nicht mehr aus. Aber erste kleinere Ziele sind schon verwirklicht. Für die Beschaffung unserer Braugerste konnten wir eine regionale Quelle auftun, wir kooperieren hier mit dem Bauernhof Brunner in unserer Schweinheimer Nachbarschaft. Darüber hinaus haben wir mit dem naturtrüben Radler und der „Sommerhalbe“ zwei neue Biersorten auf den Markt gebracht, die gerade bei jungen Leuten gern getrunken werden. Auch haben wir ein paar interne Abläufe optimiert, an denen sich kurzfristige Erfolge ablesen lassen. Prinzipiell ist das Brauereigeschäft aber doch eher langfristig anzulegen und zu planen. Wir haben einen kleinen Marktanteil in der Region mit Wachstumspotenzial, daher sind wir zuversichtlich hier in Aschaffenburg und Umgebung auch langfristig erfolgreich zu sein.
Wenn Sie für sich persönlich drei Wünsche frei hätten, welche wären das?
Die Antwort klingt schon sehr abgedroschen, aber trotzdem: Gesundheit, keinen Krieg und privates Glück.
Welche Schlagzeile würden Sie heute in einem Jahr gerne über SCHWIND Bräu lesen?
Am meisten würde mich freuen, wenn Pläne für eine neue Brauerei in einem Jahr schon so konkret wären, dass sie eine Schlagzeile wert sind.
Womit – neben ihrer Brauerei – verbinden Sie Aschaffenburg noch ganz persönlich?
In Aschaffenburg lebt der Großteil unserer großen Familie und hier habe ich nun eine interessante Aufgabe, daher ist Aschaffenburg meine Heimat. Noch dazu ist sie sehr attraktiv, nicht zu klein und nicht zu groß. Die Menschen sind freundlich, aufgeschlossen, kommunikativ und sehr gesellig. Das spiegelt sich auch in den vielen Festen wider, von denen wir das eine oder andere mit Bier beliefern dürfen. Gott sei Dank dürfen sie wieder stattfinden! (lacht).
Vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg!