Gleich mal vorweg, bevor hier jemand auf faule Gedanken kommt. Es geht in diesem Beitrag nicht um schräge Vornamen und um eigenartige Eltern, die ihre Tochter Pamela Sue Ellen oder ihren Sohn Rigobert oder Ludwig-Gustav taufen lassen. Das ist mir am Ende des Tages nämlich recht schnuppe. Ich behaupte auch nicht, dass jedem Bruno oder Hanni gefallen muss. Jedes Rippsche hat sein Geschmäckelsche und so weiter. Mich sorgt eher weiterhin, dass Ludwig-Gustav in der Schule immer besser wegkommen wird, als Murat oder Kevin. Von Pamela Sue Ellen mal ganz zu schweigen. Bei gleicher Leistung wohlgemerkt. Aber das ist ein völlig anderes Thema. Ich habe vielmehr eine gepflegte Grundskepsis. Und zwar gegenüber Eltern, die sich von ihren Kindern mit dem Vornamen rufen lassen. Wenn der siebenjährige Anton lauthals „Robert“ oder „Sonja“ durch den Hof plärrt, statt „Mama“ oder „Papa“ zu tröten. Da bin ich immer Hallo-Wach und denk mir, hier stimmt doch was nicht.
Ich will mal nicht so sein. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, die das mit den Vornamen auch so praktizieren und trotzdem in Grundlagen ins ähnliche Horn pfeifen wie meine Frau und ich. Allein, die Anzahl ist recht überschaubar. Der Rest dieses Typus Eltern ist in vielerlei Hinsicht anders als wir es sind. Ein anderer Erziehungsstil, ein unterschiedliches Verständnis, kurzum eine andere Form und Technik. Will ich mal so sagen. Wie Chelsea und Barcelona. Zweimal Fußball und doch ganz verschieden. Ich für meinen Teil möchte nicht, dass mein Sohn oder meine Tochter mich „Ralph“ rufen. Ich bin da recht old-school und vertraue auf seit Generationen Bewährtes. Ich muss wegen mir damit leben, dass Hanni mich jetzt ab und an „Paps“ oder – noch übler - „Daddy“ nennt. Das klingt jetzt für mich nicht nach Top-Ten der Lieblings-Rufnamen, aber am Ende bleibe ich ihr Vater. Also alles gut! Dabei fällt mir auf: Meine Frau ist nie „Mum“ oder „Muttili“. Warum auch immer. Für immer Mama. Da höre ich als Hommage gleich mal „Mother“ von Danzig.
Zurück aufs Spielfeld. „Paps“, „Daddy“, „Papaaaaa!“. Das ist mir alles recht. Aber bei all denjenigen, die sich von ihren Kindern mit dem Vornamen anföhnen lassen, da schwant mir immer, das soll so ein Gleichberechtigungs-Ding sein. Am Ende sogar noch eine Beste-Freunde-Kiste im Coming-of-Age-Stadium. Und dagegen wehre ich mich vehement. Ich habe beste Freunde. Und ich habe Kinder. Und mit denen will ich nicht so ein Tip-und-Tap-Thema fahren. Wer es nicht mehr weiß. Tip und Tap waren die Maskottchen der Fußball-WM 1974. Und ich glaube die waren wirklich ziemlich beste Freunde. Beste Freunde spielen gemeinsam anderen Streiche, hängen Nächte zusammen in schäbigen Kellern ab, klagen wechselseitig übers erste unglückliche Verknalltsein, trinken fiese Schnäpse und freuen sich miteinander über coole Frauen. Manches davon kann ich mir gut mit Bruno vorstellen. Aber nur manches. Will ich dagegen ALLES davon mit meinem Sohn machen? Nein! Will das alles mein Sohn mit mir machen? Ich hoffe nicht. Gleiches gilt für meine Tochter und meine Frau. Oder meinen Sohn und meine Frau. Um nicht falsch zu gendern.
I have a dirty and glory Job. Alles gleichzeitig. Schranken setzen, Mut geben, Vertrauen spenden, Zutrauen verteilen, einordnen, lange Leine lassen, kurze Kandarre. Da mag es Überschneidungen zum besten Freund geben, aber eben nur eine überschaubare Schnittmenge. Wie gesagt, es gibt Ausnahmen. Da haben die Kinder aus Spaß an der Freud’ plötzlich begonnen, ihren Vater „Robert“ zu nennen, die Eltern haben es laufen lassen und jetzt ist es eben so. Meine Kinder hatten niemals das Bedürfnis. Noch nicht mal für den Augenblick eines Hasenfurzes. Und wenn, hätte ich es gleich unterbunden. Ich bin nicht immer konsequent, doch in diesem Punkt wäre ich auf den Punkt Hardliner gewesen. Papa, Vater, wegen mir auch Herr Papa! Sonst nix. Kapiert? Danke, Kinder! Ihr seid großartig.
Im Rückspiegel des Lebens fällt mir ein, dass ich um die 20 Jahre alt war, als ich auch so eine Kiste mit meinem Vater fahren wollte. Da sprach ich ihn immer mit „Gerhard“ an, weil ich dachte, so könnten wir unser Verhältnis auf eine andere Ebene heben. So völlig weg von unausgesprochenen Wünschen und Forderungen. Im Nachhinein entpuppte sich das als rechter Mumpitz und Quatsch. Zum einen änderte sich in den Grundfesten gar nichts. Ganz im Gegenteil. Und zum anderen tat ich ihm damit auch keinen Gefallen. Denn ganz tief im Herzen wollte und will er immer auch mein Vater sein und nicht der Gerhard. Am Ende tat es uns beiden gut, als ich wieder zu Altbekanntem zurückkehrten. Aus diesen Lehren des Lebens ziehe ich mein Verständnis. Vater, Mutter, Mama, Papa, wegen mir auch Daddy. Der Rest ist meiner Welt ein anderes System, das ich nicht bespielen möchte. Ich hoffe meine Kinder halten sich dran.
Bruno und ich hören: John K. Samson „Winter Wheat“ (ANTI-Records) und den Song „Mother“ von Danzig (Atlantic Records)