Die Leidenschaft begann irgendwann vor gut einem halben Jahr. Oder um mit der Band Kettcar zu sprechen: „Es war im Sommer 89“, bei uns eben im Sommer 2020. Corona hatte sich erstmals ein wenig beruhigt, doch mein Sohn schnitt keine Löcher in den Zaun. Stattdessen entdeckte er die bunte Welt der knackig-süßen Erfrischungen und hatte prompt sein Herz verloren. Es war der Auftakt für eine Beziehung, die inniger kaum sein kann. Ich spreche mich dabei nicht ganz frei von Schuld. Ich brachte es in sein Leben. Das neue Getränk. Mit ordentlich Zucker. Aber diese Liebe und den Genuss konnte fortan niemand mehr stoppen. Vitamalz, Karamalz, Flensburger-Malz, Bayrisch Malz. Völlig Wurscht. In seiner Welt ist es nur eins: Kinderbier!
Und dieses Kinderbier muss getrunken werden. Immer nach getaner Arbeit. Wir werkeln im Garten, räumen Rechen und Karren weg und schon tönt es „Papa, und jetzt trinken wir ein schönes Kinderbier, ja?“. Also ich ein Erwachsenen-Bier und er ein Malzbier. Oder besser ein Malztrunk! Denn Achtung: Im Malzbier darf Alkohol sein, im Malztrunk nicht. Wieder was gelernt. Gern geschehen. Ich bleibe zur Sicherheit bei der Bezeichnung Malzbier. Sonst komme ich durcheinander. Also zurück zum Wesentlichen. Wir reparieren die Fahrräder vom Rest der Familie. So fertig. „Papa, und jetzt ein Kinderbier, ja“. Es regnet draußen. Er verzieht sich mit seinem Kumpel Franz unters Garagendach. Dazu gibt es? Na klar, Kinderbier. Da hocken sie dann, wie zwei rüstige Rentner, jeder mit einem Glas Malzbier vor sich. Prost! Ich lache, bin aber gleichzeitig auch etwas irritiert und nachdenklich. Ist das überhaupt noch witzig? Oder bereits eine erste bedenkliche Stufe zu späteren Problematiken? Fett- oder Alkoholsucht?
Ich trinke auch gerne Bier. Das habe ich an anderen Stellen schon mehrfach betont. Nicht immer und dauernd. Aber doch eben sehr gerne. Was will ich machen: Ich finde schlicht und ergreifend, Bier ist ein sehr leckeres Getränk. Und mein Sohn fährt eben auf Malzbier ab wie so mancher Mann auf Lena Gercke. Jetzt sitzen wir nach getaner Arbeit vor der Haustür und stoßen an. Prost mein Sohn. Wo endet nur unsere gemeinsame Genussreise! An der Trinkhalle um die Ecke? Wenn ich 60 bin und er 16? Meine Tochter liebt Zitronenlimonade und hatte nie das Bedürfnis mein Bier zu versuchen. Bruno ist da aus unterschiedlichem Holz geschnitzt. Er schaut schon ganz anders auf den Schaum. Erwartungsfroh, fast schon fiebrig. Als könne er es jetzt schon kaum erwarten an das Originalbier zu kommen. Herrje. Ich befürchte, ich bin auch hier sein Vorbild. „Bruno, aufhören! Erst einmal Kinderbier. Haben wir uns verstanden?“
Ich selbst hatte eine ziemlich knackige Nährbierphase in meinem Leben. Ich glaube, ich habe bereits in den Anfängen dieser Reihe davon erzählt. So um die sieben oder acht dürfte ich gewesen sein, da trank ich das Zeug in einem Zug und gleich nochmal. Entsprechend bekam ich ordentlich was auf die Rippen und die Backen. Meine Großmutter sorgte für regelmäßigen Nachschub bis mein Vater vehement einschritt. Habe ich auch bereits festgehalten. Aber wahrscheinlich schreibe ich es als Text nur deshalb immer wieder auf, damit ich mir der Gefahr im Verzug bewusst bin. So mahnmalmäßig. Bei mir hätte das nämlich noch heiter werden können. Bei Bruno versuche ich entsprechend wenigstens den Verbrennungsgrad vorab ein wenig aufrecht zu erhalten. Also Laub zusammenrechen, Kaminholz setzen, Nüsse im Hof ausfahren.
Ganz im Kern bin ich der festen Überzeugung, dass ab und an ein Kinderbier nicht schaden kann. Es gaukelt zwar so in Sachen Krafttanken übelst was vor, aber Kinder, die mit Fünf nur eine leicht gespritzte Holunderblütensaftschorle wollen, sind mir auch ein wenig suspekt. Es ist auch nicht so, dass er sich das Zeug völlig sinnfrei reinschüttet, er unterscheidet sehr wohl zwischen Kinderbier und eben Kinderbier. Beim einen – Flensburger – mag er zumindest den Verschluss, ansonsten fehlt ihm da der Overload an Zucker. Entsprechend ist mal Vitamalz, mal Karamalz vorne. Zucker galore hat schon oft zum Sieg verholfen! Doch Bruno versucht zumindest auf Nachfrage auch die geschmacklichen Feinheiten zu beschreiben. Noch nicht ganz so ausdifferenziert, als dass ich damit einen Warentest vernünftig füllen könnte. Aber er bemüht sich redlich. Bitteschön, soll einer sagen, Sommelier sei nur was für die Welt der Großen.
Bei einer Blitzrecherche stieß ich gestern Nacht auf eine sehr fundierte Seite, die sage und schreibe 39 verschiedene Malzbiersorten in der Testung hatte. Und es ist wie beim Bier. Die Marktführer sind hier nur blanker Durchschnitt. Von wegen Vitamalz und Karamalz. Ganz vorne ist das Feldschlösschen Malz-Klassik. Ohne Alkohol. Meine Güte. Eine völlig neue Welt tut sich hier auf und mein Sohn steht erst am Anfang dieses Entdeckerspektakels. Auf geht’s, Bruno, pack den Koffer, wir setzen uns eine Tastingrundfahrt auf die Vater-Sohn-Agenda. Schwarzwald, Dresden, Allgäu, holt eure besten Malzbiere raus, wir kommen!
Bruno und ich hören: The Killers „Sam’s Town“ (Island Records)