Achtung, Achtung, ein gefährlicher Dieb treibt seit kurzem sein Unwesen. Nehmen Sie sich allesamt besser in Acht, denn der Räuber Schniedelwutz ist unterwegs. Seit heute Mittag. Und es ist der vorläufige Höhepunkt des neuen Verhältnisses meines Sohnes zu bestimmten Körperteilen. Und für all diejenigen, die meine Reihe hier mit ihren Kindern lesen oder denen die Ohrwatschler bei so mancher Ausdrucksweise ganz schnell schwellen, denen sei gesagt: Dieser Neverending Vatertag ist an zwei bis drei Stellen erstmals vielleicht nicht ganz jugendfrei. Zumindest FSK 12. Sag ich mal so aus der Hüfte. Aber lieber Himmel. Das ist der 80te in dieser Sammlung. Bei so einem runden Geburtstag darf ich auch mal einen raushauen.
Doch zurück zum Räuber Schniedelwutz. Der stromerte heute bei schönstem Corona-Sonnenschein durch den Garten. Mit Rucksack und Seil bestückt. Und seinen Namen trug er vor sich her wie ein Donnerschlag: RÄUBER SCHNIEDELWUTZ! Bruno ist ein großer Freund des Räuber Hotzenplotz. Er spricht ganze Textpassen aus dem Effeff. „14 Tage Spritzenhaus bei Wasser und Brot“ und so weiter. Ähnlich verwegen dröhnte jetzt auch der Name aus seiner kleinen Kehle: „Ich bin der Räuber Schniedelwutz, hohoho!“. Ich vermute es ist seine Weiterentwicklung der Figur Hotzenplotz. Hier nur mit einem Thema und Name als Bezug, die anscheinend gegenwärtig über die Maßen beschäftigen.
Die Bezeichnungen aus diesem – sagen wir mal – Themencluster halten in den jüngsten Tagen mit mächtigem TammTamm Einzug in den heimischen Salon. Und dies, ohne das wir dazu irgendeinen unnötigen Beitrag geleistet hätten. Oder wir besonders sexualisiert unseren Alltag vor uns hertragen. Aber der Schniedelwutz hat auf eigentümliche Art an großer Bedeutung gewonnen. In einem Ausmaß, wie ich und meine Frau es vorher nicht kannten und auch nicht damit rechneten. Bei Hanni kam nie die Räuberin oder Fee „Mumu“. Es war schlichtweg nie ein so präsentes Thema in ihrem Leben.
Los ging es bei Bruno bereits vor einigen Wochen. Da war er stinksauer. Ich weiß nicht mehr genau warum. Irgendeine Nichtigkeit wird es schon gewesen sein. Es braucht dazu momentan nicht viel. So als Beispiel: Wir essen doch nicht draußen im Garten. Oder vor dem Essen rücken wir – wie immer – keinen Riegel Kinderschokolode raus. Etwas in der Art. Für Erwachsenen völlig selbstverständlich. Für Bruno ein unfassbarer Skandal. Und da brach es aus ihm heraus. „Piephahnmaul! Ihr seid ein Piephahnmaul!“. So. Da standen wir. Einigermaßen neben der Spur. Zwischen Losprusten und gestellt „Sauer-werden“.
Wir beschlossen zu lachen und das Ding auf sich beruhen zu lassen. Es wird schon nicht die kindliche Variante von „Schwanzlutscher“ sein. Dann hätten wir intervenieren müssen. Aber Piephahnmaul klang nach viel Wut und nach noch viel mehr Quatsch. Die Tage zogen ins Land. Ab und zu hallte es nochmal durch die Räume. Lauthals war irgendwer ein Piephahnmaul, aber dann verschwand der Begriff wieder in der Kiste der gebrauchten Kinderworte. Zu „Maji“ und „ Weisse ich“ und all den anderen Bruno-Begriffen, die mein Leben in den verschiedenen Phasen so wunderbar bereicherten.
Dann spielte er irgendwann Luftgitarre und sagte er will mal eine Band gründen. Das hat mich außerordentlich gefreut. Mit wem er das denn machen will, fragte ich gleich eifrig. Mit Tränen der Vorfreude in den Augen. Mit seinen Freuden Marc und Luca. Das sind Zwillinge und eine furiose Mischung. Halb russisch, halb afrikanisch. Sie sehen aus, als wären sie die Söhne von Will Smith. Fast zu süß um wahr zu sein. Ich sah die Band schon vor meinem geistigen Auge. Ein Trio wie Green Day oder Blink 182. Nur noch viel smarter und die Frauenherzen würden ihnen zufliegen. Also die Frauenherzen, der wirklich coolen und lässigen Mädchen der Stadt. Ob er denn auch schon einen Namen für die Band habe? Wenn schon, denn schon. Ich wollte gleich das Gesamtpaket vermarkten. Ja, hätte er und zwar „Die Piephahnkratzer“!
Lieber Himmel. Die „Piephahnkratzer“. Was ist denn das für ein Name. Es gab mal die Band „Eisenpimmel“ aus dem Ruhrpott. Die fielen mir da spontan ein. Vielleicht gibt es die sogar immer noch. Allein, dass ich das nicht weiß, bestätigt aber meine These: Mit so einem Bandnamen bleibst du auf immer und ewig eine Nischenband, die kein Piephahn ernst nimmt. Selbst im Punkrock. Ich befürchte „Piephahnkratzer“ wird es ähnlich ergehen. Und der Räuber Schniedelwutz? Na der treibt derweil weiter sein Unwesen. Meine Herren. Er wurde doch gerade erst vier Jahre alt. Wo soll denn das alles noch hinführen?
Bruno und ich hören: Ben Harper „Welcome to the Cruel World“ (Virgin)