Heute am Morgen, beim Sonntagsfrühstück, zwischen dem dritten und vierten Buttermilchpfannkuchen. Ich vergaß bei #88 und dem Thema „Das perfekte Dinner“ zu erwähnen, dass nach Burger und Wraps, Buttermilchpfannkuchen die dritte feste Säule der Wochenendernährung der Familie Meidhof-Rußmann sind. Das nur so. Oder „by the Way“, wie gerne polyglotte Arschkanonen sagen. Die Welt mag unberechenbarer und unübersichtlicher werden, unsere Mahlzeitenstruktur ist so verlässlich wie ein paar Wanderschuhe der Marke Mephisto. Also Buttermilchpfannkuchen, Ahornsirup und plötzlich meine Tochter „Wenn ich 15 bin, möchte ich einen Instagram-Account haben“. Da staunte ich nicht schlecht. Meine Frau blieb dafür allerdings recht entspannt und meinte dazu nur kurz „Wenn du 15 bist, weiß niemand, ob es Instagram überhaupt noch gibt!“ Puff. Das saß.
Große Verwunderung bei meiner Tochter und mir kam dabei zweierlei in den Sinn. Zum einen: Willkommen in der Welt der sozialen Medien, Herr Rußmann, das wird noch ein Spaß. Aber noch viel entscheidender fiel mir zum anderen der krasse Unterschied der Generationen auf. Wie ein zu fettiges Stück Pfannkuchen von der Gabel rutschte mir folgende Erkenntnis in den Sinn: Diese Generation wächst inmitten von völlig anderen Koordinaten auf als unsere. Also wir. Damals vor 40 Jahren. Stell sich einer einmal vor, wir hätten unseren Eltern am Abend zwischen Schinkenbrot und Babybel kundgetan: „Vater, Mutter, hört her, wenn ich 15 bin, wäre ich gerne in einer Zeitschrift“ und die hätten kurzerhand entgegnet „Sohnemann Ralph, alles recht und gut, aber wer weiß, ob es, wenn Du 15 bist, Zeitschriften überhaupt noch gibt!“.
Haha. Hoho. Großes Gelächter. Oder entgeistertes Kopfschütteln wäre die Reaktion gewesen. Denn wir wuchsen in dem sicheren Irrglauben auf, alles wäre für immer. Das dachten wir. Und unsere Eltern glaubten das auch. Sag’ ich ganz freiweg als These und retrospektiv. Ok, wir hatten auch kleine Sorgen und die Songs dazu hießen „Video Killed the Radio Star“. Aber ansonsten analoges Fernsehen, die Kassette als Tonträger und ein Familientelefon mit langem Kabel. Ring, Ring. Das war unser Standard. Und jetzt? Gestern noch mit dem Modem eingewählt und „chrrr, tschck, tschck, beep, beep“ mühsam Mails verschickt, wird heute nach dem Pfannkuchen kurz mit der Oma über Skype oder Face-Time palavert. So sieht’s aus. Und jetzt nicht vergessen, wo wir waren, gleich komme ich drauf zurück.
Instagram hin, Video-Call her. Bei so viel Tumult am Tisch wollte auch mein Sohn nicht zu kurz kommen und rief gleich hinterher. „Und wenn ich groß bin, will ich berühmt werden. Ich will Koch werden. Aber berühmt.“ Diesmal ich „Bruno, das ist gut. Aber noch wichtiger ist, dass du glücklich wirst. Aber ein ordentlicher Beruf ist dabei nie verkehrt!“ Und brachte gleichmal Tim Mälzer ins Spiel, der ist ja auch Koch. Und irgendwie auch berühmt.
Ach Herrje, was bin ich manchmal herrlich naiv und anachronistisch. Tim Mälzer, Berufe lernen, glücklich werden. Die Jugend von heute hat Berufe wie „Influencer“ geschaffen und die beiden Richtwerte „ordentliche Leistung zeigen“ und „eine Menge Geld verdienen“ hängen nicht mehr kausal zusammen. Ach was red’ ich, sie sind mittlerweile so weit voneinander entkoppelt, wie der Verstand vom Hirn der Person Xavier Naidoo. Meine Kinder wachsen in eine Welt, in der kein Mensch weiß, wie viel reale Arbeit überhaupt noch notwendig sein wird und in der niemand sagen kann, welche Quatschberufe noch kommen werden. Das will ich gerade weder verteufeln noch gutheißen. Es fiel mir nur heute früh ein. Zwischen dem dritten und vierten Buttermilchpfannkuchen. Wir leben in einer Zeit des permanenten Wandels und meine Kinder werden keine andere Konstellation und Zuverlässigkeit mehr erleben. Netzwerke, Plattformen, neue Formen der Fortbewegung und Kommunikation. Was heute gilt, ist morgen vielleicht schon wieder Vergangenheit.
Zwischen mir und meinen Kindern liegen zwei Generationen. Geht es zumindest nach der Generationenforschung. Auf die Generation X, der ich angehöre, folgte die Generation Y und die Generation Z. Beide sind dazwischen. Das ist eine Menge Holz. Erst dann kommen die Geburtenjahrgänge meiner Kinder. Das Los von uns alten Vätern. Unsere Kinder sind die Generation Alpha und die Generation, die komplett mit den Technologien des 21. Jahrhunderts aufwachsen wird. Sie werden durchdigitalisiert sein, ihr ganzes Leben und Denken. Sie werden wahrscheinlich sogar über die Digital Natives schmunzeln. Ihr Leben wir geprägt sein von dauerndem Wandel und massiger Instabilität. Herrje. Aber Buttermilchpfannkuchen, die mögen sie noch. Vielleicht ist dies das feste Bindeglied. Die Konstante. Und der Link zwischen uns allen. Der beständige rote Faden. Facebook, Instagram, Snapchat, TikTok und was weiß ich, vieles wird noch kommen und fast alles davon wieder gehen. Aber Buttermilchpfannkuchen, ich glaube die werden bleiben. Lieber Himmel, was einem manchmal Sonntagsfrüh so in den Sinn kommt. Meine Tochter will lediglich mit 15 einen Instagram-Account.
Bruno und ich hören: Faith No More „Angel Dust“ (Polygram/London Slash)